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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Die Darstellung des Flusseisens.
die, ohne eine weitere Veränderung ihrer Form durch Walzen, Schmieden,
Pressen u. s. w. zu erfahren, sogleich als Fertigwaare, als Gebrauchs-
gegenstände dienen können, wie es auch mit den zahlreichen aus Guss-
eisen in den Eisengiessereien gefertigten Gegenständen der Fall ist.
Man giesst in dieser Weise zahlreiche Maschinentheile, welche eine
grössere Festigkeit erhalten sollen als sie das Gusseisen besitzt, Getriebe,
Kurbeln, Laufräder u. v. a. 1)

In diesen Fällen kommt es also ganz besonders darauf an, dichten,
d. h. von Hohlräumen freien, Guss zu erzielen, und die oben erwähnten
Mittel zur Erreichung dieses Zieles, insbesondere die Regelung der
chemischen Zusammensetzung und Anwendung eines verlorenen Kopfes,
müssen hier mit doppelter Sorgfalt und Umsicht zur Anwendung ge-
bracht werden.

Metallene Gussformen würden hier unverwendbar sein. Erstens
würde in Rücksicht auf die äussere Form vieler solcher Gussstücke
die sofort nach dem Giessen eintretende Schwindung innerhalb der
Gussform gar nicht möglich sein, ohne dass ein Zerreissen des Abgusses
stattfände. Man vergegenwärtige sich z. B. das Zusammenziehen eines
Radkranzes innerhalb einer metallenen, also vollständig starren Guss-
form. Der Durchmesser des ersteren nimmt ab, während die Gussform
unverändert bleibt; der Kranz presst sich fester und fester um den
inneren Theil der Gussform und reisst schliesslich ab.

Zweitens aber würde in Rücksicht auf die raschere Abkühlung,
welche innerhalb der metallenen Gussform stattfindet, auch die Gas-
entwickelung plötzlicher, stärker eintreten und es würde weit schwieriger
sein, dichte Güsse zu erzielen; ja in Anbetracht der verhältnissmässig
dünnen Querschnitte, welche viele solcher Abgüsse besitzen, würde
eine vollständige Ausfüllung der Gussform oft durch die vorzeitige Er-
starrung des eingegossenen Metalles unmöglich gemacht werden.

Man benutzt also für derartige Zwecke ein Material, welches aus-
reichend bildsam sein muss, um die Herstellung der Gussformen zu
ermöglichen, dabei widerstandsfähig genug gegen die mechanischen
Einwirkungen beim Giessen wie gegen die hohe Temperatur des ein-
gegossenen Metalles, doch aber ausreichend nachgiebig, um nicht die
Schwindung zu behindern, schlechter Wärmeleiter, um allzu plötzliche
Abkühlung zu vermeiden, und etwas durchlässig für Gase und Dämpfe,
welche während des Giessens auch aus dem Formmaterial sich zu ent-
wickeln pflegen, damit diese nicht durch das flüssige Metall hindurch
ihren Weg zu nehmen brauchen.

1) Bis zur Mitte dieses Jahrhunderts verstand man nicht, flüssiges schmied-
bares Eisen durch Giessen ohne Weiteres zu Gebrauchsgegenständen zu verarbeiten.
Die Gasentwickelung beim Giessen, die starke Schwindung, endlich auch die hohe
Schmelztemperatur des Metalles, welche beim Eingiessen in Formen eine rasche Er-
starrung herbeiführt und die vollständige Ausfüllung der Gussformen erschwert,
zugleich aber auch die Herstellung von ausreichend widerstandsfähigen Gussformen
schwieriger macht, stellten sich einer solchen Verwendung des Eisens (Stahles) ent-
gegen. Die Bochumer Gussstahlfabrik war es, welche zuerst diese Schwierig-
keiten überwand und im Jahre 1851 gegossene Gussstahlglocken lieferte. Auf der
Gewerbeausstellung zu Düsseldorf im Jahre 1852 erhielt das genannte Eisenwerk für
solche Glocken die silberne Medaille.

