Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

Bild:
<< vorherige Seite

Schmelztemperatur und Flüssigkeitsgrad.
feuerfesten Materialien wurde von diesem Lehrsatze Anwendung ge-
macht zur Erläuterung für den Umstand, dass feuerfeste Thone von
scheinbar gleicher chemischer Zusammensetzung doch verschiedene
Schmelztemperaturen besitzen können, je nachdem ihre Kieselsäure
mechanisch beigemengt oder chemisch gebunden ist.

2. Die Schmelztemperatur der Schlacken liegt durch-
schnittlich um so tiefer, je grösser die Zahl der in ihnen
vertretenen Körper ist
. Auch dieses Lehrsatzes wurde bei Be-
sprechung der feuerfesten Materialien bereits erwähnt.

Es folgt hieraus, dass ein Kalkerdesilikat im Allgemeinen leichter
schmelzbar wird, wenn Magnesia, Thonerde u. s. w. hinzutreten. Be-
sonders kräftig in dieser Beziehung wirken Alkalien, Eisenoxydul,
Manganoxydul, Calciumfluorid (Flussspath); d. h. verhältnissmässig
kleine Mengen dieser Körper vermögen die Schmelztemperatur einer
aus anderen Bestandtheilen zusammengesetzten Schlacke erheblich zu
erniedrigen.

Naturgemäss muss, sobald die Menge der neu hinzutretenden Körper
sich über ein gewisses Maass hinaus steigert, bei welchem das Minimum
der Schmelztemperatur liegt, ein fernerer Zusatz entweder wirkungslos
bleiben oder den entgegengesetzten Erfolg -- eine Steigerung der
Schmelztemperatur -- hervorrufen. Bei den zahllosen zu ermöglichen-
den Zusammenstellungen der hier in Betracht kommenden Körper --
in qualitativer und quantitativer Beziehung -- ist unsere Kenntniss, wo
in einem bestimmten Falle jene Grenze liegt, sehr dürftig.

Beobachtungen in der Praxis lehren, dass die erwähnte Grenze
ziemlich rasch erreicht wird, wenn der zu einer Schlacke, insbesondere
zu einem Silikate, hinzutretende Körper aus Thonerde besteht; ebenfalls
ziemlich rasch, wenn Magnesia hinzutritt. Kleinere Mengen von Thon-
erde, Magnesia u. s. w. erniedrigen also die Schmelztemperatur eines
Kalkerde- oder andern Silikats; grössere Mengen dieser Körper steigern
dieselbe.

Ein thonerdehaltiges Kalkerdesilikat soll nach Bodemann's An-
gabe 1) am leichtesten schmelzen, wenn es aus 56 Thln. Kieselsäure,
30 Thln. Kalkerde, 14 Thln. Thonerde, also aus einem Bisilikate besteht,
dessen Zusammensetzung annähernd der Formel 4 Ca Si O3 + Al2 Si3 O9
entsprechen würde. Berthier fand, dass alle kalk- plus thonerde-
haltigen Silikate die niedrigste Schmelztemperatur besitzen, wenn die
Menge der anwesenden Thonerde ungefähr ein Drittel von der Menge
der Kalkerde beträgt 2); dass mit der Zunahme des Kalkerdegehaltes
die Schmelztemperatur nur sehr allmählich, mit der Zunahme des Thon-
erdegehaltes ziemlich rasch steigt, derartig, dass Silikate mit dem Ver-
hältnisse der Thonerde zur Kalkerde wie 2 : 3 (1 Aequ. Thonerde : 3 Aequ.
Kalkerde) noch schmelzbar, mit dem Verhältnisse 4 Gewichtstheile Thon-
erde auf 3 Gewichtstheile Kalkerde (2 Aequ. Thonerde : 3 Aequ. Kalk-
erde) fast unschmelzbar seien.

1) Bodemann, Probirkunst, 2. Aufl., Clausthal 1857, S. 251.
2) Nach Berthier: 1 Aequivalent Thonerde auf 6 Aequivalente Kalkerde; also
336 Gewichtstheile Thonerde auf 103 Gewichtstheile Kalkerde.

Schmelztemperatur und Flüssigkeitsgrad.
feuerfesten Materialien wurde von diesem Lehrsatze Anwendung ge-
macht zur Erläuterung für den Umstand, dass feuerfeste Thone von
scheinbar gleicher chemischer Zusammensetzung doch verschiedene
Schmelztemperaturen besitzen können, je nachdem ihre Kieselsäure
mechanisch beigemengt oder chemisch gebunden ist.

