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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Der Hochofenprocess.
Eisenoxyds, das gebundene Wasser festzuhalten, lässt darauf schliessen,
dass die eigentliche Verbindungs- beziehentlich Zerlegungswärme nicht
sehr beträchtlich sei; wohl aber erfordert die Verdampfung des Wassers,
welches in den Erzen im festen Zustande vorhanden war, eine be-
deutende Wärmemenge, welche in Rechnung gestellt werden muss.
1 kg Wasser erfordert, um aus dem festen in den flüssigen Zustand
übergeführt zu werden, 79 W.-E., um aus dem flüssigen Zustande in
Dampfform übergeführt zu werden 536 W.-E., im Ganzen also 615 W.-E.
Als gesammte Zerlegungswärme der Brauneisenerze incl.
der Wärme zur Verdampfung des entstehenden Wassers
wird man demnach etwa
700 W.-E. per 1 kg verflüchtigtes
Wasser zu rechnen haben
.

Ueber die Bildungs- und Zerlegungswärme der Silikate
liegen keine Ermittelungen vor, und man pflegt dieselbe zu vernach-
lässigen.

Specifische Wärme

des Wasserdampfes     0.480 (Regnault)
der atmosphärischen Luft     0.237 "
des Kohlenoxydes     0.245 "
der Kohlensäure     0.216 "
des Wasserstoffes     3.409 "
des Grubengases     0.593 "
des Stickstoffes     0.243 "
der Gichtgase durchschnittlich     0.237.

Die von dem flüssigen Roheisen, sowie den Schlacken
mitgeführte Wärme
würde sich in jedem einzelnen Falle durch
Eingiessen einer bestimmten Menge derselben in Wasser ermitteln
lassen; Gruner fand bei derartigen Versuchen 1):

die von grauem Roheisen mitgeführte Wärme     280--285 W.-E.
" " weissem " " "     260--265 "
" " der Schlacke bei Graueisendarstellung
mitgeführte Wärme     500 "
" " der Schlacke bei Weisseisendarstellung
mitgeführte Wärme     450 "

In den meisten Fällen dürften diese Ziffern der Wahrheit aus-
reichend nahe kommen, um ohne Anstellung besonderer Versuche be-
nutzbar zu sein.


Für die Aufstellung der Wärmebilanz ist ein Studium der Zwi-
schenreactionen im Hochofen, bei welchen Wärme erzeugt oder ver-
braucht wird, nicht erforderlich. 1 kg Kohlenstoff giebt in allen Fällen
bei der Verbrennung zu Kohlenoxyd als Enderzeugniss die nämliche
Wärmemenge, gleichviel, ob derselbe sofort vollständig zu Kohlenoxyd
verbrannt wurde oder ob erst die Hälfte desselben Kohlensäure bildete,
welche dann unter Umwandlung in Kohlenoxyd die zweite Hälfte der
Kohle vergaste. 1 kg Eisenoxyd bedarf, um zu metallischem Eisen
reducirt zu werden, in allen Fällen die gleiche Gesammtwärme, gleich-
viel, ob die Reduction sofort vollständig oder erst unter Bildung von

1) Gruner-Steffen, Analytische Studien über den Hochofen, S. 129.

Der Hochofenprocess.
Eisenoxyds, das gebundene Wasser festzuhalten, lässt darauf schliessen,
dass die eigentliche Verbindungs- beziehentlich Zerlegungswärme nicht
sehr beträchtlich sei; wohl aber erfordert die Verdampfung des Wassers,
welches in den Erzen im festen Zustande vorhanden war, eine be-
deutende Wärmemenge, welche in Rechnung gestellt werden muss.
1 kg Wasser erfordert, um aus dem festen in den flüssigen Zustand
übergeführt zu werden, 79 W.-E., um aus dem flüssigen Zustande in
Dampfform übergeführt zu werden 536 W.-E., im Ganzen also 615 W.-E.
Als gesammte Zerlegungswärme der Brauneisenerze incl.
der Wärme zur Verdampfung des entstehenden Wassers
wird man demnach etwa
700 W.-E. per 1 kg verflüchtigtes
Wasser zu rechnen haben
.

Ueber die Bildungs- und Zerlegungswärme der Silikate
liegen keine Ermittelungen vor, und man pflegt dieselbe zu vernach-
lässigen.

Specifische Wärme

des Wasserdampfes     0.480 (Regnault)
der atmosphärischen Luft     0.237 „
des Kohlenoxydes     0.245 „
der Kohlensäure     0.216 „
des Wasserstoffes     3.409 „
des Grubengases     0.593 „
des Stickstoffes     0.243 „
der Gichtgase durchschnittlich     0.237.

