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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Kehrwalzwerke.
um es auf die andere Seite des Walzwerkes zurückzugeben, lässt sich
vermeiden, wenn man den Walzen, sobald das Walzstück dieselben
verlassen hat, eine entgegengesetzte Drehung ertheilt, so dass nun-
mehr auch das Walzstück in umgekehrter Richtung als zuvor zwischen
ihnen hindurchgeführt werden kann. Derartige Walzwerke mit abwech-
selnder Bewegungsrichtung heissen Kehr- oder Reversirwalzwerke.

Diese Kehrwalzwerke vermeiden zugleich den Nachtheil des mit
dem leeren Rückgange bei Duowalzwerken verknüpften Zeitverlustes,
sowie der ungleichen Abnutzung der Walzen bei Triowalzwerken. Sie
würden dieser Vortheile halber ungleich häufiger in Anwendung sein
als es der Fall ist, wenn nicht mit der Umkehr der Bewegung auch
ein erhöhter Arbeitsverbrauch verknüpft wäre. In den sich drehenden
Theilen des Walzwerkes ist eine beträchtliche lebendige Kraft ent-
halten, welche bei dem plötzlichen Stillstande vernichtet und bei dem
Beginne der entgegengesetzten Drehung von Neuem erzeugt werden
muss. Eine Umsteuerung des Schwungrades aber würde der eigent-
lichen Bestimmung desselben geradezu widersprechen; ohne sehr lange
Pausen zwischen den einzelnen Durchgängen würde dieselbe überhaupt
unausführbar sein.

Nun lässt sich allerdings eine Einrichtung treffen, welche eine
Umsteuerung des Walzwerkes ermöglicht, ohne dass auch das Schwungrad
seine Bewegung ändert. Die Skizze Fig. 202 auf S. 722 lässt den Grundsatz
einer solchen Anordnung erkennen. Auf der rechts sichtbaren Schwung-
radwelle sitzt das kleine Getriebe B im Eingriffe mit dem grösseren C.
Von hier aus kann nun die Bewegung in zweierlei Weise auf die
Triebwelle des Walzwerkes fortgepflanzt werden; erstens mit einmaliger
Uebersetzung vermittelst des mit C im Eingriffe stehenden Rades E;
zweitens mit zweimaliger Uebersetzung durch die Räder G H J. Offen-
bar laufen die beiden Räder E und J in entgegengesetzter Richtung;
und so wird die Welle F in verschiedener Richtung sich drehen, je
nachdem die Bewegungsübertragung durch das eine oder andere dieser
Räder erfolgt. Damit die entgegengesetzte Drehung der genannten
Räder überhaupt möglich sei, müssen sie lose auf ihrer Welle sitzen
und es kommt also darauf an, abwechselnd das eine und das andere
so mit der Welle zu kuppeln, dass dieselbe nunmehr die Bewegung
des Rades annimmt, während das zweite Rad unverändert in seiner
Drehungsrichtung beharrt. Zu diesem Zwecke sind Klauen K K an
den Naben beider Räder angegossen und zwischen denselben sitzt, auf
der Welle durch Nuth und Feder verschiebbar befestigt, die Klauen-
muffe L, welche vermittelst eines langen Hebels M sowohl nach links
als rechts verschoben und hierdurch mit einer der beiden Klauen K in
Eingriff gebracht werden kann. Da die Triebwelle F mit der Muffe L
durch eine Feder verbunden ist, also auch jede Drehung derselben
mitmachen muss, so wird sie sofort in der Richtung des betreffenden
Rades sich drehen, sobald Einrückung erfolgt ist; beim Ausrücken
tritt Stillstand ein, beim Einrücken in das zweite Rad entgegengesetzte
Drehung.

