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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Die Erze nebst Zuschlägen und ihre Vorbereitung für die Verhüttung.

Der Zweck des Röstens kann ein verschiedener sein.

In einzelnen Fällen, wenn auch verhältnissmässig selten, beab-
sichtigt man eine Auflockerung harter und dichter Erze durch
die Temperaturveränderungen, also durch rein physikalische Einflüsse
herbeizuführen. Es entstehen Risse und Spalten in den Erzstücken,
das Erz wird mürbe, lässt sich weit leichter zerkleinern und ist den
Einflüssen reducirender Gase leichter zugänglich. Der beabsichtigte
Erfolg des Röstens wird in diesem Falle erleichtert, wenn man das noch
heisse Erz mit kaltem Wasser ablöscht.

Häufiger beabsichtigt man, durch die Röstung eine Zersetzung
gewisser chemischer Verbindungen, sei es der Erze selbst
oder der fremden Beimengungen derselben, unter Ver-
flüchtigung nachtheiliger Bestandtheile
zu bewirken.

Unter den Erzen selbst treten uns als solche zersetzbare Ver-
bindungen zunächst die Hydrate (Brauneisenerze) und Carbonate (Spath-
eisensteine) entgegen. Brauneisenerze werden unter Abgabe ihres
Wassergehaltes in Eisenoxyde, wirkliche Rotheisenerze, umgewandelt;
Spatheisensteine und Sphärosiderite entlassen bei der Zersetzung ein
Gemisch von Kohlensäure und Kohlenoxyd und hinterbleiben als Eisen-
sauerstoffverbindungen, deren Sauerstoffgehalt in jedem Falle höher ist
als der des Eisenoxyduls Fe O, jedoch nach der Höhe der angewendeten
Temperatur und den sonstigen bei der Zersetzung thätigen Einflüssen
Abweichungen zeigt, so dass ihre Zusammensetzung zwischen Fe6 O7
und Fe2 O3 schwanken kann.1)

Auch kohlensäurehaltige Zuschläge -- Kalksteine und Dolomite --
werden durch Röstung zersetzt und es hinterbleiben die einfachen Oxyde.

Die Erfahrung hat jedoch im Laufe der Jahre gelehrt, dass jene
Austreibung von Wasser und Kohlensäure aus den Erzen und Zu-
schlägen durch vorausgehende Röstung nicht immer diejenigen Vortheile
bei der nachfolgenden Verhüttung gewährt, als man früher, noch in der
Mitte dieses Jahrhunderts, allgemein annahm. Die Ursachen dafür
werden bei der Besprechung der Processe selbst, insbesondere des Hoch-
ofenprocesses, verständlich werden. Insbesondere hat sich die Zersetzung
der Hydrate vor der Verhüttung als vollständig erfolglos erwiesen.
Deshalb sieht man jetzt ziemlich allgemein von der Röstung der Braun-
eisenerze ab, sofern nicht andere Gründe dafür vorliegen.

Ebenso ist die Röstung von Kalksteinen und Dolomiten, welche
als Zuschläge für die Verhüttung von Erzen im Hochofen bestimmt
sind, nicht im Stande, einen wirklichen Nutzen hervorzurufen. Nur
bei einem in neuester Zeit eingeführten Processe, bei welchem zur
Bildung basischer Schlacken Kalk zu geschmolzenem Eisen gesetzt werden
muss -- dem basischen Bessemerprocesse oder Thomasprocesse -- ist
eine vorausgehende Röstung des Kalksteins erforderlich, damit nicht
durch die starke Wärmebindung beim Zerlegen der Carbonate eine Ab-
kühlung des geschmolzenen Eisens herbeigeführt werde.

Spatheisenerze und Sphärosiderite werden, wenn auch nicht sämmt-
lich, so doch zum grossen Theile vor der Verhüttung geröstet. Die zur

1) Das Oxyd Fe2 O3 entsteht allerdings nur, wenn zugleich freier Sauerstoff
Zutritt hat.
Die Erze nebst Zuschlägen und ihre Vorbereitung für die Verhüttung.

