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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Allgemeines.
Eisen wird. Eine Entsilicirung des Roheisens zu dem oben erörterten
Zwecke nennt man gewöhnlich das Feinen desselben, eine Entphos-
phorung bezeichnet man mitunter als Raffination, ein Ausdruck,
welcher allerdings ebenso gut die Ausscheidung aller übrigen fremden
Körper bedeuten kann. 1)

Das oben und auf S. 283 geschilderte Verhalten des Roheisens
beim Umschmelzen zeigt den Weg, auf dem man zu der Abscheidung
einzelner Bestandtheile gelangen kann. In allen Fällen ist, wenn dieser
Reinigungsprocess nicht auch zum theilweisen Frischprocesse werden
soll, bei welchem Kohlenstoff verbrannt wird, eine Temperatur erforder-
lich, welche die Schmelztemperatur des zu reinigenden Roheisens nicht
sehr erheblich übersteigt. Erhält man nun in einer solchen Temperatur
das Roheisen unter oxydirenden Einwirkungen -- Darüberleiten von
Gebläsewind, Vermischen mit Eisenoxyden, Braunstein oder anderen
oxydirenden Körpern -- längere Zeit flüssig, so werden in jedem Falle
Silicium und Mangan ausgeschieden werden. Das Silicium wird um
so rascher austreten, je mehr Gelegenheit zur Entstehung einer basi-
schen Schlacke gegeben ist, und auch in dieser Beziehung wirkt die
Anwesenheit jener Metalloxyde förderlich, mit deren niedrigeren Oxy-
dationsstufen die entstehende Kieselsäure sich zu Silikaten vereinigen
kann.

Auch eine Abscheidung des Phosphors findet in niedriger Tempe-
ratur vor der Verbrennung des Kohlenstoffs unter oxydirenden Ein-
flüssen statt, sofern eine stark basische Schlacke zur Aufnahme der
entstehenden Phosphorsäure zugegen ist. Die Erfüllung dieser letzteren
Bedingung ist freilich für die Abscheidung des Phosphors unumgäng-
lich. In einem Ofen mit kieselsäurereichem Futter, welches der vor-
handenen Schlacke stets aufs Neue Gelegenheit zur Sättigung mit Kiesel-
säure giebt, ist deshalb eine Entphosphorung des Roheisens unmöglich;
gewöhnlich wird der Phosphorgehalt höher statt niedriger, da andere
Körper an Stelle desselben austreten. Steigt aber die Temperatur eines
Ofens, in welchem nach stattgehabter Entphosphorung die phosphorsäure-
haltige Schlacke noch mit dem Roheisen in Berührung war, so wird um
so leichter eine Reduction der Phosphorsäure und Zurückführung an das
Roheisen durch den Kohlenstoffgehalt desselben bewirkt werden, je
weniger stark basisch die Beschaffenheit jener Schlacke ist.

Eine theilweise Entschweflung des Roheisens lässt sich, wie schon
mehrfach erwähnt wurde, ebenfalls durch Einwirkung einer basischen,
zumal kalkerdereichen, Schlacke herbeiführen, ohne dass jedoch hierbei
eine Oxydationswirkung stattzufinden braucht. Das Sulfid wird einfach
in der Schlacke gelöst.

Vielfach ist von Chemikern Wasserdampf als Reinigungsmittel für
Roheisen von Phosphor und Schwefel vorgeschlagen worden, ohne dass
jedoch die zahlreichen mit der Anwendung desselben bereits angestellten

1) Die mitgetheilten Ausdrücke werden jedoch keineswegs regelmässig in dem
gleichen Sinne gebraucht. Auch unter der Bezeichnung Feinen versteht man häufig
jede Reinigung des Roheisens, sie möge die Abscheidung von Silicium, Phosphor,
Schwefel oder Mangan zum Zwecke haben; und die ursprüngliche Bedeutung des
Wortes bezog sich auch wohl keineswegs allein auf die Entfernung des Siliciums.

