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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Allgemeines.
seits eine gewisse Regelmässigkeit in der Richtung jener durch Legirung
im Allgemeinen ausgeübten Einflüsse nicht zu verkennen. Es zeigt sich
ziemlich übereinstimmend Folgendes.

Die Festigkeit des legirten Metalles ist gewöhnlich grösser als
die des einfachen, sofern eine gewisse Grenze in dem Gehalte des
zweiten Körpers nicht überschritten wird; sobald aber diese Grenze
erreicht ist, tritt rasche Abnahme der Festigkeit ein. Bei der Legirung
mit Metalloiden pflegt die Grenze früher als bei der Legirung mit
Metallen erreicht zu werden.

Die Härte des legirten Metalles ist regelmässig grösser als die
des einfachen.

Umgekehrt wie die Härte verhalten sich die Dehnbarkeit,
Schmiedbarkeit
und Zähigkeit 1) der Metalle; aber das Maass des
Einflusses, welchen verschiedene Körper in dieser Richtung ausüben,
ist sehr abweichend.

Die Schmelztemperatur legirter Metalle liegt in Wirklichkeit
gewöhnlich niedriger als die aus den Schmelztemperaturen der Bestand-
theile der Legirung berechnete Durchschnittstemperatur; häufig sogar
niedriger als die Schmelztemperatur jedes einzelnen Bestandtheiles.

Die Leitungsfähigkeit für Wärme und Elektricität wird
durch Legirung häufig geschwächt; d. h. sie ist geringer, als sich durch
Rechnung aus dem Maasse dieser Eigenschaften bei den legirten ein-
fachen Körpern ergeben würde.


Eine eigenthümliche Eigenschaft vieler Legirungen ist die Saige-
rung
. Man versteht unter dieser Bezeichnung ein Zerfallen einer
flüssigen Legirung beim allmählichen Erstarren in mehrere Legirungen
von abweichender Schmelztemperatur, beziehentlich in Legirungen und
ausgeschiedene einfache Körper, so dass der eine Bestandtheil vor dem
andern fest wird und sich von diesem sondert. Der gleiche Vorgang,
d. h. eine Trennung verschieden zusammengesetzter Körper mit ver-
schiedenen Schmelztemperaturen lässt sich auch, obschon nicht so häufig,
bei dem allmählichen Uebergange der Legirungen aus dem festen in
den flüssigen Zustand beobachten. Je langsamer in beiden Fällen der
Uebergang aus dem einen in den andern Aggregatzustand stattfand,
desto stärker pflegt die Saigerung zu sein. Auch die verschiedenen
im technisch dargestellten Eisen auftretenden Legirungen zeigen nicht
selten diesen Vorgang, und in gewissen Fällen spielt derselbe sogar
eine hochwichtige Rolle.

1) Dehnbarkeit kann als die Eigenschaft der Körper, im ungeschmolzenen
Zustande unter Einwirkung äusserer Kräfte bleibende Formveränderungen zu ertragen,
bezeichnet werden; als Schmiedbarkeit pflegt man die Dehnbarkeit der Körper
im erhitzten Zustande zu bezeichnen, insbesondere, wenn die Formveränderung durch
Schlagwirkung hervorgerufen wird; Zähigkeit ist das Maass des Widerstandes,
welchen ein Körper der Trennung seiner Theilchen entgegensetzt, nachdem unter Ein-
wirkung äusserer Kräfte die Elasticitätsgrenze überschritten ist. Sie bildet gewisser-
maassen die Grundlage der Dehnbarkeit. Ihr Gegensatz ist die Sprödigkeit.

Allgemeines.
seits eine gewisse Regelmässigkeit in der Richtung jener durch Legirung
im Allgemeinen ausgeübten Einflüsse nicht zu verkennen. Es zeigt sich
ziemlich übereinstimmend Folgendes.

Die Festigkeit des legirten Metalles ist gewöhnlich grösser als
die des einfachen, sofern eine gewisse Grenze in dem Gehalte des
zweiten Körpers nicht überschritten wird; sobald aber diese Grenze
erreicht ist, tritt rasche Abnahme der Festigkeit ein. Bei der Legirung
mit Metalloiden pflegt die Grenze früher als bei der Legirung mit
Metallen erreicht zu werden.

Die Härte des legirten Metalles ist regelmässig grösser als die
des einfachen.

Umgekehrt wie die Härte verhalten sich die Dehnbarkeit,
Schmiedbarkeit
und Zähigkeit 1) der Metalle; aber das Maass des
Einflusses, welchen verschiedene Körper in dieser Richtung ausüben,
ist sehr abweichend.

Die Schmelztemperatur legirter Metalle liegt in Wirklichkeit
gewöhnlich niedriger als die aus den Schmelztemperaturen der Bestand-
theile der Legirung berechnete Durchschnittstemperatur; häufig sogar
niedriger als die Schmelztemperatur jedes einzelnen Bestandtheiles.

Die Leitungsfähigkeit für Wärme und Elektricität wird
durch Legirung häufig geschwächt; d. h. sie ist geringer, als sich durch
Rechnung aus dem Maasse dieser Eigenschaften bei den legirten ein-
fachen Körpern ergeben würde.


