Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Hochofenbetrieb.

Unter den verschiedenen Erzvorkommnissen Deutschlands ver-
dienen als besonders wichtig hervorgehoben zu werden die mulmigen,
blei- und zinkhaltigen Brauneisenerze Oberschlesiens, die von der
Ilseder Hütte verarbeiteten oolithischen Brauneisenerze bei Peine (S. 164),
die Kohleneisensteine, Sphärosiderite und Brauneisensteine Westfalens,
die Spathe und Brauneisenerze des Siegerlandes, die Roth- und Braun-
eisenerze aus dem Gebiete der Lahn, die Minetteerze Lothringens und
Luxemburgs. Auch die im Harze (bei Elbingerode) auftretenden Roth-,
Braun- und Magneteisenerze sowie die am Fusse des Harzes (Harz-
burg, Salzgitter) geförderten oolithischen Erze verdienen als Material
für den Betrieb mehrerer Hochofenwerke (Blankenburger Hütte, Mathil-
denhütte bei Harzburg sowie einiger mit Holzkohlen betriebener Hoch-
öfen) Erwähnung; ferner die Spatheisensteine des Thüringerwaldes
(Kamsdorf mit der Maximilianshütte), sowie die Braun-, Roth- und
Magneteisenerze des Erzgebirges, welche theils im Erzgebirge selbst
(Königin-Marienhütte, Schwarzenberger Hütte), theils auswärts ver-
arbeitet werden. Rasenerze der norddeutschen Tiefebene werden theils
auf kleineren mit Holzkohlen betriebenen Hochöfen1) verarbeitet, theils
den Beschickungen der rheinischen und westfälischen Hochöfen zuge-
setzt; eine noch grössere Menge Rasenerze beziehen die letzteren, be-
sonders die am Rhein und der Ruhr gelegenen, aus Holland. Zur Dar-
stellung phosphorarmen grauen Roheisens für den Bessemerprocess,
beziehentlich auch Spiegeleisens, werden Roth- und Brauneisenerze von
Spanien und Algier bezogen (vergl. die Analysen dieser Erze auf
S. 164 und 169); Oberschlesien verhüttet zur Darstellung phosphor-
armen Weisseisens Spatheisensteine aus Ungarn.

Das geschilderte Vorkommen der Erze und Steinkohlen erklärt es,
dass vorzugsweise in Nord- und Mitteldeutschland wie in Lothringen die
Roheisendarstellung betrieben wird, während in Baiern, Würtemberg und
Baden nur vereinzelte Werke dem Hochofenbetriebe obliegen. Die Holz-
bestände Deutschlands aber würden, wenn man sie zur Deckung des
Brennstoffbedarfs der im Betriebe stehenden Hochöfen verwenden wollte,
in kürzester Zeit verbraucht sein; und auch in Deutschland ist daher
der Hochofenbetrieb der Jetztzeit nur durch ausgedehnte Verwendung
mineralischer Brennstoffe, und zwar der Koks, möglich. Von den im
Jahre 1871 erzeugten 2900000 t Roheisen entstammten nur 42000 t
dem Betriebe mit Holzkohlen.

Wo Erze und Kohlen nicht bei einander liegen, findet man das
Hochofenwerk häufiger an der Lagerstätte der Kohlen als an der der
Erze, obgleich für die Darstellung einer bestimmten Menge Roheisen eine
grössere Gewichtsmenge Erze als Kohlen erforderlich zu sein pflegt
und verfrachtet werden muss. Die Gründe hierfür sind die nämlichen,
welche schon bei Besprechung der nordamerikanischen Roheisenindustrie
erläutert wurden: das Roheisen findet seine hauptsächlichste Verwen-
dung da, wo das Vorkommen von Steinkohlenlagern die Grundlage

1) Eine grössere Zahl dieser Holzkohlenhochöfen, welche unmittelbar für die
Giesserei arbeiteten, ist allerdings in den letzten Jahren infolge der geänderten
Handelsverhältnisse eingegangen; so die Hochöfen zu Lauchhammer, Gröditz, Sterk-
rade u. a.
Der Hochofenbetrieb.