Durch eine derartige Umsteuerungsvorrichtung würde also der Haupt-
nachtheil aller Kehrwalzwerke, der Verlust an geleisteter mechanischer
Arbeit, auf ein geringes Maass beschränkt werden; der praktischen

Kehrwalzwerke.
um es auf die andere Seite des Walzwerkes zurückzugeben, lässt sich
vermeiden, wenn man den Walzen, sobald das Walzstück dieselben
verlassen hat, eine entgegengesetzte Drehung ertheilt, so dass nun-
mehr auch das Walzstück in umgekehrter Richtung als zuvor zwischen
ihnen hindurchgeführt werden kann. Derartige Walzwerke mit abwech-
selnder Bewegungsrichtung heissen Kehr- oder Reversirwalzwerke.

Diese Kehrwalzwerke vermeiden zugleich den Nachtheil des mit
dem leeren Rückgange bei Duowalzwerken verknüpften Zeitverlustes,
sowie der ungleichen Abnutzung der Walzen bei Triowalzwerken. Sie
würden dieser Vortheile halber ungleich häufiger in Anwendung sein
als es der Fall ist, wenn nicht mit der Umkehr der Bewegung auch
ein erhöhter Arbeitsverbrauch verknüpft wäre. In den sich drehenden
Theilen des Walzwerkes ist eine beträchtliche lebendige Kraft ent-
halten, welche bei dem plötzlichen Stillstande vernichtet und bei dem
Beginne der entgegengesetzten Drehung von Neuem erzeugt werden
muss. Eine Umsteuerung des Schwungrades aber würde der eigent-
lichen Bestimmung desselben geradezu widersprechen; ohne sehr lange
Pausen zwischen den einzelnen Durchgängen würde dieselbe überhaupt
unausführbar sein.

Nun lässt sich allerdings eine Einrichtung treffen, welche eine
Umsteuerung des Walzwerkes ermöglicht, ohne dass auch das Schwungrad
seine Bewegung ändert. Die Skizze Fig. 202 auf S. 722 lässt den Grundsatz
einer solchen Anordnung erkennen. Auf der rechts sichtbaren Schwung-
radwelle sitzt das kleine Getriebe B im Eingriffe mit dem grösseren C.
Von hier aus kann nun die Bewegung in zweierlei Weise auf die
Triebwelle des Walzwerkes fortgepflanzt werden; erstens mit einmaliger
Uebersetzung vermittelst des mit C im Eingriffe stehenden Rades E;
zweitens mit zweimaliger Uebersetzung durch die Räder G H J. Offen-
bar laufen die beiden Räder E und J in entgegengesetzter Richtung;
und so wird die Welle F in verschiedener Richtung sich drehen, je
nachdem die Bewegungsübertragung durch das eine oder andere dieser
Räder erfolgt. Damit die entgegengesetzte Drehung der genannten
Räder überhaupt möglich sei, müssen sie lose auf ihrer Welle sitzen
und es kommt also darauf an, abwechselnd das eine und das andere
so mit der Welle zu kuppeln, dass dieselbe nunmehr die Bewegung
des Rades annimmt, während das zweite Rad unverändert in seiner
Drehungsrichtung beharrt. Zu diesem Zwecke sind Klauen K K an
den Naben beider Räder angegossen und zwischen denselben sitzt, auf
der Welle durch Nuth und Feder verschiebbar befestigt, die Klauen-
muffe L, welche vermittelst eines langen Hebels M sowohl nach links
als rechts verschoben und hierdurch mit einer der beiden Klauen K in
Eingriff gebracht werden kann. Da die Triebwelle F mit der Muffe L
durch eine Feder verbunden ist, also auch jede Drehung derselben
mitmachen muss, so wird sie sofort in der Richtung des betreffenden
Rades sich drehen, sobald Einrückung erfolgt ist; beim Ausrücken
tritt Stillstand ein, beim Einrücken in das zweite Rad entgegengesetzte
Drehung.