Die Darstellung des Flusseisens.
die, ohne eine weitere Veränderung ihrer Form durch Walzen, Schmieden,
Pressen u. s. w. zu erfahren, sogleich als Fertigwaare, als Gebrauchs-
gegenstände dienen können, wie es auch mit den zahlreichen aus Guss-
eisen in den Eisengiessereien gefertigten Gegenständen der Fall ist.
Man giesst in dieser Weise zahlreiche Maschinentheile, welche eine
grössere Festigkeit erhalten sollen als sie das Gusseisen besitzt, Getriebe,
Kurbeln, Laufräder u. v. a. 1)

In diesen Fällen kommt es also ganz besonders darauf an, dichten,
d. h. von Hohlräumen freien, Guss zu erzielen, und die oben erwähnten
Mittel zur Erreichung dieses Zieles, insbesondere die Regelung der
chemischen Zusammensetzung und Anwendung eines verlorenen Kopfes,
müssen hier mit doppelter Sorgfalt und Umsicht zur Anwendung ge-
bracht werden.

Metallene Gussformen würden hier unverwendbar sein. Erstens
würde in Rücksicht auf die äussere Form vieler solcher Gussstücke
die sofort nach dem Giessen eintretende Schwindung innerhalb der
Gussform gar nicht möglich sein, ohne dass ein Zerreissen des Abgusses
stattfände. Man vergegenwärtige sich z. B. das Zusammenziehen eines
Radkranzes innerhalb einer metallenen, also vollständig starren Guss-
form. Der Durchmesser des ersteren nimmt ab, während die Gussform
unverändert bleibt; der Kranz presst sich fester und fester um den
inneren Theil der Gussform und reisst schliesslich ab.

Zweitens aber würde in Rücksicht auf die raschere Abkühlung,
welche innerhalb der metallenen Gussform stattfindet, auch die Gas-
entwickelung plötzlicher, stärker eintreten und es würde weit schwieriger
sein, dichte Güsse zu erzielen; ja in Anbetracht der verhältnissmässig
dünnen Querschnitte, welche viele solcher Abgüsse besitzen, würde
eine vollständige Ausfüllung der Gussform oft durch die vorzeitige Er-
starrung des eingegossenen Metalles unmöglich gemacht werden.

Man benutzt also für derartige Zwecke ein Material, welches aus-
reichend bildsam sein muss, um die Herstellung der Gussformen zu
ermöglichen, dabei widerstandsfähig genug gegen die mechanischen
Einwirkungen beim Giessen wie gegen die hohe Temperatur des ein-
gegossenen Metalles, doch aber ausreichend nachgiebig, um nicht die
Schwindung zu behindern, schlechter Wärmeleiter, um allzu plötzliche
Abkühlung zu vermeiden, und etwas durchlässig für Gase und Dämpfe,
welche während des Giessens auch aus dem Formmaterial sich zu ent-
wickeln pflegen, damit diese nicht durch das flüssige Metall hindurch
ihren Weg zu nehmen brauchen.