Der Zweck des Röstens kann ein verschiedener sein.

In einzelnen Fällen, wenn auch verhältnissmässig selten, beab-
sichtigt man eine Auflockerung harter und dichter Erze durch
die Temperaturveränderungen, also durch rein physikalische Einflüsse
herbeizuführen. Es entstehen Risse und Spalten in den Erzstücken,
das Erz wird mürbe, lässt sich weit leichter zerkleinern und ist den
Einflüssen reducirender Gase leichter zugänglich. Der beabsichtigte
Erfolg des Röstens wird in diesem Falle erleichtert, wenn man das noch
heisse Erz mit kaltem Wasser ablöscht.

Häufiger beabsichtigt man, durch die Röstung eine Zersetzung
gewisser chemischer Verbindungen, sei es der Erze selbst
oder der fremden Beimengungen derselben, unter Ver-
flüchtigung nachtheiliger Bestandtheile
zu bewirken.

Unter den Erzen selbst treten uns als solche zersetzbare Ver-
bindungen zunächst die Hydrate (Brauneisenerze) und Carbonate (Spath-
eisensteine) entgegen. Brauneisenerze werden unter Abgabe ihres
Wassergehaltes in Eisenoxyde, wirkliche Rotheisenerze, umgewandelt;
Spatheisensteine und Sphärosiderite entlassen bei der Zersetzung ein
Gemisch von Kohlensäure und Kohlenoxyd und hinterbleiben als Eisen-
sauerstoffverbindungen, deren Sauerstoffgehalt in jedem Falle höher ist
als der des Eisenoxyduls Fe O, jedoch nach der Höhe der angewendeten
Temperatur und den sonstigen bei der Zersetzung thätigen Einflüssen
Abweichungen zeigt, so dass ihre Zusammensetzung zwischen Fe6 O7
und Fe2 O3 schwanken kann.1)

Auch kohlensäurehaltige Zuschläge — Kalksteine und Dolomite —
werden durch Röstung zersetzt und es hinterbleiben die einfachen Oxyde.

Die Erfahrung hat jedoch im Laufe der Jahre gelehrt, dass jene
Austreibung von Wasser und Kohlensäure aus den Erzen und Zu-
schlägen durch vorausgehende Röstung nicht immer diejenigen Vortheile
bei der nachfolgenden Verhüttung gewährt, als man früher, noch in der
Mitte dieses Jahrhunderts, allgemein annahm. Die Ursachen dafür
werden bei der Besprechung der Processe selbst, insbesondere des Hoch-
ofenprocesses, verständlich werden. Insbesondere hat sich die Zersetzung
der Hydrate vor der Verhüttung als vollständig erfolglos erwiesen.
Deshalb sieht man jetzt ziemlich allgemein von der Röstung der Braun-
eisenerze ab, sofern nicht andere Gründe dafür vorliegen.

Ebenso ist die Röstung von Kalksteinen und Dolomiten, welche
als Zuschläge für die Verhüttung von Erzen im Hochofen bestimmt
sind, nicht im Stande, einen wirklichen Nutzen hervorzurufen. Nur
bei einem in neuester Zeit eingeführten Processe, bei welchem zur
Bildung basischer Schlacken Kalk zu geschmolzenem Eisen gesetzt werden
muss — dem basischen Bessemerprocesse oder Thomasprocesse — ist
eine vorausgehende Röstung des Kalksteins erforderlich, damit nicht
durch die starke Wärmebindung beim Zerlegen der Carbonate eine Ab-
kühlung des geschmolzenen Eisens herbeigeführt werde.

