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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Die Weiterverarbeitung des schmiedbaren Eisens.
auch der rohe Cementstahl den Fehler einer ungleichartigen Beschaffen-
heit, eines abweichenden Kohlenstoffgehaltes an verschiedenen Stellen
des nämlichen Stabes, zu besitzen pflege, wurde schon bei der Be-
sprechung der Eigenthümlichkeiten desselben erwähnt.

Eine Verbesserung der Eigenschaften dieser Stahlsorten ist mög-
lich, wenn sie dem schon in allgemeinen Zügen geschilderten, für alles
Schweisseisen anwendbaren Verarbeitungsprocesse unterzogen werden,
d. h. wenn man sie auf dünne Querschnitte ausstreckt, die gestreckten
Stäbe zusammenschweisst, abermals ausstreckt und unter Umständen
dieses Verfahren nochmals wiederholt. Der Process wurde in der ersten
Hälfte des vorigen Jahrhunderts zuerst durch Crawley in England
eingeführt, und der auf diese Weise dargestellte Stahl blieb viele Jahr-
zehnte hindurch der vorzüglichste zur Darstellung von Werkzeugen u. s. w.,
bis man durch Erfindung der Tiegelgussstahldarstellung ein Mittel erhielt,
einen noch gleichmässigeren, dabei vollständig schlackenfreien und
ungeschweissten Stahl zu gewinnen. Der Umstand aber, dass der Tiegel-
gussstahl, wie aller Flussstahl, schwieriger verarbeitbar, insbesondere
schwieriger schweissbar ist, als jener Schweissstahl, erklärt es, dass er
trotz seiner Vorzüge bislang nicht im Stande war, denselben voll-
ständig zu verdrängen. Insbesondere wird noch in den österreichischen
Alpenländern die Darstellung dieses raffinirten Schweissstahles betrieben.
Man benutzt als Material für denselben den Rohstahl vom Frischfeuer-
betriebe und verwendet ihn zur Anfertigung von Sensen, Sicheln,
Messern, Federn, gröberen Werkzeugen u. s. w.

Das Packet, durch dessen Zusammenschweissen und Ausrecken der
Stahl hergestellt wird, heisst eine Garbe; das Verfahren der Veredlung
des Stahles in dieser Weise wird Gärben genannt, und der fertige
Stahl hat demnach den Namen Gärbstahl erhalten. 1)

Das Verfahren im Grossen und Ganzen ist ziemlich einfach, wenn
auch von der bei demselben angewendeten Umsicht und Sorgfalt sehr
wesentlich die Beschaffenheit des fertigen Stahles abhängt. Man streckt
zunächst den Rohstahl im Walzwerke oder unter dem Hammer zu
Stäben von 8--15 mm Stärke und wirft dieselben noch rothglühend
in Wasser, um sie nachher leichter zerschlagen zu können. Aus vier
bis acht Lagen dieser in entsprechend kürzere Stücke zerbrochenen
Stäbe bildet man eine Garbe, gewöhnlich im Gewichte von etwa 15 kg,
bringt dieselbe mit Hilfe einer Zange in das mit Holzkohlen geheizte
Schweissfeuer, um sie hier unter Beachtung aller der Vorsichtsmaass-
regeln, welche das Erhitzen und Schweissen des Stahles erheischt, auf
Schweisstemperatur zu erhitzen, schweisst sie unter einem Hammer
zusammen und streckt sie unter wiederholter Erhitzung zu den fer-
tigen Stäben aus.

Für Darstellung zweimal gegärbten Stahles biegt man die solcher-
art erhaltenen Stäbe in der Mitte zusammen, schweisst sie und streckt
sie abermal aus; seltener bildet man eine vollständig neue Garbe aus
den zerbrochenen Stäben von dem ersten Gärben.

1) In England pflegt man den Stahl Shear steel zu nennen, da er ursprünglich
vielfach zur Herstellung grosser, bei der Tuchanfertigung früher benutzter Scheeren
Verwendung fand.

