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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Die Darstellung des Schweisseisens.
Ueberresten alter Eisenhütten schliessen. Die Beschränktheit der frühe-
ren Hilfsmittel erklärt es leicht, dass die Methoden der früheren Zeit
auch in verschiedenen Ländern im Wesentlichen einander sehr ähn-
lich sind; und auch heutigen Tages noch werden in entlegenen Gegen-
den Methoden der Eisendarstellung angetroffen, welche offenbar aus
uralter Zeit fast unverändert fortgepflanzt sind und daher ziemlich genau
mit jenen im Alterthume gebräuchlichen Methoden übereinstimmen
dürften.

Kleine Schachtöfen, aus Lehm oder Steinen erbaut, deren Höhe
mitunter nicht über 0.5 m hinausgeht, dienten im Alterthume 1) und
dienen noch heute in jenen Gegenden als Apparate für die Eisendar-
stellung. Mitunter -- und in ältester Zeit wohl regelmässig -- musste
natürlicher Luftzug die Verbrennung unterhalten, und man stellte in
diesem Falle den Ofen gern an dem Abhange oder auf der Spitze eines
Berges auf, wo noch heute die Schlackenhalden jenes alten Betriebes
gefunden werden; später gelangten einfache Gebläse zur Anwendung,
welche den Wind durch eine in einiger Höhe über dem Boden an-
gebrachte Formöffnung einführten. Eine Oeffnung an der tiefsten Stelle
diente zum Ablassen der Schlacke. Das Erz wurde mit Holzkohlen
niedergeschmolzen. In der niedrigen Temperatur dieser Oefen entstand
eine eisenreiche Schlacke und ein mit Schlacke durchsetzter Eisen-
klumpen, welcher entweder, wenn der Ofen niedrig genug war, aus
der Gicht, oder durch eine besondere im unteren Theile befindliche
und während des Schmelzens verschlossen gehaltene Oeffnung heraus-
geholt wurde, um dann ausgeschmiedet zu werden. Solche Schacht-
öfen zur Darstellung schmiedbaren Eisens aus Erzen nennt man
Stücköfen, der erfolgende Eisenklumpen heisst das Stück, der
Deul oder die Luppe.

In jener einfachen Weise der alten Zeit wird noch jetzt in Central-
indien, in Südafrika und in anderen Gegenden der Erde die Eisendar-
stellung betrieben. C. v. Schwarz, Ingenieur in Gwalior in Central-
indien, beschreibt das dort übliche Verfahren folgendermaassen. 2) Der
Ofen ist aus Lehm hergestellt, 0.3 m im Quadrate weit, 1 m hoch. Die
Form, welche aus Lehm gebrannt ist, liegt 0.25 m über dem Boden
und hat 23 mm Durchmesser. Das Gebläse besteht aus zwei Ziegen-
bälgen; das Schwanzende derselben ist aufgeschnitten und in die ent-
standenen Lappen sind zwei Bambusstäbe eingenäht, welche am einen
Ende fest, am andern lose mit einander verbunden sind, so dass sie
federn und einen offenen konischen Schlitz bilden, durch welchen Luft
eintreten kann, wenn der Balg aufgezogen wird, während beim Zu-
sammendrücken des Balges der Schlitz sich schliesst und die Luft
gezwungen wird, durch die aus Bambusrohr gebildete Düse auszutreten,
welche im Kopfende des Balges durch Schnüre befestigt ist. Das Auf-
ziehen des Balges geschieht durch Lederriemen mit der Hand oder auch

1) Ein aus der Römerzeit stammender derartiger Ofen, welcher zu Arles im
vorigen Jahrhunderte aufgefunden wurde, hatte die Form einer umgekehrten Glocke
von 3 m Höhe, oben 2.5 m Durchmesser; Oefen in Kärnten, in deren einer Schlacken-
halde eine Münze des Königs Nerva gefunden wurde, hatten 1 m Durchmesser und
13/4--2 m Höhe.
2) Vergl. Literatur.