2. Die Schmelztemperatur der Schlacken liegt durch-
schnittlich um so tiefer, je grösser die Zahl der in ihnen
vertretenen Körper ist
. Auch dieses Lehrsatzes wurde bei Be-
sprechung der feuerfesten Materialien bereits erwähnt.

Es folgt hieraus, dass ein Kalkerdesilikat im Allgemeinen leichter
schmelzbar wird, wenn Magnesia, Thonerde u. s. w. hinzutreten. Be-
sonders kräftig in dieser Beziehung wirken Alkalien, Eisenoxydul,
Manganoxydul, Calciumfluorid (Flussspath); d. h. verhältnissmässig
kleine Mengen dieser Körper vermögen die Schmelztemperatur einer
aus anderen Bestandtheilen zusammengesetzten Schlacke erheblich zu
erniedrigen.

Naturgemäss muss, sobald die Menge der neu hinzutretenden Körper
sich über ein gewisses Maass hinaus steigert, bei welchem das Minimum
der Schmelztemperatur liegt, ein fernerer Zusatz entweder wirkungslos
bleiben oder den entgegengesetzten Erfolg — eine Steigerung der
Schmelztemperatur — hervorrufen. Bei den zahllosen zu ermöglichen-
den Zusammenstellungen der hier in Betracht kommenden Körper —
in qualitativer und quantitativer Beziehung — ist unsere Kenntniss, wo
in einem bestimmten Falle jene Grenze liegt, sehr dürftig.

Beobachtungen in der Praxis lehren, dass die erwähnte Grenze
ziemlich rasch erreicht wird, wenn der zu einer Schlacke, insbesondere
zu einem Silikate, hinzutretende Körper aus Thonerde besteht; ebenfalls
ziemlich rasch, wenn Magnesia hinzutritt. Kleinere Mengen von Thon-
erde, Magnesia u. s. w. erniedrigen also die Schmelztemperatur eines
Kalkerde- oder andern Silikats; grössere Mengen dieser Körper steigern
dieselbe.

Ein thonerdehaltiges Kalkerdesilikat soll nach Bodemann’s An-
gabe 1) am leichtesten schmelzen, wenn es aus 56 Thln. Kieselsäure,
30 Thln. Kalkerde, 14 Thln. Thonerde, also aus einem Bisilikate besteht,
dessen Zusammensetzung annähernd der Formel 4 Ca Si O3 + Al2 Si3 O9
entsprechen würde. Berthier fand, dass alle kalk- plus thonerde-
haltigen Silikate die niedrigste Schmelztemperatur besitzen, wenn die
Menge der anwesenden Thonerde ungefähr ein Drittel von der Menge
der Kalkerde beträgt 2); dass mit der Zunahme des Kalkerdegehaltes
die Schmelztemperatur nur sehr allmählich, mit der Zunahme des Thon-
erdegehaltes ziemlich rasch steigt, derartig, dass Silikate mit dem Ver-
hältnisse der Thonerde zur Kalkerde wie 2 : 3 (1 Aequ. Thonerde : 3 Aequ.
Kalkerde) noch schmelzbar, mit dem Verhältnisse 4 Gewichtstheile Thon-
erde auf 3 Gewichtstheile Kalkerde (2 Aequ. Thonerde : 3 Aequ. Kalk-
erde) fast unschmelzbar seien.