Die Weiterverarbeitung des schmiedbaren Eisens.
auch der rohe Cementstahl den Fehler einer ungleichartigen Beschaffen-
heit, eines abweichenden Kohlenstoffgehaltes an verschiedenen Stellen
des nämlichen Stabes, zu besitzen pflege, wurde schon bei der Be-
sprechung der Eigenthümlichkeiten desselben erwähnt.

Eine Verbesserung der Eigenschaften dieser Stahlsorten ist mög-
lich, wenn sie dem schon in allgemeinen Zügen geschilderten, für alles
Schweisseisen anwendbaren Verarbeitungsprocesse unterzogen werden,
d. h. wenn man sie auf dünne Querschnitte ausstreckt, die gestreckten
Stäbe zusammenschweisst, abermals ausstreckt und unter Umständen
dieses Verfahren nochmals wiederholt. Der Process wurde in der ersten
Hälfte des vorigen Jahrhunderts zuerst durch Crawley in England
eingeführt, und der auf diese Weise dargestellte Stahl blieb viele Jahr-
zehnte hindurch der vorzüglichste zur Darstellung von Werkzeugen u. s. w.,
bis man durch Erfindung der Tiegelgussstahldarstellung ein Mittel erhielt,
einen noch gleichmässigeren, dabei vollständig schlackenfreien und
ungeschweissten Stahl zu gewinnen. Der Umstand aber, dass der Tiegel-
gussstahl, wie aller Flussstahl, schwieriger verarbeitbar, insbesondere
schwieriger schweissbar ist, als jener Schweissstahl, erklärt es, dass er
trotz seiner Vorzüge bislang nicht im Stande war, denselben voll-
ständig zu verdrängen. Insbesondere wird noch in den österreichischen
Alpenländern die Darstellung dieses raffinirten Schweissstahles betrieben.
Man benutzt als Material für denselben den Rohstahl vom Frischfeuer-
betriebe und verwendet ihn zur Anfertigung von Sensen, Sicheln,
Messern, Federn, gröberen Werkzeugen u. s. w.

Das Packet, durch dessen Zusammenschweissen und Ausrecken der
Stahl hergestellt wird, heisst eine Garbe; das Verfahren der Veredlung
des Stahles in dieser Weise wird Gärben genannt, und der fertige
Stahl hat demnach den Namen Gärbstahl erhalten. 1)

Das Verfahren im Grossen und Ganzen ist ziemlich einfach, wenn
auch von der bei demselben angewendeten Umsicht und Sorgfalt sehr
wesentlich die Beschaffenheit des fertigen Stahles abhängt. Man streckt
zunächst den Rohstahl im Walzwerke oder unter dem Hammer zu
Stäben von 8—15 mm Stärke und wirft dieselben noch rothglühend
in Wasser, um sie nachher leichter zerschlagen zu können. Aus vier
bis acht Lagen dieser in entsprechend kürzere Stücke zerbrochenen
Stäbe bildet man eine Garbe, gewöhnlich im Gewichte von etwa 15 kg,
bringt dieselbe mit Hilfe einer Zange in das mit Holzkohlen geheizte
Schweissfeuer, um sie hier unter Beachtung aller der Vorsichtsmaass-
regeln, welche das Erhitzen und Schweissen des Stahles erheischt, auf
Schweisstemperatur zu erhitzen, schweisst sie unter einem Hammer
zusammen und streckt sie unter wiederholter Erhitzung zu den fer-
tigen Stäben aus.

Für Darstellung zweimal gegärbten Stahles biegt man die solcher-
art erhaltenen Stäbe in der Mitte zusammen, schweisst sie und streckt
sie abermal aus; seltener bildet man eine vollständig neue Garbe aus
den zerbrochenen Stäben von dem ersten Gärben.