1) Bis zur Mitte dieses Jahrhunderts verstand man nicht, flüssiges schmied-
bares Eisen durch Giessen ohne Weiteres zu Gebrauchsgegenständen zu verarbeiten.
Die Gasentwickelung beim Giessen, die starke Schwindung, endlich auch die hohe
Schmelztemperatur des Metalles, welche beim Eingiessen in Formen eine rasche Er-
starrung herbeiführt und die vollständige Ausfüllung der Gussformen erschwert,
zugleich aber auch die Herstellung von ausreichend widerstandsfähigen Gussformen
schwieriger macht, stellten sich einer solchen Verwendung des Eisens (Stahles) ent-
gegen. Die Bochumer Gussstahlfabrik war es, welche zuerst diese Schwierig-
keiten überwand und im Jahre 1851 gegossene Gussstahlglocken lieferte. Auf der
Gewerbeausstellung zu Düsseldorf im Jahre 1852 erhielt das genannte Eisenwerk für
solche Glocken die silberne Medaille.
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[830/0910] Die Darstellung des Flusseisens. die, ohne eine weitere Veränderung ihrer Form durch Walzen, Schmieden, Pressen u. s. w. zu erfahren, sogleich als Fertigwaare, als Gebrauchs- gegenstände dienen können, wie es auch mit den zahlreichen aus Guss- eisen in den Eisengiessereien gefertigten Gegenständen der Fall ist. Man giesst in dieser Weise zahlreiche Maschinentheile, welche eine grössere Festigkeit erhalten sollen als sie das Gusseisen besitzt, Getriebe, Kurbeln, Laufräder u. v. a. 1) In diesen Fällen kommt es also ganz besonders darauf an, dichten, d. h. von Hohlräumen freien, Guss zu erzielen, und die oben erwähnten Mittel zur Erreichung dieses Zieles, insbesondere die Regelung der chemischen Zusammensetzung und Anwendung eines verlorenen Kopfes, müssen hier mit doppelter Sorgfalt und Umsicht zur Anwendung ge- bracht werden. Metallene Gussformen würden hier unverwendbar sein. Erstens würde in Rücksicht auf die äussere Form vieler solcher Gussstücke die sofort nach dem Giessen eintretende Schwindung innerhalb der Gussform gar nicht möglich sein, ohne dass ein Zerreissen des Abgusses stattfände. Man vergegenwärtige sich z. B. das Zusammenziehen eines Radkranzes innerhalb einer metallenen, also vollständig starren Guss- form. Der Durchmesser des ersteren nimmt ab, während die Gussform unverändert bleibt; der Kranz presst sich fester und fester um den inneren Theil der Gussform und reisst schliesslich ab. Zweitens aber würde in Rücksicht auf die raschere Abkühlung, welche innerhalb der metallenen Gussform stattfindet, auch die Gas- entwickelung plötzlicher, stärker eintreten und es würde weit schwieriger sein, dichte Güsse zu erzielen; ja in Anbetracht der verhältnissmässig dünnen Querschnitte, welche viele solcher Abgüsse besitzen, würde eine vollständige Ausfüllung der Gussform oft durch die vorzeitige Er- starrung des eingegossenen Metalles unmöglich gemacht werden. Man benutzt also für derartige Zwecke ein Material, welches aus- reichend bildsam sein muss, um die Herstellung der Gussformen zu ermöglichen, dabei widerstandsfähig genug gegen die mechanischen Einwirkungen beim Giessen wie gegen die hohe Temperatur des ein- gegossenen Metalles, doch aber ausreichend nachgiebig, um nicht die Schwindung zu behindern, schlechter Wärmeleiter, um allzu plötzliche Abkühlung zu vermeiden, und etwas durchlässig für Gase und Dämpfe, welche während des Giessens auch aus dem Formmaterial sich zu ent- wickeln pflegen, damit diese nicht durch das flüssige Metall hindurch ihren Weg zu nehmen brauchen. 1) Bis zur Mitte dieses Jahrhunderts verstand man nicht, flüssiges schmied- bares Eisen durch Giessen ohne Weiteres zu Gebrauchsgegenständen zu verarbeiten. Die Gasentwickelung beim Giessen, die starke Schwindung, endlich auch die hohe Schmelztemperatur des Metalles, welche beim Eingiessen in Formen eine rasche Er- starrung herbeiführt und die vollständige Ausfüllung der Gussformen erschwert, zugleich aber auch die Herstellung von ausreichend widerstandsfähigen Gussformen schwieriger macht, stellten sich einer solchen Verwendung des Eisens (Stahles) ent- gegen. Die Bochumer Gussstahlfabrik war es, welche zuerst diese Schwierig- keiten überwand und im Jahre 1851 gegossene Gussstahlglocken lieferte. Auf der Gewerbeausstellung zu Düsseldorf im Jahre 1852 erhielt das genannte Eisenwerk für solche Glocken die silberne Medaille.

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 830. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/910>, abgerufen am 06.05.2024.