Spatheisenerze und Sphärosiderite werden, wenn auch nicht sämmt-
lich, so doch zum grossen Theile vor der Verhüttung geröstet. Die zur

1) Das Oxyd Fe2 O3 entsteht allerdings nur, wenn zugleich freier Sauerstoff
Zutritt hat.
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[186/0226] Die Erze nebst Zuschlägen und ihre Vorbereitung für die Verhüttung. Der Zweck des Röstens kann ein verschiedener sein. In einzelnen Fällen, wenn auch verhältnissmässig selten, beab- sichtigt man eine Auflockerung harter und dichter Erze durch die Temperaturveränderungen, also durch rein physikalische Einflüsse herbeizuführen. Es entstehen Risse und Spalten in den Erzstücken, das Erz wird mürbe, lässt sich weit leichter zerkleinern und ist den Einflüssen reducirender Gase leichter zugänglich. Der beabsichtigte Erfolg des Röstens wird in diesem Falle erleichtert, wenn man das noch heisse Erz mit kaltem Wasser ablöscht. Häufiger beabsichtigt man, durch die Röstung eine Zersetzung gewisser chemischer Verbindungen, sei es der Erze selbst oder der fremden Beimengungen derselben, unter Ver- flüchtigung nachtheiliger Bestandtheile zu bewirken. Unter den Erzen selbst treten uns als solche zersetzbare Ver- bindungen zunächst die Hydrate (Brauneisenerze) und Carbonate (Spath- eisensteine) entgegen. Brauneisenerze werden unter Abgabe ihres Wassergehaltes in Eisenoxyde, wirkliche Rotheisenerze, umgewandelt; Spatheisensteine und Sphärosiderite entlassen bei der Zersetzung ein Gemisch von Kohlensäure und Kohlenoxyd und hinterbleiben als Eisen- sauerstoffverbindungen, deren Sauerstoffgehalt in jedem Falle höher ist als der des Eisenoxyduls Fe O, jedoch nach der Höhe der angewendeten Temperatur und den sonstigen bei der Zersetzung thätigen Einflüssen Abweichungen zeigt, so dass ihre Zusammensetzung zwischen Fe6 O7 und Fe2 O3 schwanken kann. 1) Auch kohlensäurehaltige Zuschläge — Kalksteine und Dolomite — werden durch Röstung zersetzt und es hinterbleiben die einfachen Oxyde. Die Erfahrung hat jedoch im Laufe der Jahre gelehrt, dass jene Austreibung von Wasser und Kohlensäure aus den Erzen und Zu- schlägen durch vorausgehende Röstung nicht immer diejenigen Vortheile bei der nachfolgenden Verhüttung gewährt, als man früher, noch in der Mitte dieses Jahrhunderts, allgemein annahm. Die Ursachen dafür werden bei der Besprechung der Processe selbst, insbesondere des Hoch- ofenprocesses, verständlich werden. Insbesondere hat sich die Zersetzung der Hydrate vor der Verhüttung als vollständig erfolglos erwiesen. Deshalb sieht man jetzt ziemlich allgemein von der Röstung der Braun- eisenerze ab, sofern nicht andere Gründe dafür vorliegen. Ebenso ist die Röstung von Kalksteinen und Dolomiten, welche als Zuschläge für die Verhüttung von Erzen im Hochofen bestimmt sind, nicht im Stande, einen wirklichen Nutzen hervorzurufen. Nur bei einem in neuester Zeit eingeführten Processe, bei welchem zur Bildung basischer Schlacken Kalk zu geschmolzenem Eisen gesetzt werden muss — dem basischen Bessemerprocesse oder Thomasprocesse — ist eine vorausgehende Röstung des Kalksteins erforderlich, damit nicht durch die starke Wärmebindung beim Zerlegen der Carbonate eine Ab- kühlung des geschmolzenen Eisens herbeigeführt werde. Spatheisenerze und Sphärosiderite werden, wenn auch nicht sämmt- lich, so doch zum grossen Theile vor der Verhüttung geröstet. Die zur 1) Das Oxyd Fe2 O3 entsteht allerdings nur, wenn zugleich freier Sauerstoff Zutritt hat.

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/226>, abgerufen am 28.04.2024.