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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Der Hochofen.
lösche eine schiefe Ebene -- die Schlackentrift -- aufzustürzen
und in dieser eine Gosse auszusparen, in welcher die Schlacke ab-
fliessen kann.

Damit die flüssige Schlacke nicht bis zu den Windformen ansteige,
muss die Oberkante des Wallsteines bei zähflüssiger Beschaffenheit der
Schlacke (Betrieb mit Holzkohlen) ein wenig tiefer, bei dünnflüssiger
Schlacke wenigstens nicht erheblich höher als diese liegen. Die im
Innern des Ofens herrschende Gasspannung treibt alsdann die Schlacke
über den Wallstein hinweg.

Den Stein b des Gestellmauerwerks, welcher die erwähnte Oeff-
nung a von oben abschliesst, nennt man Tümpel oder Tümpelstein.
Die Unterkante desselben muss ungefähr in gleicher Höhenlage mit der
Oberkante des Wallsteines sich befinden oder darf nur wenig höher
liegen, damit nicht die Gase des Hochofens unter dem Tümpel hinweg
ihren Weg nach aussen nehmen und solcherart nutzlos für den Hoch-
ofenprocess entweichen können.

Die Einrichtung der Oefen mit offener Brust, welche nach Gurlt
schon gegen Ende des 13. Jahrhunderts, also jedenfalls sehr bald nach
Erfindung der Roheisendarstellung überhaupt, eingeführt wurde, fusst
jedenfalls auf dem Umstande, dass die mit kaltem Winde und einer
zähflüssigen Schlacke auf graues Roheisen betriebenen Hochöfen unter
häufigen Versetzungen zu leiden hatten, die sich nur beseitigen liessen,
wenn man das Ofeninnere durch Oeffnen der Brust für Haken, Brech-
stangen u. s. w. zugänglich machte, welche unter dem Tümpel hin-
durch in den Ofen geschoben werden können. Jahrhunderte hindurch
bis in die neueste Zeit hinein bildeten sie dann die Regel, die Oefen
mit geschlossener Brust die Ausnahme. In manchen Ländern, z. B. in
Grossbritannien und Belgien, sind noch jetzt die Oefen mit offener
Brust häufiger als mit geschlossener Brust anzutreffen.

Dennoch besitzen die ersteren unläugbar gewisse Nachtheile. Am
deutlichsten treten dieselben hervor, wenn nach dem Ablassen des Roh-
eisens die Oberfläche der Schlacke im Herde sinkt, die Unterkante des
Tümpels frei zu liegen kommt und die Hochofengase unter demselben
ihren Weg nach aussen finden. Um die Entstehung einer langen unter
dem Tümpel herausschlagenden Flamme zu vermeiden, welche das
Arbeiten vor dem Ofen unmöglich machen würde, muss das Gebläse
während des Abstechens zum Stillstand gebracht werden; dann wird
der Herd gereinigt, mit Lösche gefüllt und nun erst kann das Blasen
wieder beginnen. Durch diesen längeren Stillstand des Gebläses wird
nicht allein unmittelbar die Leistung des Ofens geschmälert; es tritt
auch eine Abkühlung des Gestelles ein, welche nicht selten Unregel-
mässigkeiten des Schmelzganges zur Folge hat und durch erhöhten
Brennstoffaufwand wieder ausgeglichen werden muss.

Nachdem man daher durch Einführung des Betriebes mit erhitzter
Gebläseluft die Möglichkeit erlangt hatte, die Temperatur im Gestell
der Hochöfen beträchtlich zu steigern und auf diese Weise -- auch
bei Graueisendarstellung -- eine dünnflüssigere, weniger rasch erstar-
rende Schlacke zu bekommen, und als ferner durch eine Einrichtung,
welche unten ausführlichere Besprechung finden wird (Lürmann'sche
Schlackenform), der bei den älteren Oefen mit geschlossener Brust häufig

Der Hochofen.
lösche eine schiefe Ebene — die Schlackentrift — aufzustürzen
und in dieser eine Gosse auszusparen, in welcher die Schlacke ab-
fliessen kann.

Damit die flüssige Schlacke nicht bis zu den Windformen ansteige,
muss die Oberkante des Wallsteines bei zähflüssiger Beschaffenheit der
Schlacke (Betrieb mit Holzkohlen) ein wenig tiefer, bei dünnflüssiger
Schlacke wenigstens nicht erheblich höher als diese liegen. Die im
Innern des Ofens herrschende Gasspannung treibt alsdann die Schlacke
über den Wallstein hinweg.

Den Stein b des Gestellmauerwerks, welcher die erwähnte Oeff-
nung a von oben abschliesst, nennt man Tümpel oder Tümpelstein.
Die Unterkante desselben muss ungefähr in gleicher Höhenlage mit der
Oberkante des Wallsteines sich befinden oder darf nur wenig höher
liegen, damit nicht die Gase des Hochofens unter dem Tümpel hinweg
ihren Weg nach aussen nehmen und solcherart nutzlos für den Hoch-
ofenprocess entweichen können.

Die Einrichtung der Oefen mit offener Brust, welche nach Gurlt
schon gegen Ende des 13. Jahrhunderts, also jedenfalls sehr bald nach
Erfindung der Roheisendarstellung überhaupt, eingeführt wurde, fusst
jedenfalls auf dem Umstande, dass die mit kaltem Winde und einer
zähflüssigen Schlacke auf graues Roheisen betriebenen Hochöfen unter
häufigen Versetzungen zu leiden hatten, die sich nur beseitigen liessen,
wenn man das Ofeninnere durch Oeffnen der Brust für Haken, Brech-
stangen u. s. w. zugänglich machte, welche unter dem Tümpel hin-
durch in den Ofen geschoben werden können. Jahrhunderte hindurch
bis in die neueste Zeit hinein bildeten sie dann die Regel, die Oefen
mit geschlossener Brust die Ausnahme. In manchen Ländern, z. B. in
Grossbritannien und Belgien, sind noch jetzt die Oefen mit offener
Brust häufiger als mit geschlossener Brust anzutreffen.