Allgemeines.
Eisen wird. Eine Entsilicirung des Roheisens zu dem oben erörterten
Zwecke nennt man gewöhnlich das Feinen desselben, eine Entphos-
phorung bezeichnet man mitunter als Raffination, ein Ausdruck,
welcher allerdings ebenso gut die Ausscheidung aller übrigen fremden
Körper bedeuten kann. 1)

Das oben und auf S. 283 geschilderte Verhalten des Roheisens
beim Umschmelzen zeigt den Weg, auf dem man zu der Abscheidung
einzelner Bestandtheile gelangen kann. In allen Fällen ist, wenn dieser
Reinigungsprocess nicht auch zum theilweisen Frischprocesse werden
soll, bei welchem Kohlenstoff verbrannt wird, eine Temperatur erforder-
lich, welche die Schmelztemperatur des zu reinigenden Roheisens nicht
sehr erheblich übersteigt. Erhält man nun in einer solchen Temperatur
das Roheisen unter oxydirenden Einwirkungen — Darüberleiten von
Gebläsewind, Vermischen mit Eisenoxyden, Braunstein oder anderen
oxydirenden Körpern — längere Zeit flüssig, so werden in jedem Falle
Silicium und Mangan ausgeschieden werden. Das Silicium wird um
so rascher austreten, je mehr Gelegenheit zur Entstehung einer basi-
schen Schlacke gegeben ist, und auch in dieser Beziehung wirkt die
Anwesenheit jener Metalloxyde förderlich, mit deren niedrigeren Oxy-
dationsstufen die entstehende Kieselsäure sich zu Silikaten vereinigen
kann.

Auch eine Abscheidung des Phosphors findet in niedriger Tempe-
ratur vor der Verbrennung des Kohlenstoffs unter oxydirenden Ein-
flüssen statt, sofern eine stark basische Schlacke zur Aufnahme der
entstehenden Phosphorsäure zugegen ist. Die Erfüllung dieser letzteren
Bedingung ist freilich für die Abscheidung des Phosphors unumgäng-
lich. In einem Ofen mit kieselsäurereichem Futter, welches der vor-
handenen Schlacke stets aufs Neue Gelegenheit zur Sättigung mit Kiesel-
säure giebt, ist deshalb eine Entphosphorung des Roheisens unmöglich;
gewöhnlich wird der Phosphorgehalt höher statt niedriger, da andere
Körper an Stelle desselben austreten. Steigt aber die Temperatur eines
Ofens, in welchem nach stattgehabter Entphosphorung die phosphorsäure-
haltige Schlacke noch mit dem Roheisen in Berührung war, so wird um
so leichter eine Reduction der Phosphorsäure und Zurückführung an das
Roheisen durch den Kohlenstoffgehalt desselben bewirkt werden, je
weniger stark basisch die Beschaffenheit jener Schlacke ist.

Eine theilweise Entschweflung des Roheisens lässt sich, wie schon
mehrfach erwähnt wurde, ebenfalls durch Einwirkung einer basischen,
zumal kalkerdereichen, Schlacke herbeiführen, ohne dass jedoch hierbei
eine Oxydationswirkung stattzufinden braucht. Das Sulfid wird einfach
in der Schlacke gelöst.

Vielfach ist von Chemikern Wasserdampf als Reinigungsmittel für
Roheisen von Phosphor und Schwefel vorgeschlagen worden, ohne dass
jedoch die zahlreichen mit der Anwendung desselben bereits angestellten

