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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Die Tiegelgussstahldarstellung.
wendung des erzeugten Stahles und örtlichen Verhältnissen, für einen
Inhalt von 10--35 kg berechnet zu sein; bei Anwendung maschineller
Vorrichtungen zum Heben, Fortschaffen und Ausgiessen der Tiegel --
wie sie z. B. durch Benutzung eines Piat'schen Schmelzofens (S. 621)
ermöglicht ist -- kommen auch noch grössere Tiegel zur Verwendung.

Zum Schutze des Tiegelinhaltes gegen die unmittelbare Einwirkung
des Brennstoffes pflegt der Tiegel mit einem aufgelegten Deckel ver-
sehen zu sein, welcher eine runde Oeffnung besitzt, dazu dienend, das
Einstecken einer Eisenstange zu ermöglichen, mit welcher der Tiegel-
inhalt untersucht werden kann, ohne dass der Deckel abgehoben zu
werden braucht. Während des Schmelzens lässt sich durch einen Thon-
pfropfen die Oeffnung verschliessen.

Bei der hohen Temperatur, welcher die Tiegel ausgesetzt sind,
ist möglichst grosse Haltbarkeit derselben -- also sorgfältigste Auswahl
des Materiales und sorgfältigste Herstellung -- von allergrösster Wichtig-
keit. Gute Tiegel können zwei bis drei Schmelzungen aushalten,
weniger gute nur eine Schmelzung; bei ungenügender Beschaffenheit
kann es vorkommen, dass der Tiegel schon beim ersten Schmelzen leck
wird und der Einsatz ausfliesst. In Rücksicht auf den Schaden, welcher
durch das Auslaufen eines Tiegels entsteht, benutzt man auf manchen
Werken zur besseren Vermeidung der Gefahr auch gute Tiegel doch
nur ein einziges Mal.

Es ist aber bei der Auswahl der Tiegel auch der Umstand zu
beachten, dass durch die Tiegelmasse, insbesondere durch den Kiesel-
säure- und etwaigen Kohlenstoffgehalt derselben, auf das eingeschlossene
Metall chemische Einwirkungen ausgeübt werden, welche unten aus-
führlichere Besprechung finden werden. Von der chemischen Zusam-
mensetzung der Tiegelmasse sind diese Einwirkungen abhängig. Ob
dieselben als wohlthätig oder als nachtheilig zu bezeichnen sind, hängt
von der Bestimmung des erzeugten Stahles wie von der ursprünglichen
chemischen Zusammensetzung des Einsatzes ab; in jedem Falle aber
müssen diese durch die Tiegel hervorgerufenen Aenderungen von vorn
herein bei der Auswahl der Tiegel in Betracht gezogen werden. In
verschiedenen Tiegeln wird man unter übrigens gleichen Verhält-
nissen Gussstahl von wesentlich abweichender Beschaffenheit erhalten
können.

In Rücksicht auf diese Verhältnisse, auf die grosse Wichtigkeit,
welche das Verhalten und die Beschaffenheit der Tiegel für den gedeih-
lichen Betrieb einer Gussstahlhütte besitzt, sowie auf den grossen jähr-
lichen Bedarf an Tiegeln pflegen grössere Werke die Herstellung der-
selben in eigenen Werkstätten auszuführen.

Den Grundbestandtheil oder, vielleicht noch richtiger ausgedrückt,
das Bindemittel für die übrigen Bestandtheile der Tiegel bildet in allen
Fällen feuerfester Thon, welcher mit gebranntem feuerfesten Thon oder
gepulverten Tiegelscherben vermengt wird (vergl. S. 139), ausserdem
aber regelmässig einen Zusatz kleinerer oder grösserer Mengen Graphit
zu erhalten pflegt.

Der Graphitgehalt der Tiegel hat bei dem Gussstahlschmelzen mehr
als eine Aufgabe zu erfüllen. An und für sich unschmelzbar, sofern

54*

Die Tiegelgussstahldarstellung.
wendung des erzeugten Stahles und örtlichen Verhältnissen, für einen
Inhalt von 10—35 kg berechnet zu sein; bei Anwendung maschineller
Vorrichtungen zum Heben, Fortschaffen und Ausgiessen der Tiegel —
wie sie z. B. durch Benutzung eines Piat’schen Schmelzofens (S. 621)
ermöglicht ist — kommen auch noch grössere Tiegel zur Verwendung.