Die Darstellung des Schweisseisens.
Ueberresten alter Eisenhütten schliessen. Die Beschränktheit der frühe-
ren Hilfsmittel erklärt es leicht, dass die Methoden der früheren Zeit
auch in verschiedenen Ländern im Wesentlichen einander sehr ähn-
lich sind; und auch heutigen Tages noch werden in entlegenen Gegen-
den Methoden der Eisendarstellung angetroffen, welche offenbar aus
uralter Zeit fast unverändert fortgepflanzt sind und daher ziemlich genau
mit jenen im Alterthume gebräuchlichen Methoden übereinstimmen
dürften.

Kleine Schachtöfen, aus Lehm oder Steinen erbaut, deren Höhe
mitunter nicht über 0.5 m hinausgeht, dienten im Alterthume 1) und
dienen noch heute in jenen Gegenden als Apparate für die Eisendar-
stellung. Mitunter — und in ältester Zeit wohl regelmässig — musste
natürlicher Luftzug die Verbrennung unterhalten, und man stellte in
diesem Falle den Ofen gern an dem Abhange oder auf der Spitze eines
Berges auf, wo noch heute die Schlackenhalden jenes alten Betriebes
gefunden werden; später gelangten einfache Gebläse zur Anwendung,
welche den Wind durch eine in einiger Höhe über dem Boden an-
gebrachte Formöffnung einführten. Eine Oeffnung an der tiefsten Stelle
diente zum Ablassen der Schlacke. Das Erz wurde mit Holzkohlen
niedergeschmolzen. In der niedrigen Temperatur dieser Oefen entstand
eine eisenreiche Schlacke und ein mit Schlacke durchsetzter Eisen-
klumpen, welcher entweder, wenn der Ofen niedrig genug war, aus
der Gicht, oder durch eine besondere im unteren Theile befindliche
und während des Schmelzens verschlossen gehaltene Oeffnung heraus-
geholt wurde, um dann ausgeschmiedet zu werden. Solche Schacht-
öfen zur Darstellung schmiedbaren Eisens aus Erzen nennt man
Stücköfen, der erfolgende Eisenklumpen heisst das Stück, der
Deul oder die Luppe.

In jener einfachen Weise der alten Zeit wird noch jetzt in Central-
indien, in Südafrika und in anderen Gegenden der Erde die Eisendar-
stellung betrieben. C. v. Schwarz, Ingenieur in Gwalior in Central-
indien, beschreibt das dort übliche Verfahren folgendermaassen. 2) Der
Ofen ist aus Lehm hergestellt, 0.3 m im Quadrate weit, 1 m hoch. Die
Form, welche aus Lehm gebrannt ist, liegt 0.25 m über dem Boden
und hat 23 mm Durchmesser. Das Gebläse besteht aus zwei Ziegen-
bälgen; das Schwanzende derselben ist aufgeschnitten und in die ent-
standenen Lappen sind zwei Bambusstäbe eingenäht, welche am einen
Ende fest, am andern lose mit einander verbunden sind, so dass sie
federn und einen offenen konischen Schlitz bilden, durch welchen Luft
eintreten kann, wenn der Balg aufgezogen wird, während beim Zu-
sammendrücken des Balges der Schlitz sich schliesst und die Luft
gezwungen wird, durch die aus Bambusrohr gebildete Düse auszutreten,
welche im Kopfende des Balges durch Schnüre befestigt ist. Das Auf-
ziehen des Balges geschieht durch Lederriemen mit der Hand oder auch

