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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Das Gefüge.
schmiedbaren Eisens abzugeben, wenn nicht auch die vorausgegangene
Bearbeitung in Rücksicht gezogen wird. Gegossenes Eisen hat in allen
Fällen ein anderes, weniger feinkörniges und weniger gleichmässiges
Bruchaussehen als geschmiedetes oder gewalztes; und jenes ausser-
ordentlich feinkörnige, gleichmässige, sammetartig aussehende Gefüge
der harten Stahlsorten entsteht nur unter dem Einflusse einer lange
fortgesetzten Bearbeitung.

Sehnenbildung im schmiedbaren Eisen. Wenn man einen
Stab schmiedbaren Eisens rings herum einfeilt, und wenn man dann
durch einen scharfen kurzen Schlag an dieser Stelle einen Bruch her-
beiführt, so wird in fast allen Fällen die Bruchfläche ein mehr oder
minder gleichmässiges körniges Gefüge zeigen.

Wird aber jener Stab nur an der einen Seite mit einem, durch
Einhauen mit dem Meissel hervorgebrachten Einschnitte versehen und
man ruft nunmehr den Bruch durch ganz allmähliches Umbiegen des
Stabes nach der jenem Einschnitte entgegengesetzten Seite hervor (so
dass sich der Einschnitt auf der convexen Seite befindet), so wird,
sofern das Eisen Zähigkeit genug besitzt, um ein starkes Umbiegen
vor dem Bruche zu ertragen, bei gewissen Eisensorten, insbesondere
beim kohlenstoffarmen Schweisseisen, ein Gefüge sichtbar werden, welches
durch zahlreiche neben einander liegende Fasern oder Sehnen gebildet
zu sein scheint und welches man demnach als sehniges Gefüge zu be-
zeichnen pflegt.

In allen Fällen liegen diese Sehnen in derjenigen Richtung, in
welcher bei der Formgebung des Eisens die letzte Streckung stattfand,
also bei einem Stabe in der Längenrichtung desselben. Ihre Entstehung
ist eine Folge der Verschiebungen, welche die einzelnen Krystalle bei
der Streckung in einer Temperatur erlitten, welche bereits tiefer als
diejenige lag, bei welcher eine völlige, dem Schmelzen vorausgehende
Erweichung eintritt.

Diese Verschiebungen finden zunächst in der Weise statt, dass Kry-
stalle, welche vor dem Strecken über einander lagen, schräge Stellung
gegen einander erhalten (vergl. unten Fig. 182); solcherart bilden sich
in der Richtung der Streckung Fasern aus zusammenhängenden Kry-
stallen, die mit den Nachbarfasern einen nur geringeren Zusammen-
hang besitzen, und es ist daher die Festigkeit sehnigen Eisens in der
Querrichtung merklich geringer als in der Richtung der Fasern.

Durch jene Biegung des erkalteten Eisens zum Zwecke des Ab-
brechens wird nun eine fernere Verschiebung der Fasern über ein-
ander herbeigeführt, und die Fasern selbst werden erst hierdurch dem
Auge blossgelegt. Bricht man den Stab dagegen, ohne ihn zu biegen,
kurz ab, wie oben zuerst beschrieben wurde, so gewahrt man auf der
rechtwinklig gegen die Faserrichtung stehenden Bruchfläche eben nur
die äusseren Begrenzungsflächen der neben einander liegenden Krystalle,
also ein körniges Gefüge oder höchstens an einigen Stellen eine An-
deutung des sehnigen. Eisen, welches überhaupt eine derartige starke
Biegung nicht erträgt, sondern kurz abbricht, zeigt deshalb niemals
sehniges Gefüge; hierher gehört alles phosphorreiche und deshalb kalt-
brüchige Eisen sowie auch die kohlenstoffreicheren Eisensorten.

Bei letzteren wird die Sehnebildung auch jedenfalls durch den

Das Gefüge.
schmiedbaren Eisens abzugeben, wenn nicht auch die vorausgegangene
Bearbeitung in Rücksicht gezogen wird. Gegossenes Eisen hat in allen
Fällen ein anderes, weniger feinkörniges und weniger gleichmässiges
Bruchaussehen als geschmiedetes oder gewalztes; und jenes ausser-
ordentlich feinkörnige, gleichmässige, sammetartig aussehende Gefüge
der harten Stahlsorten entsteht nur unter dem Einflusse einer lange
fortgesetzten Bearbeitung.

Sehnenbildung im schmiedbaren Eisen. Wenn man einen
Stab schmiedbaren Eisens rings herum einfeilt, und wenn man dann
durch einen scharfen kurzen Schlag an dieser Stelle einen Bruch her-
beiführt, so wird in fast allen Fällen die Bruchfläche ein mehr oder
minder gleichmässiges körniges Gefüge zeigen.

Wird aber jener Stab nur an der einen Seite mit einem, durch
Einhauen mit dem Meissel hervorgebrachten Einschnitte versehen und
man ruft nunmehr den Bruch durch ganz allmähliches Umbiegen des
Stabes nach der jenem Einschnitte entgegengesetzten Seite hervor (so
dass sich der Einschnitt auf der convexen Seite befindet), so wird,
sofern das Eisen Zähigkeit genug besitzt, um ein starkes Umbiegen
vor dem Bruche zu ertragen, bei gewissen Eisensorten, insbesondere
beim kohlenstoffarmen Schweisseisen, ein Gefüge sichtbar werden, welches
durch zahlreiche neben einander liegende Fasern oder Sehnen gebildet
zu sein scheint und welches man demnach als sehniges Gefüge zu be-
zeichnen pflegt.