Durch eine derartige Umsteuerungsvorrichtung würde also der Haupt-
nachtheil aller Kehrwalzwerke, der Verlust an geleisteter mechanischer
Arbeit, auf ein geringes Maass beschränkt werden; der praktischen

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[721/0791] Kehrwalzwerke. um es auf die andere Seite des Walzwerkes zurückzugeben, lässt sich vermeiden, wenn man den Walzen, sobald das Walzstück dieselben verlassen hat, eine entgegengesetzte Drehung ertheilt, so dass nun- mehr auch das Walzstück in umgekehrter Richtung als zuvor zwischen ihnen hindurchgeführt werden kann. Derartige Walzwerke mit abwech- selnder Bewegungsrichtung heissen Kehr- oder Reversirwalzwerke. Diese Kehrwalzwerke vermeiden zugleich den Nachtheil des mit dem leeren Rückgange bei Duowalzwerken verknüpften Zeitverlustes, sowie der ungleichen Abnutzung der Walzen bei Triowalzwerken. Sie würden dieser Vortheile halber ungleich häufiger in Anwendung sein als es der Fall ist, wenn nicht mit der Umkehr der Bewegung auch ein erhöhter Arbeitsverbrauch verknüpft wäre. In den sich drehenden Theilen des Walzwerkes ist eine beträchtliche lebendige Kraft ent- halten, welche bei dem plötzlichen Stillstande vernichtet und bei dem Beginne der entgegengesetzten Drehung von Neuem erzeugt werden muss. Eine Umsteuerung des Schwungrades aber würde der eigent- lichen Bestimmung desselben geradezu widersprechen; ohne sehr lange Pausen zwischen den einzelnen Durchgängen würde dieselbe überhaupt unausführbar sein. Nun lässt sich allerdings eine Einrichtung treffen, welche eine Umsteuerung des Walzwerkes ermöglicht, ohne dass auch das Schwungrad seine Bewegung ändert. Die Skizze Fig. 202 auf S. 722 lässt den Grundsatz einer solchen Anordnung erkennen. Auf der rechts sichtbaren Schwung- radwelle sitzt das kleine Getriebe B im Eingriffe mit dem grösseren C. Von hier aus kann nun die Bewegung in zweierlei Weise auf die Triebwelle des Walzwerkes fortgepflanzt werden; erstens mit einmaliger Uebersetzung vermittelst des mit C im Eingriffe stehenden Rades E; zweitens mit zweimaliger Uebersetzung durch die Räder G H J. Offen- bar laufen die beiden Räder E und J in entgegengesetzter Richtung; und so wird die Welle F in verschiedener Richtung sich drehen, je nachdem die Bewegungsübertragung durch das eine oder andere dieser Räder erfolgt. Damit die entgegengesetzte Drehung der genannten Räder überhaupt möglich sei, müssen sie lose auf ihrer Welle sitzen und es kommt also darauf an, abwechselnd das eine und das andere so mit der Welle zu kuppeln, dass dieselbe nunmehr die Bewegung des Rades annimmt, während das zweite Rad unverändert in seiner Drehungsrichtung beharrt. Zu diesem Zwecke sind Klauen K K an den Naben beider Räder angegossen und zwischen denselben sitzt, auf der Welle durch Nuth und Feder verschiebbar befestigt, die Klauen- muffe L, welche vermittelst eines langen Hebels M sowohl nach links als rechts verschoben und hierdurch mit einer der beiden Klauen K in Eingriff gebracht werden kann. Da die Triebwelle F mit der Muffe L durch eine Feder verbunden ist, also auch jede Drehung derselben mitmachen muss, so wird sie sofort in der Richtung des betreffenden Rades sich drehen, sobald Einrückung erfolgt ist; beim Ausrücken tritt Stillstand ein, beim Einrücken in das zweite Rad entgegengesetzte Drehung. Durch eine derartige Umsteuerungsvorrichtung würde also der Haupt- nachtheil aller Kehrwalzwerke, der Verlust an geleisteter mechanischer Arbeit, auf ein geringes Maass beschränkt werden; der praktischen

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 721. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/791>, abgerufen am 28.04.2024.