Unter den verschiedenen Erzvorkommnissen Deutschlands ver-
dienen als besonders wichtig hervorgehoben zu werden die mulmigen,
blei- und zinkhaltigen Brauneisenerze Oberschlesiens, die von der
Ilseder Hütte verarbeiteten oolithischen Brauneisenerze bei Peine (S. 164),
die Kohleneisensteine, Sphärosiderite und Brauneisensteine Westfalens,
die Spathe und Brauneisenerze des Siegerlandes, die Roth- und Braun-
eisenerze aus dem Gebiete der Lahn, die Minetteerze Lothringens und
Luxemburgs. Auch die im Harze (bei Elbingerode) auftretenden Roth-,
Braun- und Magneteisenerze sowie die am Fusse des Harzes (Harz-
burg, Salzgitter) geförderten oolithischen Erze verdienen als Material
für den Betrieb mehrerer Hochofenwerke (Blankenburger Hütte, Mathil-
denhütte bei Harzburg sowie einiger mit Holzkohlen betriebener Hoch-
öfen) Erwähnung; ferner die Spatheisensteine des Thüringerwaldes
(Kamsdorf mit der Maximilianshütte), sowie die Braun-, Roth- und
Magneteisenerze des Erzgebirges, welche theils im Erzgebirge selbst
(Königin-Marienhütte, Schwarzenberger Hütte), theils auswärts ver-
arbeitet werden. Rasenerze der norddeutschen Tiefebene werden theils
auf kleineren mit Holzkohlen betriebenen Hochöfen1) verarbeitet, theils
den Beschickungen der rheinischen und westfälischen Hochöfen zuge-
setzt; eine noch grössere Menge Rasenerze beziehen die letzteren, be-
sonders die am Rhein und der Ruhr gelegenen, aus Holland. Zur Dar-
stellung phosphorarmen grauen Roheisens für den Bessemerprocess,
beziehentlich auch Spiegeleisens, werden Roth- und Brauneisenerze von
Spanien und Algier bezogen (vergl. die Analysen dieser Erze auf
S. 164 und 169); Oberschlesien verhüttet zur Darstellung phosphor-
armen Weisseisens Spatheisensteine aus Ungarn.

Das geschilderte Vorkommen der Erze und Steinkohlen erklärt es,
dass vorzugsweise in Nord- und Mitteldeutschland wie in Lothringen die
Roheisendarstellung betrieben wird, während in Baiern, Würtemberg und
Baden nur vereinzelte Werke dem Hochofenbetriebe obliegen. Die Holz-
bestände Deutschlands aber würden, wenn man sie zur Deckung des
Brennstoffbedarfs der im Betriebe stehenden Hochöfen verwenden wollte,
in kürzester Zeit verbraucht sein; und auch in Deutschland ist daher
der Hochofenbetrieb der Jetztzeit nur durch ausgedehnte Verwendung
mineralischer Brennstoffe, und zwar der Koks, möglich. Von den im
Jahre 1871 erzeugten 2900000 t Roheisen entstammten nur 42000 t
dem Betriebe mit Holzkohlen.

Wo Erze und Kohlen nicht bei einander liegen, findet man das
Hochofenwerk häufiger an der Lagerstätte der Kohlen als an der der
Erze, obgleich für die Darstellung einer bestimmten Menge Roheisen eine
grössere Gewichtsmenge Erze als Kohlen erforderlich zu sein pflegt
und verfrachtet werden muss. Die Gründe hierfür sind die nämlichen,
welche schon bei Besprechung der nordamerikanischen Roheisenindustrie
erläutert wurden: das Roheisen findet seine hauptsächlichste Verwen-
dung da, wo das Vorkommen von Steinkohlenlagern die Grundlage