In allen Fällen liegen diese Sehnen in derjenigen Richtung, in
welcher bei der Formgebung des Eisens die letzte Streckung stattfand,
also bei einem Stabe in der Längenrichtung desselben. Ihre Entstehung
ist eine Folge der Verschiebungen, welche die einzelnen Krystalle bei
der Streckung in einer Temperatur erlitten, welche bereits tiefer als
diejenige lag, bei welcher eine völlige, dem Schmelzen vorausgehende
Erweichung eintritt.

Diese Verschiebungen finden zunächst in der Weise statt, dass Kry-
stalle, welche vor dem Strecken über einander lagen, schräge Stellung
gegen einander erhalten (vergl. unten Fig. 182); solcherart bilden sich
in der Richtung der Streckung Fasern aus zusammenhängenden Kry-
stallen, die mit den Nachbarfasern einen nur geringeren Zusammen-
hang besitzen, und es ist daher die Festigkeit sehnigen Eisens in der
Querrichtung merklich geringer als in der Richtung der Fasern.

Durch jene Biegung des erkalteten Eisens zum Zwecke des Ab-
brechens wird nun eine fernere Verschiebung der Fasern über ein-
ander herbeigeführt, und die Fasern selbst werden erst hierdurch dem
Auge blossgelegt. Bricht man den Stab dagegen, ohne ihn zu biegen,
kurz ab, wie oben zuerst beschrieben wurde, so gewahrt man auf der
rechtwinklig gegen die Faserrichtung stehenden Bruchfläche eben nur
die äusseren Begrenzungsflächen der neben einander liegenden Krystalle,
also ein körniges Gefüge oder höchstens an einigen Stellen eine An-
deutung des sehnigen. Eisen, welches überhaupt eine derartige starke
Biegung nicht erträgt, sondern kurz abbricht, zeigt deshalb niemals
sehniges Gefüge; hierher gehört alles phosphorreiche und deshalb kalt-
brüchige Eisen sowie auch die kohlenstoffreicheren Eisensorten.

Bei letzteren wird die Sehnebildung auch jedenfalls durch den

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[643/0711] Das Gefüge. schmiedbaren Eisens abzugeben, wenn nicht auch die vorausgegangene Bearbeitung in Rücksicht gezogen wird. Gegossenes Eisen hat in allen Fällen ein anderes, weniger feinkörniges und weniger gleichmässiges Bruchaussehen als geschmiedetes oder gewalztes; und jenes ausser- ordentlich feinkörnige, gleichmässige, sammetartig aussehende Gefüge der harten Stahlsorten entsteht nur unter dem Einflusse einer lange fortgesetzten Bearbeitung. Sehnenbildung im schmiedbaren Eisen. Wenn man einen Stab schmiedbaren Eisens rings herum einfeilt, und wenn man dann durch einen scharfen kurzen Schlag an dieser Stelle einen Bruch her- beiführt, so wird in fast allen Fällen die Bruchfläche ein mehr oder minder gleichmässiges körniges Gefüge zeigen. Wird aber jener Stab nur an der einen Seite mit einem, durch Einhauen mit dem Meissel hervorgebrachten Einschnitte versehen und man ruft nunmehr den Bruch durch ganz allmähliches Umbiegen des Stabes nach der jenem Einschnitte entgegengesetzten Seite hervor (so dass sich der Einschnitt auf der convexen Seite befindet), so wird, sofern das Eisen Zähigkeit genug besitzt, um ein starkes Umbiegen vor dem Bruche zu ertragen, bei gewissen Eisensorten, insbesondere beim kohlenstoffarmen Schweisseisen, ein Gefüge sichtbar werden, welches durch zahlreiche neben einander liegende Fasern oder Sehnen gebildet zu sein scheint und welches man demnach als sehniges Gefüge zu be- zeichnen pflegt. In allen Fällen liegen diese Sehnen in derjenigen Richtung, in welcher bei der Formgebung des Eisens die letzte Streckung stattfand, also bei einem Stabe in der Längenrichtung desselben. Ihre Entstehung ist eine Folge der Verschiebungen, welche die einzelnen Krystalle bei der Streckung in einer Temperatur erlitten, welche bereits tiefer als diejenige lag, bei welcher eine völlige, dem Schmelzen vorausgehende Erweichung eintritt. Diese Verschiebungen finden zunächst in der Weise statt, dass Kry- stalle, welche vor dem Strecken über einander lagen, schräge Stellung gegen einander erhalten (vergl. unten Fig. 182); solcherart bilden sich in der Richtung der Streckung Fasern aus zusammenhängenden Kry- stallen, die mit den Nachbarfasern einen nur geringeren Zusammen- hang besitzen, und es ist daher die Festigkeit sehnigen Eisens in der Querrichtung merklich geringer als in der Richtung der Fasern. Durch jene Biegung des erkalteten Eisens zum Zwecke des Ab- brechens wird nun eine fernere Verschiebung der Fasern über ein- ander herbeigeführt, und die Fasern selbst werden erst hierdurch dem Auge blossgelegt. Bricht man den Stab dagegen, ohne ihn zu biegen, kurz ab, wie oben zuerst beschrieben wurde, so gewahrt man auf der rechtwinklig gegen die Faserrichtung stehenden Bruchfläche eben nur die äusseren Begrenzungsflächen der neben einander liegenden Krystalle, also ein körniges Gefüge oder höchstens an einigen Stellen eine An- deutung des sehnigen. Eisen, welches überhaupt eine derartige starke Biegung nicht erträgt, sondern kurz abbricht, zeigt deshalb niemals sehniges Gefüge; hierher gehört alles phosphorreiche und deshalb kalt- brüchige Eisen sowie auch die kohlenstoffreicheren Eisensorten. Bei letzteren wird die Sehnebildung auch jedenfalls durch den

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 643. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/711>, abgerufen am 06.05.2024.