Die von dem flüssigen Roheisen, sowie den Schlacken
mitgeführte Wärme
würde sich in jedem einzelnen Falle durch
Eingiessen einer bestimmten Menge derselben in Wasser ermitteln
lassen; Gruner fand bei derartigen Versuchen 1):

die von grauem Roheisen mitgeführte Wärme     280—285 W.-E.
„ „ weissem „ „ „     260—265 „
„ „ der Schlacke bei Graueisendarstellung
mitgeführte Wärme     500 „
„ „ der Schlacke bei Weisseisendarstellung
mitgeführte Wärme     450 „

In den meisten Fällen dürften diese Ziffern der Wahrheit aus-
reichend nahe kommen, um ohne Anstellung besonderer Versuche be-
nutzbar zu sein.


Für die Aufstellung der Wärmebilanz ist ein Studium der Zwi-
schenreactionen im Hochofen, bei welchen Wärme erzeugt oder ver-
braucht wird, nicht erforderlich. 1 kg Kohlenstoff giebt in allen Fällen
bei der Verbrennung zu Kohlenoxyd als Enderzeugniss die nämliche
Wärmemenge, gleichviel, ob derselbe sofort vollständig zu Kohlenoxyd
verbrannt wurde oder ob erst die Hälfte desselben Kohlensäure bildete,
welche dann unter Umwandlung in Kohlenoxyd die zweite Hälfte der
Kohle vergaste. 1 kg Eisenoxyd bedarf, um zu metallischem Eisen
reducirt zu werden, in allen Fällen die gleiche Gesammtwärme, gleich-
viel, ob die Reduction sofort vollständig oder erst unter Bildung von

1) Gruner-Steffen, Analytische Studien über den Hochofen, S. 129.
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[496/0556] Der Hochofenprocess. Eisenoxyds, das gebundene Wasser festzuhalten, lässt darauf schliessen, dass die eigentliche Verbindungs- beziehentlich Zerlegungswärme nicht sehr beträchtlich sei; wohl aber erfordert die Verdampfung des Wassers, welches in den Erzen im festen Zustande vorhanden war, eine be- deutende Wärmemenge, welche in Rechnung gestellt werden muss. 1 kg Wasser erfordert, um aus dem festen in den flüssigen Zustand übergeführt zu werden, 79 W.-E., um aus dem flüssigen Zustande in Dampfform übergeführt zu werden 536 W.-E., im Ganzen also 615 W.-E. Als gesammte Zerlegungswärme der Brauneisenerze incl. der Wärme zur Verdampfung des entstehenden Wassers wird man demnach etwa 700 W.-E. per 1 kg verflüchtigtes Wasser zu rechnen haben. Ueber die Bildungs- und Zerlegungswärme der Silikate liegen keine Ermittelungen vor, und man pflegt dieselbe zu vernach- lässigen. Specifische Wärme des Wasserdampfes 0.480 (Regnault) der atmosphärischen Luft 0.237 „ des Kohlenoxydes 0.245 „ der Kohlensäure 0.216 „ des Wasserstoffes 3.409 „ des Grubengases 0.593 „ des Stickstoffes 0.243 „ der Gichtgase durchschnittlich 0.237. Die von dem flüssigen Roheisen, sowie den Schlacken mitgeführte Wärme würde sich in jedem einzelnen Falle durch Eingiessen einer bestimmten Menge derselben in Wasser ermitteln lassen; Gruner fand bei derartigen Versuchen 1): die von grauem Roheisen mitgeführte Wärme 280—285 W.-E. „ „ weissem „ „ „ 260—265 „ „ „ der Schlacke bei Graueisendarstellung mitgeführte Wärme 500 „ „ „ der Schlacke bei Weisseisendarstellung mitgeführte Wärme 450 „ In den meisten Fällen dürften diese Ziffern der Wahrheit aus- reichend nahe kommen, um ohne Anstellung besonderer Versuche be- nutzbar zu sein. Für die Aufstellung der Wärmebilanz ist ein Studium der Zwi- schenreactionen im Hochofen, bei welchen Wärme erzeugt oder ver- braucht wird, nicht erforderlich. 1 kg Kohlenstoff giebt in allen Fällen bei der Verbrennung zu Kohlenoxyd als Enderzeugniss die nämliche Wärmemenge, gleichviel, ob derselbe sofort vollständig zu Kohlenoxyd verbrannt wurde oder ob erst die Hälfte desselben Kohlensäure bildete, welche dann unter Umwandlung in Kohlenoxyd die zweite Hälfte der Kohle vergaste. 1 kg Eisenoxyd bedarf, um zu metallischem Eisen reducirt zu werden, in allen Fällen die gleiche Gesammtwärme, gleich- viel, ob die Reduction sofort vollständig oder erst unter Bildung von 1) Gruner-Steffen, Analytische Studien über den Hochofen, S. 129.

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 496. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/556>, abgerufen am 29.04.2024.