1) Bodemann, Probirkunst, 2. Aufl., Clausthal 1857, S. 251.
2) Nach Berthier: 1 Aequivalent Thonerde auf 6 Aequivalente Kalkerde; also
336 Gewichtstheile Thonerde auf 103 Gewichtstheile Kalkerde.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0191" n="151"/><fw place="top" type="header">Schmelztemperatur und Flüssigkeitsgrad.</fw><lb/>
feuerfesten Materialien wurde von diesem Lehrsatze Anwendung ge-<lb/>
macht zur Erläuterung für den Umstand, dass feuerfeste Thone von<lb/>
scheinbar gleicher chemischer Zusammensetzung doch verschiedene<lb/>
Schmelztemperaturen besitzen können, je nachdem ihre Kieselsäure<lb/>
mechanisch beigemengt oder chemisch gebunden ist.</p><lb/>
            <p>2. <hi rendition="#g">Die Schmelztemperatur der Schlacken liegt durch-<lb/>
schnittlich um so tiefer, je grösser die Zahl der in ihnen<lb/>
vertretenen Körper ist</hi>. Auch dieses Lehrsatzes wurde bei Be-<lb/>
sprechung der feuerfesten Materialien bereits erwähnt.</p><lb/>
            <p>Es folgt hieraus, dass ein Kalkerdesilikat im Allgemeinen leichter<lb/>
schmelzbar wird, wenn Magnesia, Thonerde u. s. w. hinzutreten. Be-<lb/>
sonders kräftig in dieser Beziehung wirken Alkalien, Eisenoxydul,<lb/>
Manganoxydul, Calciumfluorid (Flussspath); d. h. verhältnissmässig<lb/>
kleine Mengen dieser Körper vermögen die Schmelztemperatur einer<lb/>
aus anderen Bestandtheilen zusammengesetzten Schlacke erheblich zu<lb/>
erniedrigen.</p><lb/>
            <p>Naturgemäss muss, sobald die Menge der neu hinzutretenden Körper<lb/>
sich über ein gewisses Maass hinaus steigert, bei welchem das Minimum<lb/>
der Schmelztemperatur liegt, ein fernerer Zusatz entweder wirkungslos<lb/>
bleiben oder den entgegengesetzten Erfolg &#x2014; eine Steigerung der<lb/>
Schmelztemperatur &#x2014; hervorrufen. Bei den zahllosen zu ermöglichen-<lb/>
den Zusammenstellungen der hier in Betracht kommenden Körper &#x2014;<lb/>
in qualitativer und quantitativer Beziehung &#x2014; ist unsere Kenntniss, wo<lb/>
in einem bestimmten Falle jene Grenze liegt, sehr dürftig.</p><lb/>
            <p>Beobachtungen in der Praxis lehren, dass die erwähnte Grenze<lb/>
ziemlich rasch erreicht wird, wenn der zu einer Schlacke, insbesondere<lb/>
zu einem Silikate, hinzutretende Körper aus Thonerde besteht; ebenfalls<lb/>
ziemlich rasch, wenn Magnesia hinzutritt. Kleinere Mengen von Thon-<lb/>
erde, Magnesia u. s. w. erniedrigen also die Schmelztemperatur eines<lb/>
Kalkerde- oder andern Silikats; grössere Mengen dieser Körper steigern<lb/>
dieselbe.</p><lb/>
            <p>Ein thonerdehaltiges Kalkerdesilikat soll nach <hi rendition="#g">Bodemann&#x2019;s</hi> An-<lb/>
gabe <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#g">Bodemann</hi>, Probirkunst, 2. Aufl., Clausthal 1857, S. 251.</note> am leichtesten schmelzen, wenn es aus 56 Thln. Kieselsäure,<lb/>
30 Thln. Kalkerde, 14 Thln. Thonerde, also aus einem Bisilikate besteht,<lb/>
dessen Zusammensetzung annähernd der Formel 4 Ca Si O<hi rendition="#sub">3</hi> + Al<hi rendition="#sub">2</hi> Si<hi rendition="#sub">3</hi> O<hi rendition="#sub">9</hi><lb/>
entsprechen würde. <hi rendition="#g">Berthier</hi> fand, dass alle kalk- plus thonerde-<lb/>
haltigen Silikate die niedrigste Schmelztemperatur besitzen, wenn die<lb/>
Menge der anwesenden Thonerde ungefähr ein Drittel von der Menge<lb/>
der Kalkerde beträgt <note place="foot" n="2)">Nach <hi rendition="#g">Berthier</hi>: 1 Aequivalent Thonerde auf 6 Aequivalente Kalkerde; also<lb/>
336 Gewichtstheile Thonerde auf 103 Gewichtstheile Kalkerde.</note>; dass mit der Zunahme des Kalkerdegehaltes<lb/>
die Schmelztemperatur nur sehr allmählich, mit der Zunahme des Thon-<lb/>