Eine eigenthümliche Eigenschaft vieler Legirungen ist die Saige-
rung
. Man versteht unter dieser Bezeichnung ein Zerfallen einer
flüssigen Legirung beim allmählichen Erstarren in mehrere Legirungen
von abweichender Schmelztemperatur, beziehentlich in Legirungen und
ausgeschiedene einfache Körper, so dass der eine Bestandtheil vor dem
andern fest wird und sich von diesem sondert. Der gleiche Vorgang,
d. h. eine Trennung verschieden zusammengesetzter Körper mit ver-
schiedenen Schmelztemperaturen lässt sich auch, obschon nicht so häufig,
bei dem allmählichen Uebergange der Legirungen aus dem festen in
den flüssigen Zustand beobachten. Je langsamer in beiden Fällen der
Uebergang aus dem einen in den andern Aggregatzustand stattfand,
desto stärker pflegt die Saigerung zu sein. Auch die verschiedenen
im technisch dargestellten Eisen auftretenden Legirungen zeigen nicht
selten diesen Vorgang, und in gewissen Fällen spielt derselbe sogar
eine hochwichtige Rolle.

1) Dehnbarkeit kann als die Eigenschaft der Körper, im ungeschmolzenen
Zustande unter Einwirkung äusserer Kräfte bleibende Formveränderungen zu ertragen,
bezeichnet werden; als Schmiedbarkeit pflegt man die Dehnbarkeit der Körper
im erhitzten Zustande zu bezeichnen, insbesondere, wenn die Formveränderung durch
Schlagwirkung hervorgerufen wird; Zähigkeit ist das Maass des Widerstandes,
welchen ein Körper der Trennung seiner Theilchen entgegensetzt, nachdem unter Ein-
wirkung äusserer Kräfte die Elasticitätsgrenze überschritten ist. Sie bildet gewisser-
maassen die Grundlage der Dehnbarkeit. Ihr Gegensatz ist die Sprödigkeit.
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[219/0265] Allgemeines. seits eine gewisse Regelmässigkeit in der Richtung jener durch Legirung im Allgemeinen ausgeübten Einflüsse nicht zu verkennen. Es zeigt sich ziemlich übereinstimmend Folgendes. Die Festigkeit des legirten Metalles ist gewöhnlich grösser als die des einfachen, sofern eine gewisse Grenze in dem Gehalte des zweiten Körpers nicht überschritten wird; sobald aber diese Grenze erreicht ist, tritt rasche Abnahme der Festigkeit ein. Bei der Legirung mit Metalloiden pflegt die Grenze früher als bei der Legirung mit Metallen erreicht zu werden. Die Härte des legirten Metalles ist regelmässig grösser als die des einfachen. Umgekehrt wie die Härte verhalten sich die Dehnbarkeit, Schmiedbarkeit und Zähigkeit 1) der Metalle; aber das Maass des Einflusses, welchen verschiedene Körper in dieser Richtung ausüben, ist sehr abweichend. Die Schmelztemperatur legirter Metalle liegt in Wirklichkeit gewöhnlich niedriger als die aus den Schmelztemperaturen der Bestand- theile der Legirung berechnete Durchschnittstemperatur; häufig sogar niedriger als die Schmelztemperatur jedes einzelnen Bestandtheiles. Die Leitungsfähigkeit für Wärme und Elektricität wird durch Legirung häufig geschwächt; d. h. sie ist geringer, als sich durch Rechnung aus dem Maasse dieser Eigenschaften bei den legirten ein- fachen Körpern ergeben würde. Eine eigenthümliche Eigenschaft vieler Legirungen ist die Saige- rung. Man versteht unter dieser Bezeichnung ein Zerfallen einer flüssigen Legirung beim allmählichen Erstarren in mehrere Legirungen von abweichender Schmelztemperatur, beziehentlich in Legirungen und ausgeschiedene einfache Körper, so dass der eine Bestandtheil vor dem andern fest wird und sich von diesem sondert. Der gleiche Vorgang, d. h. eine Trennung verschieden zusammengesetzter Körper mit ver- schiedenen Schmelztemperaturen lässt sich auch, obschon nicht so häufig, bei dem allmählichen Uebergange der Legirungen aus dem festen in den flüssigen Zustand beobachten. Je langsamer in beiden Fällen der Uebergang aus dem einen in den andern Aggregatzustand stattfand, desto stärker pflegt die Saigerung zu sein. Auch die verschiedenen im technisch dargestellten Eisen auftretenden Legirungen zeigen nicht selten diesen Vorgang, und in gewissen Fällen spielt derselbe sogar eine hochwichtige Rolle. 1) Dehnbarkeit kann als die Eigenschaft der Körper, im ungeschmolzenen Zustande unter Einwirkung äusserer Kräfte bleibende Formveränderungen zu ertragen, bezeichnet werden; als Schmiedbarkeit pflegt man die Dehnbarkeit der Körper im erhitzten Zustande zu bezeichnen, insbesondere, wenn die Formveränderung durch Schlagwirkung hervorgerufen wird; Zähigkeit ist das Maass des Widerstandes, welchen ein Körper der Trennung seiner Theilchen entgegensetzt, nachdem unter Ein- wirkung äusserer Kräfte die Elasticitätsgrenze überschritten ist. Sie bildet gewisser- maassen die Grundlage der Dehnbarkeit. Ihr Gegensatz ist die Sprödigkeit.

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/265>, abgerufen am 02.05.2024.