1) Ein aus der Römerzeit stammender derartiger Ofen, welcher zu Arles im
vorigen Jahrhunderte aufgefunden wurde, hatte die Form einer umgekehrten Glocke
von 3 m Höhe, oben 2.5 m Durchmesser; Oefen in Kärnten, in deren einer Schlacken-
halde eine Münze des Königs Nerva gefunden wurde, hatten 1 m Durchmesser und
1¾—2 m Höhe.
2) Vergl. Literatur.
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[744/0816] Die Darstellung des Schweisseisens. Ueberresten alter Eisenhütten schliessen. Die Beschränktheit der frühe- ren Hilfsmittel erklärt es leicht, dass die Methoden der früheren Zeit auch in verschiedenen Ländern im Wesentlichen einander sehr ähn- lich sind; und auch heutigen Tages noch werden in entlegenen Gegen- den Methoden der Eisendarstellung angetroffen, welche offenbar aus uralter Zeit fast unverändert fortgepflanzt sind und daher ziemlich genau mit jenen im Alterthume gebräuchlichen Methoden übereinstimmen dürften. Kleine Schachtöfen, aus Lehm oder Steinen erbaut, deren Höhe mitunter nicht über 0.5 m hinausgeht, dienten im Alterthume 1) und dienen noch heute in jenen Gegenden als Apparate für die Eisendar- stellung. Mitunter — und in ältester Zeit wohl regelmässig — musste natürlicher Luftzug die Verbrennung unterhalten, und man stellte in diesem Falle den Ofen gern an dem Abhange oder auf der Spitze eines Berges auf, wo noch heute die Schlackenhalden jenes alten Betriebes gefunden werden; später gelangten einfache Gebläse zur Anwendung, welche den Wind durch eine in einiger Höhe über dem Boden an- gebrachte Formöffnung einführten. Eine Oeffnung an der tiefsten Stelle diente zum Ablassen der Schlacke. Das Erz wurde mit Holzkohlen niedergeschmolzen. In der niedrigen Temperatur dieser Oefen entstand eine eisenreiche Schlacke und ein mit Schlacke durchsetzter Eisen- klumpen, welcher entweder, wenn der Ofen niedrig genug war, aus der Gicht, oder durch eine besondere im unteren Theile befindliche und während des Schmelzens verschlossen gehaltene Oeffnung heraus- geholt wurde, um dann ausgeschmiedet zu werden. Solche Schacht- öfen zur Darstellung schmiedbaren Eisens aus Erzen nennt man Stücköfen, der erfolgende Eisenklumpen heisst das Stück, der Deul oder die Luppe. In jener einfachen Weise der alten Zeit wird noch jetzt in Central- indien, in Südafrika und in anderen Gegenden der Erde die Eisendar- stellung betrieben. C. v. Schwarz, Ingenieur in Gwalior in Central- indien, beschreibt das dort übliche Verfahren folgendermaassen. 2) Der Ofen ist aus Lehm hergestellt, 0.3 m im Quadrate weit, 1 m hoch. Die Form, welche aus Lehm gebrannt ist, liegt 0.25 m über dem Boden und hat 23 mm Durchmesser. Das Gebläse besteht aus zwei Ziegen- bälgen; das Schwanzende derselben ist aufgeschnitten und in die ent- standenen Lappen sind zwei Bambusstäbe eingenäht, welche am einen Ende fest, am andern lose mit einander verbunden sind, so dass sie federn und einen offenen konischen Schlitz bilden, durch welchen Luft eintreten kann, wenn der Balg aufgezogen wird, während beim Zu- sammendrücken des Balges der Schlitz sich schliesst und die Luft gezwungen wird, durch die aus Bambusrohr gebildete Düse auszutreten, welche im Kopfende des Balges durch Schnüre befestigt ist. Das Auf- ziehen des Balges geschieht durch Lederriemen mit der Hand oder auch 1) Ein aus der Römerzeit stammender derartiger Ofen, welcher zu Arles im vorigen Jahrhunderte aufgefunden wurde, hatte die Form einer umgekehrten Glocke von 3 m Höhe, oben 2.5 m Durchmesser; Oefen in Kärnten, in deren einer Schlacken- halde eine Münze des Königs Nerva gefunden wurde, hatten 1 m Durchmesser und 1¾—2 m Höhe. 2) Vergl. Literatur.

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 744. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/816>, abgerufen am 28.04.2024.