erdegehaltes ziemlich rasch steigt, derartig, dass Silikate mit dem Ver-<lb/>
hältnisse der Thonerde zur Kalkerde wie 2 : 3 (1 Aequ. Thonerde : 3 Aequ.<lb/>
Kalkerde) noch schmelzbar, mit dem Verhältnisse 4 Gewichtstheile Thon-<lb/>
erde auf 3 Gewichtstheile Kalkerde (2 Aequ. Thonerde : 3 Aequ. Kalk-<lb/>
erde) fast unschmelzbar seien.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[151/0191] Schmelztemperatur und Flüssigkeitsgrad. feuerfesten Materialien wurde von diesem Lehrsatze Anwendung ge- macht zur Erläuterung für den Umstand, dass feuerfeste Thone von scheinbar gleicher chemischer Zusammensetzung doch verschiedene Schmelztemperaturen besitzen können, je nachdem ihre Kieselsäure mechanisch beigemengt oder chemisch gebunden ist. 2. Die Schmelztemperatur der Schlacken liegt durch- schnittlich um so tiefer, je grösser die Zahl der in ihnen vertretenen Körper ist. Auch dieses Lehrsatzes wurde bei Be- sprechung der feuerfesten Materialien bereits erwähnt. Es folgt hieraus, dass ein Kalkerdesilikat im Allgemeinen leichter schmelzbar wird, wenn Magnesia, Thonerde u. s. w. hinzutreten. Be- sonders kräftig in dieser Beziehung wirken Alkalien, Eisenoxydul, Manganoxydul, Calciumfluorid (Flussspath); d. h. verhältnissmässig kleine Mengen dieser Körper vermögen die Schmelztemperatur einer aus anderen Bestandtheilen zusammengesetzten Schlacke erheblich zu erniedrigen. Naturgemäss muss, sobald die Menge der neu hinzutretenden Körper sich über ein gewisses Maass hinaus steigert, bei welchem das Minimum der Schmelztemperatur liegt, ein fernerer Zusatz entweder wirkungslos bleiben oder den entgegengesetzten Erfolg — eine Steigerung der Schmelztemperatur — hervorrufen. Bei den zahllosen zu ermöglichen- den Zusammenstellungen der hier in Betracht kommenden Körper — in qualitativer und quantitativer Beziehung — ist unsere Kenntniss, wo in einem bestimmten Falle jene Grenze liegt, sehr dürftig. Beobachtungen in der Praxis lehren, dass die erwähnte Grenze ziemlich rasch erreicht wird, wenn der zu einer Schlacke, insbesondere zu einem Silikate, hinzutretende Körper aus Thonerde besteht; ebenfalls ziemlich rasch, wenn Magnesia hinzutritt. Kleinere Mengen von Thon- erde, Magnesia u. s. w. erniedrigen also die Schmelztemperatur eines Kalkerde- oder andern Silikats; grössere Mengen dieser Körper steigern dieselbe. Ein thonerdehaltiges Kalkerdesilikat soll nach Bodemann’s An- gabe 1) am leichtesten schmelzen, wenn es aus 56 Thln. Kieselsäure, 30 Thln. Kalkerde, 14 Thln. Thonerde, also aus einem Bisilikate besteht, dessen Zusammensetzung annähernd der Formel 4 Ca Si O3 + Al2 Si3 O9 entsprechen würde. Berthier fand, dass alle kalk- plus thonerde- haltigen Silikate die niedrigste Schmelztemperatur besitzen, wenn die Menge der anwesenden Thonerde ungefähr ein Drittel von der Menge der Kalkerde beträgt 2); dass mit der Zunahme des Kalkerdegehaltes die Schmelztemperatur nur sehr allmählich, mit der Zunahme des Thon- erdegehaltes ziemlich rasch steigt, derartig, dass Silikate mit dem Ver- hältnisse der Thonerde zur Kalkerde wie 2 : 3 (1 Aequ. Thonerde : 3 Aequ. Kalkerde) noch schmelzbar, mit dem Verhältnisse 4 Gewichtstheile Thon- erde auf 3 Gewichtstheile Kalkerde (2 Aequ. Thonerde : 3 Aequ. Kalk- erde) fast unschmelzbar seien. 1) Bodemann, Probirkunst, 2. Aufl., Clausthal 1857, S. 251. 2) Nach Berthier: 1 Aequivalent Thonerde auf 6 Aequivalente Kalkerde; also 336 Gewichtstheile Thonerde auf 103 Gewichtstheile Kalkerde.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/191
Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/191>, abgerufen am 07.05.2024.