1) Eine grössere Zahl dieser Holzkohlenhochöfen, welche unmittelbar für die
Giesserei arbeiteten, ist allerdings in den letzten Jahren infolge der geänderten
Handelsverhältnisse eingegangen; so die Hochöfen zu Lauchhammer, Gröditz, Sterk-
rade u. a.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0632" n="572"/>
              <fw place="top" type="header">Der Hochofenbetrieb.</fw><lb/>
              <p>Unter den verschiedenen Erzvorkommnissen Deutschlands ver-<lb/>
dienen als besonders wichtig hervorgehoben zu werden die mulmigen,<lb/>
blei- und zinkhaltigen Brauneisenerze Oberschlesiens, die von der<lb/>
Ilseder Hütte verarbeiteten oolithischen Brauneisenerze bei Peine (S. 164),<lb/>
die Kohleneisensteine, Sphärosiderite und Brauneisensteine Westfalens,<lb/>
die Spathe und Brauneisenerze des Siegerlandes, die Roth- und Braun-<lb/>
eisenerze aus dem Gebiete der Lahn, die Minetteerze Lothringens und<lb/>
Luxemburgs. Auch die im Harze (bei Elbingerode) auftretenden Roth-,<lb/>
Braun- und Magneteisenerze sowie die am Fusse des Harzes (Harz-<lb/>
burg, Salzgitter) geförderten oolithischen Erze verdienen als Material<lb/>
für den Betrieb mehrerer Hochofenwerke (Blankenburger Hütte, Mathil-<lb/>
denhütte bei Harzburg sowie einiger mit Holzkohlen betriebener Hoch-<lb/>
öfen) Erwähnung; ferner die Spatheisensteine des Thüringerwaldes<lb/>
(Kamsdorf mit der Maximilianshütte), sowie die Braun-, Roth- und<lb/>
Magneteisenerze des Erzgebirges, welche theils im Erzgebirge selbst<lb/>
(Königin-Marienhütte, Schwarzenberger Hütte), theils auswärts ver-<lb/>
arbeitet werden. Rasenerze der norddeutschen Tiefebene werden theils<lb/>
auf kleineren mit Holzkohlen betriebenen Hochöfen<note place="foot" n="1)">Eine grössere Zahl dieser Holzkohlenhochöfen, welche unmittelbar für die<lb/>
Giesserei arbeiteten, ist allerdings in den letzten Jahren infolge der geänderten<lb/>
Handelsverhältnisse eingegangen; so die Hochöfen zu Lauchhammer, Gröditz, Sterk-<lb/>
rade u. a.</note> verarbeitet, theils<lb/>
den Beschickungen der rheinischen und westfälischen Hochöfen zuge-<lb/>
setzt; eine noch grössere Menge Rasenerze beziehen die letzteren, be-<lb/>
sonders die am Rhein und der Ruhr gelegenen, aus Holland. Zur Dar-<lb/>
stellung phosphorarmen grauen Roheisens für den Bessemerprocess,<lb/>
beziehentlich auch Spiegeleisens, werden Roth- und Brauneisenerze von<lb/>
Spanien und Algier bezogen (vergl. die Analysen dieser Erze auf<lb/>
S. 164 und 169); Oberschlesien verhüttet zur Darstellung phosphor-<lb/>
armen Weisseisens Spatheisensteine aus Ungarn.</p><lb/>
              <p>Das geschilderte Vorkommen der Erze und Steinkohlen erklärt es,<lb/>
dass vorzugsweise in Nord- und Mitteldeutschland wie in Lothringen die<lb/>
Roheisendarstellung betrieben wird, während in Baiern, Würtemberg und<lb/>
Baden nur vereinzelte Werke dem Hochofenbetriebe obliegen. Die Holz-<lb/>
bestände Deutschlands aber würden, wenn man sie zur Deckung des<lb/>
Brennstoffbedarfs der im Betriebe stehenden Hochöfen verwenden wollte,<lb/>
in kürzester Zeit verbraucht sein; und auch in Deutschland ist daher<lb/>
der Hochofenbetrieb der Jetztzeit nur durch ausgedehnte Verwendung<lb/>
mineralischer Brennstoffe, und zwar der Koks, möglich. Von den im<lb/>
Jahre 1871 erzeugten 2900000 t Roheisen entstammten nur 42000 t<lb/>
dem Betriebe mit Holzkohlen.</p><lb/>
              <p>Wo Erze und Kohlen nicht bei einander liegen, findet man das<lb/>
Hochofenwerk häufiger an der Lagerstätte der Kohlen als an der der<lb/>
Erze, obgleich für die Darstellung einer bestimmten Menge Roheisen eine<lb/>
grössere Gewichtsmenge Erze als Kohlen erforderlich zu sein pflegt<lb/>
und verfrachtet werden muss. Die Gründe hierfür sind die nämlichen,<lb/>