1) Die mitgetheilten Ausdrücke werden jedoch keineswegs regelmässig in dem
gleichen Sinne gebraucht. Auch unter der Bezeichnung Feinen versteht man häufig
jede Reinigung des Roheisens, sie möge die Abscheidung von Silicium, Phosphor,
Schwefel oder Mangan zum Zwecke haben; und die ursprüngliche Bedeutung des
Wortes bezog sich auch wohl keineswegs allein auf die Entfernung des Siliciums.
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[603/0663] Allgemeines. Eisen wird. Eine Entsilicirung des Roheisens zu dem oben erörterten Zwecke nennt man gewöhnlich das Feinen desselben, eine Entphos- phorung bezeichnet man mitunter als Raffination, ein Ausdruck, welcher allerdings ebenso gut die Ausscheidung aller übrigen fremden Körper bedeuten kann. 1) Das oben und auf S. 283 geschilderte Verhalten des Roheisens beim Umschmelzen zeigt den Weg, auf dem man zu der Abscheidung einzelner Bestandtheile gelangen kann. In allen Fällen ist, wenn dieser Reinigungsprocess nicht auch zum theilweisen Frischprocesse werden soll, bei welchem Kohlenstoff verbrannt wird, eine Temperatur erforder- lich, welche die Schmelztemperatur des zu reinigenden Roheisens nicht sehr erheblich übersteigt. Erhält man nun in einer solchen Temperatur das Roheisen unter oxydirenden Einwirkungen — Darüberleiten von Gebläsewind, Vermischen mit Eisenoxyden, Braunstein oder anderen oxydirenden Körpern — längere Zeit flüssig, so werden in jedem Falle Silicium und Mangan ausgeschieden werden. Das Silicium wird um so rascher austreten, je mehr Gelegenheit zur Entstehung einer basi- schen Schlacke gegeben ist, und auch in dieser Beziehung wirkt die Anwesenheit jener Metalloxyde förderlich, mit deren niedrigeren Oxy- dationsstufen die entstehende Kieselsäure sich zu Silikaten vereinigen kann. Auch eine Abscheidung des Phosphors findet in niedriger Tempe- ratur vor der Verbrennung des Kohlenstoffs unter oxydirenden Ein- flüssen statt, sofern eine stark basische Schlacke zur Aufnahme der entstehenden Phosphorsäure zugegen ist. Die Erfüllung dieser letzteren Bedingung ist freilich für die Abscheidung des Phosphors unumgäng- lich. In einem Ofen mit kieselsäurereichem Futter, welches der vor- handenen Schlacke stets aufs Neue Gelegenheit zur Sättigung mit Kiesel- säure giebt, ist deshalb eine Entphosphorung des Roheisens unmöglich; gewöhnlich wird der Phosphorgehalt höher statt niedriger, da andere Körper an Stelle desselben austreten. Steigt aber die Temperatur eines Ofens, in welchem nach stattgehabter Entphosphorung die phosphorsäure- haltige Schlacke noch mit dem Roheisen in Berührung war, so wird um so leichter eine Reduction der Phosphorsäure und Zurückführung an das Roheisen durch den Kohlenstoffgehalt desselben bewirkt werden, je weniger stark basisch die Beschaffenheit jener Schlacke ist. Eine theilweise Entschweflung des Roheisens lässt sich, wie schon mehrfach erwähnt wurde, ebenfalls durch Einwirkung einer basischen, zumal kalkerdereichen, Schlacke herbeiführen, ohne dass jedoch hierbei eine Oxydationswirkung stattzufinden braucht. Das Sulfid wird einfach in der Schlacke gelöst. Vielfach ist von Chemikern Wasserdampf als Reinigungsmittel für Roheisen von Phosphor und Schwefel vorgeschlagen worden, ohne dass jedoch die zahlreichen mit der Anwendung desselben bereits angestellten 1) Die mitgetheilten Ausdrücke werden jedoch keineswegs regelmässig in dem gleichen Sinne gebraucht. Auch unter der Bezeichnung Feinen versteht man häufig jede Reinigung des Roheisens, sie möge die Abscheidung von Silicium, Phosphor, Schwefel oder Mangan zum Zwecke haben; und die ursprüngliche Bedeutung des Wortes bezog sich auch wohl keineswegs allein auf die Entfernung des Siliciums.

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 603. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/663>, abgerufen am 07.05.2024.