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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Der Hochofenbetrieb.
gang erkennen. Sie verliert an Lebhaftigkeit, die beim Gaargange blaue
Farbe wird gelblich, der weisse Beschlag, welchen -- besonders bei
Graueisendarstellung -- die Gichtflamme abzusetzen pflegt, verschwindet
oder wird geringer und nimmt gelbliche Färbung an. Auch hier ist
jedoch, da die Beschaffenheit der Flamme unter verschiedenen Betriebs-
verhältnissen nicht die gleiche ist, eine genaue, nur durch eigene
Beobachtung zu erlangende Kenntniss ihrer Eigenthümlichkeiten bei
dem einzelnen Betriebe erforderlich, wenn man Schlussfolgerungen
daraus auf den Hochofengang ziehen will.

Der Mittel, welche zur Beseitigung des Rohganges in Anwendung
zu bringen sind, wurde schon auf S. 478 gedacht. Sie müssen natur-
gemäss darauf gerichtet sein, die Temperatur im Schmelzraume zu stei-
gern, das Maass der indirecten Reduction zu vergrössern. Verringerung
des Erzsatzes, wo es angeht stärkere Erhitzung des Gebläsewindes,
Verlangsamung des Schmelzganges durch Verminderung der Wind-
menge sind die üblichsten derselben. Der Einsicht des Betriebsleiters
muss es überlassen bleiben, die Ursachen des Rohganges zu erforschen
und die entsprechenden Gegenmittel -- unter Umständen andere, als
die genannten -- zu ergreifen.

Besondere Schwierigkeiten bietet die Beseitigung von Ver-
setzungen
im Hochofen, die unter Umständen auch ohne eigentlichen
Rohgang entstehen können. Sehr strengflüssige Beschickungen, ins-
besondere sehr kalkerdereiche, geben ziemlich leicht die Veranlassung
zur Entstehung solcher Versetzungen, wenn durch einen Zufall die
Temperatur im Schmelzraume abnahm, wenn durch Unregelmässig-
keiten beim Aufgichten oder beim Niedergehen der Gichten die schlacken-
bildenden Bestandtheile in unrichtiger Mischung in den Schmelzraum
gelangten, und dergleichen. 1)

So lange in diesem Falle die Versetzungen noch nicht ein solches
Maass erreicht haben, dass der Wind nicht mehr durchdringen kann,
wird man natürlich Alles daran setzen, sie durch Steigerung der
Temperatur über den Formen zum Schmelzen zu bringen. Eine starke
Verringerung des Erzsatzes, unter Umständen das Aufgeben mehrerer
leerer Gichten (Brennstoffgichten ohne Erze) ist in jedem Falle am
Platze, vermag aber allein nicht immer die Versetzung zu beseitigen,
da, bevor die Gichten an der Stelle der letzteren anlangen, der Ofen
schon vollständig zugesetzt und erstickt sein kann. Man wird also
häufig darnach trachten müssen, Brennmaterial von unten her in den
Ofen zu bringen und durch möglichst stark erhitzten Gebläsewind zu
verbrennen. Zur Erreichung dieses Zieles ist man mitunter gezwungen,
den Ofen an einer geeigneten Stelle aufzubrechen, eine Arbeit, welche
natürlich ausserordentlich beschwerlich ist und grosse Umsicht erheischt.
Befindet sich die Versetzung in grösserem Abstande über den Formen,
so wird man mitunter genöthigt sein, eine oder mehrere besondere
Formen in der betreffenden Höhe einzulegen, um die Stelle der grössten

1) Versetzungen, durch übermässigen Kalkgehalt der Beschickung erzeugt, pflegt
der Hochofenmann das "Kalkelend" zu benennen.

Der Hochofenbetrieb.
gang erkennen. Sie verliert an Lebhaftigkeit, die beim Gaargange blaue
Farbe wird gelblich, der weisse Beschlag, welchen — besonders bei
Graueisendarstellung — die Gichtflamme abzusetzen pflegt, verschwindet
oder wird geringer und nimmt gelbliche Färbung an. Auch hier ist
jedoch, da die Beschaffenheit der Flamme unter verschiedenen Betriebs-
verhältnissen nicht die gleiche ist, eine genaue, nur durch eigene
Beobachtung zu erlangende Kenntniss ihrer Eigenthümlichkeiten bei
dem einzelnen Betriebe erforderlich, wenn man Schlussfolgerungen
daraus auf den Hochofengang ziehen will.

Der Mittel, welche zur Beseitigung des Rohganges in Anwendung
zu bringen sind, wurde schon auf S. 478 gedacht. Sie müssen natur-
gemäss darauf gerichtet sein, die Temperatur im Schmelzraume zu stei-
gern, das Maass der indirecten Reduction zu vergrössern. Verringerung
des Erzsatzes, wo es angeht stärkere Erhitzung des Gebläsewindes,
Verlangsamung des Schmelzganges durch Verminderung der Wind-
menge sind die üblichsten derselben. Der Einsicht des Betriebsleiters
muss es überlassen bleiben, die Ursachen des Rohganges zu erforschen
und die entsprechenden Gegenmittel — unter Umständen andere, als
die genannten — zu ergreifen.