welche schon bei Besprechung der nordamerikanischen Roheisenindustrie<lb/>
erläutert wurden: das Roheisen findet seine hauptsächlichste Verwen-<lb/>
dung da, wo das Vorkommen von Steinkohlenlagern die Grundlage<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[572/0632] Der Hochofenbetrieb. Unter den verschiedenen Erzvorkommnissen Deutschlands ver- dienen als besonders wichtig hervorgehoben zu werden die mulmigen, blei- und zinkhaltigen Brauneisenerze Oberschlesiens, die von der Ilseder Hütte verarbeiteten oolithischen Brauneisenerze bei Peine (S. 164), die Kohleneisensteine, Sphärosiderite und Brauneisensteine Westfalens, die Spathe und Brauneisenerze des Siegerlandes, die Roth- und Braun- eisenerze aus dem Gebiete der Lahn, die Minetteerze Lothringens und Luxemburgs. Auch die im Harze (bei Elbingerode) auftretenden Roth-, Braun- und Magneteisenerze sowie die am Fusse des Harzes (Harz- burg, Salzgitter) geförderten oolithischen Erze verdienen als Material für den Betrieb mehrerer Hochofenwerke (Blankenburger Hütte, Mathil- denhütte bei Harzburg sowie einiger mit Holzkohlen betriebener Hoch- öfen) Erwähnung; ferner die Spatheisensteine des Thüringerwaldes (Kamsdorf mit der Maximilianshütte), sowie die Braun-, Roth- und Magneteisenerze des Erzgebirges, welche theils im Erzgebirge selbst (Königin-Marienhütte, Schwarzenberger Hütte), theils auswärts ver- arbeitet werden. Rasenerze der norddeutschen Tiefebene werden theils auf kleineren mit Holzkohlen betriebenen Hochöfen 1) verarbeitet, theils den Beschickungen der rheinischen und westfälischen Hochöfen zuge- setzt; eine noch grössere Menge Rasenerze beziehen die letzteren, be- sonders die am Rhein und der Ruhr gelegenen, aus Holland. Zur Dar- stellung phosphorarmen grauen Roheisens für den Bessemerprocess, beziehentlich auch Spiegeleisens, werden Roth- und Brauneisenerze von Spanien und Algier bezogen (vergl. die Analysen dieser Erze auf S. 164 und 169); Oberschlesien verhüttet zur Darstellung phosphor- armen Weisseisens Spatheisensteine aus Ungarn. Das geschilderte Vorkommen der Erze und Steinkohlen erklärt es, dass vorzugsweise in Nord- und Mitteldeutschland wie in Lothringen die Roheisendarstellung betrieben wird, während in Baiern, Würtemberg und Baden nur vereinzelte Werke dem Hochofenbetriebe obliegen. Die Holz- bestände Deutschlands aber würden, wenn man sie zur Deckung des Brennstoffbedarfs der im Betriebe stehenden Hochöfen verwenden wollte, in kürzester Zeit verbraucht sein; und auch in Deutschland ist daher der Hochofenbetrieb der Jetztzeit nur durch ausgedehnte Verwendung mineralischer Brennstoffe, und zwar der Koks, möglich. Von den im Jahre 1871 erzeugten 2900000 t Roheisen entstammten nur 42000 t dem Betriebe mit Holzkohlen. Wo Erze und Kohlen nicht bei einander liegen, findet man das Hochofenwerk häufiger an der Lagerstätte der Kohlen als an der der Erze, obgleich für die Darstellung einer bestimmten Menge Roheisen eine grössere Gewichtsmenge Erze als Kohlen erforderlich zu sein pflegt und verfrachtet werden muss. Die Gründe hierfür sind die nämlichen, welche schon bei Besprechung der nordamerikanischen Roheisenindustrie erläutert wurden: das Roheisen findet seine hauptsächlichste Verwen- dung da, wo das Vorkommen von Steinkohlenlagern die Grundlage 1) Eine grössere Zahl dieser Holzkohlenhochöfen, welche unmittelbar für die Giesserei arbeiteten, ist allerdings in den letzten Jahren infolge der geänderten Handelsverhältnisse eingegangen; so die Hochöfen zu Lauchhammer, Gröditz, Sterk- rade u. a.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/632
Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 572. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/632>, abgerufen am 29.04.2024.