1) In England pflegt man den Stahl Shear steel zu nennen, da er ursprünglich
vielfach zur Herstellung grosser, bei der Tuchanfertigung früher benutzter Scheeren
Verwendung fand.
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[970/1058] Die Weiterverarbeitung des schmiedbaren Eisens. auch der rohe Cementstahl den Fehler einer ungleichartigen Beschaffen- heit, eines abweichenden Kohlenstoffgehaltes an verschiedenen Stellen des nämlichen Stabes, zu besitzen pflege, wurde schon bei der Be- sprechung der Eigenthümlichkeiten desselben erwähnt. Eine Verbesserung der Eigenschaften dieser Stahlsorten ist mög- lich, wenn sie dem schon in allgemeinen Zügen geschilderten, für alles Schweisseisen anwendbaren Verarbeitungsprocesse unterzogen werden, d. h. wenn man sie auf dünne Querschnitte ausstreckt, die gestreckten Stäbe zusammenschweisst, abermals ausstreckt und unter Umständen dieses Verfahren nochmals wiederholt. Der Process wurde in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts zuerst durch Crawley in England eingeführt, und der auf diese Weise dargestellte Stahl blieb viele Jahr- zehnte hindurch der vorzüglichste zur Darstellung von Werkzeugen u. s. w., bis man durch Erfindung der Tiegelgussstahldarstellung ein Mittel erhielt, einen noch gleichmässigeren, dabei vollständig schlackenfreien und ungeschweissten Stahl zu gewinnen. Der Umstand aber, dass der Tiegel- gussstahl, wie aller Flussstahl, schwieriger verarbeitbar, insbesondere schwieriger schweissbar ist, als jener Schweissstahl, erklärt es, dass er trotz seiner Vorzüge bislang nicht im Stande war, denselben voll- ständig zu verdrängen. Insbesondere wird noch in den österreichischen Alpenländern die Darstellung dieses raffinirten Schweissstahles betrieben. Man benutzt als Material für denselben den Rohstahl vom Frischfeuer- betriebe und verwendet ihn zur Anfertigung von Sensen, Sicheln, Messern, Federn, gröberen Werkzeugen u. s. w. Das Packet, durch dessen Zusammenschweissen und Ausrecken der Stahl hergestellt wird, heisst eine Garbe; das Verfahren der Veredlung des Stahles in dieser Weise wird Gärben genannt, und der fertige Stahl hat demnach den Namen Gärbstahl erhalten. 1) Das Verfahren im Grossen und Ganzen ist ziemlich einfach, wenn auch von der bei demselben angewendeten Umsicht und Sorgfalt sehr wesentlich die Beschaffenheit des fertigen Stahles abhängt. Man streckt zunächst den Rohstahl im Walzwerke oder unter dem Hammer zu Stäben von 8—15 mm Stärke und wirft dieselben noch rothglühend in Wasser, um sie nachher leichter zerschlagen zu können. Aus vier bis acht Lagen dieser in entsprechend kürzere Stücke zerbrochenen Stäbe bildet man eine Garbe, gewöhnlich im Gewichte von etwa 15 kg, bringt dieselbe mit Hilfe einer Zange in das mit Holzkohlen geheizte Schweissfeuer, um sie hier unter Beachtung aller der Vorsichtsmaass- regeln, welche das Erhitzen und Schweissen des Stahles erheischt, auf Schweisstemperatur zu erhitzen, schweisst sie unter einem Hammer zusammen und streckt sie unter wiederholter Erhitzung zu den fer- tigen Stäben aus. Für Darstellung zweimal gegärbten Stahles biegt man die solcher- art erhaltenen Stäbe in der Mitte zusammen, schweisst sie und streckt sie abermal aus; seltener bildet man eine vollständig neue Garbe aus den zerbrochenen Stäben von dem ersten Gärben. 1) In England pflegt man den Stahl Shear steel zu nennen, da er ursprünglich vielfach zur Herstellung grosser, bei der Tuchanfertigung früher benutzter Scheeren Verwendung fand.

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 970. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/1058>, abgerufen am 29.04.2024.