Dennoch besitzen die ersteren unläugbar gewisse Nachtheile. Am
deutlichsten treten dieselben hervor, wenn nach dem Ablassen des Roh-
eisens die Oberfläche der Schlacke im Herde sinkt, die Unterkante des
Tümpels frei zu liegen kommt und die Hochofengase unter demselben
ihren Weg nach aussen finden. Um die Entstehung einer langen unter
dem Tümpel herausschlagenden Flamme zu vermeiden, welche das
Arbeiten vor dem Ofen unmöglich machen würde, muss das Gebläse
während des Abstechens zum Stillstand gebracht werden; dann wird
der Herd gereinigt, mit Lösche gefüllt und nun erst kann das Blasen
wieder beginnen. Durch diesen längeren Stillstand des Gebläses wird
nicht allein unmittelbar die Leistung des Ofens geschmälert; es tritt
auch eine Abkühlung des Gestelles ein, welche nicht selten Unregel-
mässigkeiten des Schmelzganges zur Folge hat und durch erhöhten
Brennstoffaufwand wieder ausgeglichen werden muss.

Nachdem man daher durch Einführung des Betriebes mit erhitzter
Gebläseluft die Möglichkeit erlangt hatte, die Temperatur im Gestell
der Hochöfen beträchtlich zu steigern und auf diese Weise — auch
bei Graueisendarstellung — eine dünnflüssigere, weniger rasch erstar-
rende Schlacke zu bekommen, und als ferner durch eine Einrichtung,
welche unten ausführlichere Besprechung finden wird (Lürmann’sche
Schlackenform), der bei den älteren Oefen mit geschlossener Brust häufig

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[328/0374] Der Hochofen. lösche eine schiefe Ebene — die Schlackentrift — aufzustürzen und in dieser eine Gosse auszusparen, in welcher die Schlacke ab- fliessen kann. Damit die flüssige Schlacke nicht bis zu den Windformen ansteige, muss die Oberkante des Wallsteines bei zähflüssiger Beschaffenheit der Schlacke (Betrieb mit Holzkohlen) ein wenig tiefer, bei dünnflüssiger Schlacke wenigstens nicht erheblich höher als diese liegen. Die im Innern des Ofens herrschende Gasspannung treibt alsdann die Schlacke über den Wallstein hinweg. Den Stein b des Gestellmauerwerks, welcher die erwähnte Oeff- nung a von oben abschliesst, nennt man Tümpel oder Tümpelstein. Die Unterkante desselben muss ungefähr in gleicher Höhenlage mit der Oberkante des Wallsteines sich befinden oder darf nur wenig höher liegen, damit nicht die Gase des Hochofens unter dem Tümpel hinweg ihren Weg nach aussen nehmen und solcherart nutzlos für den Hoch- ofenprocess entweichen können. Die Einrichtung der Oefen mit offener Brust, welche nach Gurlt schon gegen Ende des 13. Jahrhunderts, also jedenfalls sehr bald nach Erfindung der Roheisendarstellung überhaupt, eingeführt wurde, fusst jedenfalls auf dem Umstande, dass die mit kaltem Winde und einer zähflüssigen Schlacke auf graues Roheisen betriebenen Hochöfen unter häufigen Versetzungen zu leiden hatten, die sich nur beseitigen liessen, wenn man das Ofeninnere durch Oeffnen der Brust für Haken, Brech- stangen u. s. w. zugänglich machte, welche unter dem Tümpel hin- durch in den Ofen geschoben werden können. Jahrhunderte hindurch bis in die neueste Zeit hinein bildeten sie dann die Regel, die Oefen mit geschlossener Brust die Ausnahme. In manchen Ländern, z. B. in Grossbritannien und Belgien, sind noch jetzt die Oefen mit offener Brust häufiger als mit geschlossener Brust anzutreffen. Dennoch besitzen die ersteren unläugbar gewisse Nachtheile. Am deutlichsten treten dieselben hervor, wenn nach dem Ablassen des Roh- eisens die Oberfläche der Schlacke im Herde sinkt, die Unterkante des Tümpels frei zu liegen kommt und die Hochofengase unter demselben ihren Weg nach aussen finden. Um die Entstehung einer langen unter dem Tümpel herausschlagenden Flamme zu vermeiden, welche das Arbeiten vor dem Ofen unmöglich machen würde, muss das Gebläse während des Abstechens zum Stillstand gebracht werden; dann wird der Herd gereinigt, mit Lösche gefüllt und nun erst kann das Blasen wieder beginnen. Durch diesen längeren Stillstand des Gebläses wird nicht allein unmittelbar die Leistung des Ofens geschmälert; es tritt auch eine Abkühlung des Gestelles ein, welche nicht selten Unregel- mässigkeiten des Schmelzganges zur Folge hat und durch erhöhten Brennstoffaufwand wieder ausgeglichen werden muss. Nachdem man daher durch Einführung des Betriebes mit erhitzter Gebläseluft die Möglichkeit erlangt hatte, die Temperatur im Gestell der Hochöfen beträchtlich zu steigern und auf diese Weise — auch bei Graueisendarstellung — eine dünnflüssigere, weniger rasch erstar- rende Schlacke zu bekommen, und als ferner durch eine Einrichtung, welche unten ausführlichere Besprechung finden wird (Lürmann’sche Schlackenform), der bei den älteren Oefen mit geschlossener Brust häufig

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/374>, abgerufen am 29.04.2024.