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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Die Walzwerke.
heisst das Walzwerk Triowalzwerk oder Walzentrio mit Ober-
walze, Mittelwalze und Unterwalze. Ein Triowalzwerk ermöglicht, wie
leicht zu erkennen ist, eine grössere Beschleunigung der Arbeit als ein
Duowalzwerk und seine Anwendung ist deshalb vorzugsweise zweck-
mässig beim Walzen von Gegenständen mit dünneren
Querschnitten, welche rascher erkalten; aber die Ab-
nutzung der drei Walzen ist ungleich, da die Mittel-
walze doppelt so oft als die anderen beiden in An-
spruch genommen wird.

Gewöhnlich erfolgt die Bewegung der Walzen
durch in einander greifende Getriebe, deren Wellen
mit den Zapfen der Walzen gekuppelt sind und von
welchen eins seinen Antrieb von der Betriebsmaschine
(Wasserrad, Dampfmaschine) aus erhält; in einzelnen
besonderen Fällen jedoch treibt man unter Weg-
lassung der Getriebe nur die eine Walze an und
lässt die zweite, beziehentlich die zweite und dritte
nur durch die Reibung des von der ersten Walze
mitgenommenen Arbeitsstückes in Drehung ver-
setzen. Solche Walzen ohne äusseren Antrieb heissen
Schleppwalzen.

[Abbildung] Fig. 180.

Sollen plattenförmige Körper (Bleche) gewalzt werden, so ist die
Oberfläche der Walzen glatt; sollen dagegen stabförmige Körper von
bestimmter Querschnittsform hergestellt werden, so ist die Oberfläche
mit ringförmig herumlaufenden Profilbegrenzungen bedeckt, welche
das hindurchgehende Walzstück einschliessen und Kaliber genannt
werden. Sie vertreten gewissermaassen die Stelle des Gesenkes beim
Schmieden, der Gussform beim Giessen. Auf der einzelnen Walze
erscheinen sie theils als Einschnitte oder Furchen, theils als Ringe,
welche in die Furche der zweiten Walze eingreifen (vergl. unten
Fig. 183 auf S. 701). Natürlicherweise müssen die Kaliber der zu ein-
ander gehörenden Walzen genau einander ergänzen, zu einander passen.

Der Vorgang beim Walzen besitzt eine gewisse Aehnlichkeit mit
dem oben geschilderten Vorgange des Streckens unter dem Hammer.
Die Unterwalze vertritt beim Walzen die Stelle des Amboses, die Ober-
walze diejenige des Hammers; in beiden Fällen, beim Strecken durch
Hämmern wie beim Walzen beruht die Streckung vornehmlich auf
dem Umstande, dass das quer über das ganze Arbeitsstück hinüber-
gehende Werkzeug (der Hammer in dem einen, die Walze in dem
zweiten Falle) an der Berührungsstelle einen Eindruck, eine Quer-
schnittsverdünnung erzeugt, welche eben die Ursache der normal gegen
die Richtung des entstandenen Eindruckes stattfindenden Verlängerung
des Arbeitsstückes ist.

Beim Hämmern aber muss das Arbeitsstück nach jedem stattgehabten
Schlage weitergeschoben werden, der Hammer muss emporgehoben
werden und wieder niederfallen, damit ein neuer Schlag erfolge; bei
dem Walzen bewirken die Walzen selbstthätig ununterbrochen den
Vorschub des Arbeitsstückes, und der Zeitverlust für das Anheben und
Niederfallen des Hammers kommt in Wegfall. Aus diesem Grunde ist
die Leistungsfähigkeit eines Walzwerkes beim Strecken eine ungleich

Ledebur, Handbuch. 45

Die Walzwerke.
heisst das Walzwerk Triowalzwerk oder Walzentrio mit Ober-
walze, Mittelwalze und Unterwalze. Ein Triowalzwerk ermöglicht, wie
leicht zu erkennen ist, eine grössere Beschleunigung der Arbeit als ein
Duowalzwerk und seine Anwendung ist deshalb vorzugsweise zweck-
mässig beim Walzen von Gegenständen mit dünneren
Querschnitten, welche rascher erkalten; aber die Ab-
nutzung der drei Walzen ist ungleich, da die Mittel-
walze doppelt so oft als die anderen beiden in An-
spruch genommen wird.

Gewöhnlich erfolgt die Bewegung der Walzen
durch in einander greifende Getriebe, deren Wellen
mit den Zapfen der Walzen gekuppelt sind und von
welchen eins seinen Antrieb von der Betriebsmaschine
(Wasserrad, Dampfmaschine) aus erhält; in einzelnen
besonderen Fällen jedoch treibt man unter Weg-
lassung der Getriebe nur die eine Walze an und
lässt die zweite, beziehentlich die zweite und dritte
nur durch die Reibung des von der ersten Walze
mitgenommenen Arbeitsstückes in Drehung ver-
setzen. Solche Walzen ohne äusseren Antrieb heissen
Schleppwalzen.

[Abbildung] Fig. 180.