Besondere Schwierigkeiten bietet die Beseitigung von Ver-
setzungen
im Hochofen, die unter Umständen auch ohne eigentlichen
Rohgang entstehen können. Sehr strengflüssige Beschickungen, ins-
besondere sehr kalkerdereiche, geben ziemlich leicht die Veranlassung
zur Entstehung solcher Versetzungen, wenn durch einen Zufall die
Temperatur im Schmelzraume abnahm, wenn durch Unregelmässig-
keiten beim Aufgichten oder beim Niedergehen der Gichten die schlacken-
bildenden Bestandtheile in unrichtiger Mischung in den Schmelzraum
gelangten, und dergleichen. 1)

So lange in diesem Falle die Versetzungen noch nicht ein solches
Maass erreicht haben, dass der Wind nicht mehr durchdringen kann,
wird man natürlich Alles daran setzen, sie durch Steigerung der
Temperatur über den Formen zum Schmelzen zu bringen. Eine starke
Verringerung des Erzsatzes, unter Umständen das Aufgeben mehrerer
leerer Gichten (Brennstoffgichten ohne Erze) ist in jedem Falle am
Platze, vermag aber allein nicht immer die Versetzung zu beseitigen,
da, bevor die Gichten an der Stelle der letzteren anlangen, der Ofen
schon vollständig zugesetzt und erstickt sein kann. Man wird also
häufig darnach trachten müssen, Brennmaterial von unten her in den
Ofen zu bringen und durch möglichst stark erhitzten Gebläsewind zu
verbrennen. Zur Erreichung dieses Zieles ist man mitunter gezwungen,
den Ofen an einer geeigneten Stelle aufzubrechen, eine Arbeit, welche
natürlich ausserordentlich beschwerlich ist und grosse Umsicht erheischt.
Befindet sich die Versetzung in grösserem Abstande über den Formen,
so wird man mitunter genöthigt sein, eine oder mehrere besondere
Formen in der betreffenden Höhe einzulegen, um die Stelle der grössten

1) Versetzungen, durch übermässigen Kalkgehalt der Beschickung erzeugt, pflegt
der Hochofenmann das „Kalkelend“ zu benennen.
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[518/0578] Der Hochofenbetrieb. gang erkennen. Sie verliert an Lebhaftigkeit, die beim Gaargange blaue Farbe wird gelblich, der weisse Beschlag, welchen — besonders bei Graueisendarstellung — die Gichtflamme abzusetzen pflegt, verschwindet oder wird geringer und nimmt gelbliche Färbung an. Auch hier ist jedoch, da die Beschaffenheit der Flamme unter verschiedenen Betriebs- verhältnissen nicht die gleiche ist, eine genaue, nur durch eigene Beobachtung zu erlangende Kenntniss ihrer Eigenthümlichkeiten bei dem einzelnen Betriebe erforderlich, wenn man Schlussfolgerungen daraus auf den Hochofengang ziehen will. Der Mittel, welche zur Beseitigung des Rohganges in Anwendung zu bringen sind, wurde schon auf S. 478 gedacht. Sie müssen natur- gemäss darauf gerichtet sein, die Temperatur im Schmelzraume zu stei- gern, das Maass der indirecten Reduction zu vergrössern. Verringerung des Erzsatzes, wo es angeht stärkere Erhitzung des Gebläsewindes, Verlangsamung des Schmelzganges durch Verminderung der Wind- menge sind die üblichsten derselben. Der Einsicht des Betriebsleiters muss es überlassen bleiben, die Ursachen des Rohganges zu erforschen und die entsprechenden Gegenmittel — unter Umständen andere, als die genannten — zu ergreifen. Besondere Schwierigkeiten bietet die Beseitigung von Ver- setzungen im Hochofen, die unter Umständen auch ohne eigentlichen Rohgang entstehen können. Sehr strengflüssige Beschickungen, ins- besondere sehr kalkerdereiche, geben ziemlich leicht die Veranlassung zur Entstehung solcher Versetzungen, wenn durch einen Zufall die Temperatur im Schmelzraume abnahm, wenn durch Unregelmässig- keiten beim Aufgichten oder beim Niedergehen der Gichten die schlacken- bildenden Bestandtheile in unrichtiger Mischung in den Schmelzraum gelangten, und dergleichen. 1) So lange in diesem Falle die Versetzungen noch nicht ein solches Maass erreicht haben, dass der Wind nicht mehr durchdringen kann, wird man natürlich Alles daran setzen, sie durch Steigerung der Temperatur über den Formen zum Schmelzen zu bringen. Eine starke Verringerung des Erzsatzes, unter Umständen das Aufgeben mehrerer leerer Gichten (Brennstoffgichten ohne Erze) ist in jedem Falle am Platze, vermag aber allein nicht immer die Versetzung zu beseitigen, da, bevor die Gichten an der Stelle der letzteren anlangen, der Ofen schon vollständig zugesetzt und erstickt sein kann. Man wird also häufig darnach trachten müssen, Brennmaterial von unten her in den Ofen zu bringen und durch möglichst stark erhitzten Gebläsewind zu verbrennen. Zur Erreichung dieses Zieles ist man mitunter gezwungen, den Ofen an einer geeigneten Stelle aufzubrechen, eine Arbeit, welche natürlich ausserordentlich beschwerlich ist und grosse Umsicht erheischt. Befindet sich die Versetzung in grösserem Abstande über den Formen, so wird man mitunter genöthigt sein, eine oder mehrere besondere Formen in der betreffenden Höhe einzulegen, um die Stelle der grössten 1) Versetzungen, durch übermässigen Kalkgehalt der Beschickung erzeugt, pflegt der Hochofenmann das „Kalkelend“ zu benennen.

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 518. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/578>, abgerufen am 01.05.2024.