Sollen plattenförmige Körper (Bleche) gewalzt werden, so ist die
Oberfläche der Walzen glatt; sollen dagegen stabförmige Körper von
bestimmter Querschnittsform hergestellt werden, so ist die Oberfläche
mit ringförmig herumlaufenden Profilbegrenzungen bedeckt, welche
das hindurchgehende Walzstück einschliessen und Kaliber genannt
werden. Sie vertreten gewissermaassen die Stelle des Gesenkes beim
Schmieden, der Gussform beim Giessen. Auf der einzelnen Walze
erscheinen sie theils als Einschnitte oder Furchen, theils als Ringe,
welche in die Furche der zweiten Walze eingreifen (vergl. unten
Fig. 183 auf S. 701). Natürlicherweise müssen die Kaliber der zu ein-
ander gehörenden Walzen genau einander ergänzen, zu einander passen.

Der Vorgang beim Walzen besitzt eine gewisse Aehnlichkeit mit
dem oben geschilderten Vorgange des Streckens unter dem Hammer.
Die Unterwalze vertritt beim Walzen die Stelle des Amboses, die Ober-
walze diejenige des Hammers; in beiden Fällen, beim Strecken durch
Hämmern wie beim Walzen beruht die Streckung vornehmlich auf
dem Umstande, dass das quer über das ganze Arbeitsstück hinüber-
gehende Werkzeug (der Hammer in dem einen, die Walze in dem
zweiten Falle) an der Berührungsstelle einen Eindruck, eine Quer-
schnittsverdünnung erzeugt, welche eben die Ursache der normal gegen
die Richtung des entstandenen Eindruckes stattfindenden Verlängerung
des Arbeitsstückes ist.

Beim Hämmern aber muss das Arbeitsstück nach jedem stattgehabten
Schlage weitergeschoben werden, der Hammer muss emporgehoben
werden und wieder niederfallen, damit ein neuer Schlag erfolge; bei
dem Walzen bewirken die Walzen selbstthätig ununterbrochen den
Vorschub des Arbeitsstückes, und der Zeitverlust für das Anheben und
Niederfallen des Hammers kommt in Wegfall. Aus diesem Grunde ist
die Leistungsfähigkeit eines Walzwerkes beim Strecken eine ungleich

Ledebur, Handbuch. 45
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[697/0767] Die Walzwerke. heisst das Walzwerk Triowalzwerk oder Walzentrio mit Ober- walze, Mittelwalze und Unterwalze. Ein Triowalzwerk ermöglicht, wie leicht zu erkennen ist, eine grössere Beschleunigung der Arbeit als ein Duowalzwerk und seine Anwendung ist deshalb vorzugsweise zweck- mässig beim Walzen von Gegenständen mit dünneren Querschnitten, welche rascher erkalten; aber die Ab- nutzung der drei Walzen ist ungleich, da die Mittel- walze doppelt so oft als die anderen beiden in An- spruch genommen wird. Gewöhnlich erfolgt die Bewegung der Walzen durch in einander greifende Getriebe, deren Wellen mit den Zapfen der Walzen gekuppelt sind und von welchen eins seinen Antrieb von der Betriebsmaschine (Wasserrad, Dampfmaschine) aus erhält; in einzelnen besonderen Fällen jedoch treibt man unter Weg- lassung der Getriebe nur die eine Walze an und lässt die zweite, beziehentlich die zweite und dritte nur durch die Reibung des von der ersten Walze mitgenommenen Arbeitsstückes in Drehung ver- setzen. Solche Walzen ohne äusseren Antrieb heissen Schleppwalzen. [Abbildung Fig. 180.] Sollen plattenförmige Körper (Bleche) gewalzt werden, so ist die Oberfläche der Walzen glatt; sollen dagegen stabförmige Körper von bestimmter Querschnittsform hergestellt werden, so ist die Oberfläche mit ringförmig herumlaufenden Profilbegrenzungen bedeckt, welche das hindurchgehende Walzstück einschliessen und Kaliber genannt werden. Sie vertreten gewissermaassen die Stelle des Gesenkes beim Schmieden, der Gussform beim Giessen. Auf der einzelnen Walze erscheinen sie theils als Einschnitte oder Furchen, theils als Ringe, welche in die Furche der zweiten Walze eingreifen (vergl. unten Fig. 183 auf S. 701). Natürlicherweise müssen die Kaliber der zu ein- ander gehörenden Walzen genau einander ergänzen, zu einander passen. Der Vorgang beim Walzen besitzt eine gewisse Aehnlichkeit mit dem oben geschilderten Vorgange des Streckens unter dem Hammer. Die Unterwalze vertritt beim Walzen die Stelle des Amboses, die Ober- walze diejenige des Hammers; in beiden Fällen, beim Strecken durch Hämmern wie beim Walzen beruht die Streckung vornehmlich auf dem Umstande, dass das quer über das ganze Arbeitsstück hinüber- gehende Werkzeug (der Hammer in dem einen, die Walze in dem zweiten Falle) an der Berührungsstelle einen Eindruck, eine Quer- schnittsverdünnung erzeugt, welche eben die Ursache der normal gegen die Richtung des entstandenen Eindruckes stattfindenden Verlängerung des Arbeitsstückes ist. Beim Hämmern aber muss das Arbeitsstück nach jedem stattgehabten Schlage weitergeschoben werden, der Hammer muss emporgehoben werden und wieder niederfallen, damit ein neuer Schlag erfolge; bei dem Walzen bewirken die Walzen selbstthätig ununterbrochen den Vorschub des Arbeitsstückes, und der Zeitverlust für das Anheben und Niederfallen des Hammers kommt in Wegfall. Aus diesem Grunde ist die Leistungsfähigkeit eines Walzwerkes beim Strecken eine ungleich Ledebur, Handbuch. 45

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 697. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/767>, abgerufen am 27.04.2024.