Zum Schutze des Tiegelinhaltes gegen die unmittelbare Einwirkung
des Brennstoffes pflegt der Tiegel mit einem aufgelegten Deckel ver-
sehen zu sein, welcher eine runde Oeffnung besitzt, dazu dienend, das
Einstecken einer Eisenstange zu ermöglichen, mit welcher der Tiegel-
inhalt untersucht werden kann, ohne dass der Deckel abgehoben zu
werden braucht. Während des Schmelzens lässt sich durch einen Thon-
pfropfen die Oeffnung verschliessen.

Bei der hohen Temperatur, welcher die Tiegel ausgesetzt sind,
ist möglichst grosse Haltbarkeit derselben — also sorgfältigste Auswahl
des Materiales und sorgfältigste Herstellung — von allergrösster Wichtig-
keit. Gute Tiegel können zwei bis drei Schmelzungen aushalten,
weniger gute nur eine Schmelzung; bei ungenügender Beschaffenheit
kann es vorkommen, dass der Tiegel schon beim ersten Schmelzen leck
wird und der Einsatz ausfliesst. In Rücksicht auf den Schaden, welcher
durch das Auslaufen eines Tiegels entsteht, benutzt man auf manchen
Werken zur besseren Vermeidung der Gefahr auch gute Tiegel doch
nur ein einziges Mal.

Es ist aber bei der Auswahl der Tiegel auch der Umstand zu
beachten, dass durch die Tiegelmasse, insbesondere durch den Kiesel-
säure- und etwaigen Kohlenstoffgehalt derselben, auf das eingeschlossene
Metall chemische Einwirkungen ausgeübt werden, welche unten aus-
führlichere Besprechung finden werden. Von der chemischen Zusam-
mensetzung der Tiegelmasse sind diese Einwirkungen abhängig. Ob
dieselben als wohlthätig oder als nachtheilig zu bezeichnen sind, hängt
von der Bestimmung des erzeugten Stahles wie von der ursprünglichen
chemischen Zusammensetzung des Einsatzes ab; in jedem Falle aber
müssen diese durch die Tiegel hervorgerufenen Aenderungen von vorn
herein bei der Auswahl der Tiegel in Betracht gezogen werden. In
verschiedenen Tiegeln wird man unter übrigens gleichen Verhält-
nissen Gussstahl von wesentlich abweichender Beschaffenheit erhalten
können.

In Rücksicht auf diese Verhältnisse, auf die grosse Wichtigkeit,
welche das Verhalten und die Beschaffenheit der Tiegel für den gedeih-
lichen Betrieb einer Gussstahlhütte besitzt, sowie auf den grossen jähr-
lichen Bedarf an Tiegeln pflegen grössere Werke die Herstellung der-
selben in eigenen Werkstätten auszuführen.

Den Grundbestandtheil oder, vielleicht noch richtiger ausgedrückt,
das Bindemittel für die übrigen Bestandtheile der Tiegel bildet in allen
Fällen feuerfester Thon, welcher mit gebranntem feuerfesten Thon oder
gepulverten Tiegelscherben vermengt wird (vergl. S. 139), ausserdem
aber regelmässig einen Zusatz kleinerer oder grösserer Mengen Graphit
zu erhalten pflegt.

Der Graphitgehalt der Tiegel hat bei dem Gussstahlschmelzen mehr
als eine Aufgabe zu erfüllen. An und für sich unschmelzbar, sofern

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[843/0923] Die Tiegelgussstahldarstellung. wendung des erzeugten Stahles und örtlichen Verhältnissen, für einen Inhalt von 10—35 kg berechnet zu sein; bei Anwendung maschineller Vorrichtungen zum Heben, Fortschaffen und Ausgiessen der Tiegel — wie sie z. B. durch Benutzung eines Piat’schen Schmelzofens (S. 621) ermöglicht ist — kommen auch noch grössere Tiegel zur Verwendung. Zum Schutze des Tiegelinhaltes gegen die unmittelbare Einwirkung des Brennstoffes pflegt der Tiegel mit einem aufgelegten Deckel ver- sehen zu sein, welcher eine runde Oeffnung besitzt, dazu dienend, das Einstecken einer Eisenstange zu ermöglichen, mit welcher der Tiegel- inhalt untersucht werden kann, ohne dass der Deckel abgehoben zu werden braucht. Während des Schmelzens lässt sich durch einen Thon- pfropfen die Oeffnung verschliessen. Bei der hohen Temperatur, welcher die Tiegel ausgesetzt sind, ist möglichst grosse Haltbarkeit derselben — also sorgfältigste Auswahl des Materiales und sorgfältigste Herstellung — von allergrösster Wichtig- keit. Gute Tiegel können zwei bis drei Schmelzungen aushalten, weniger gute nur eine Schmelzung; bei ungenügender Beschaffenheit kann es vorkommen, dass der Tiegel schon beim ersten Schmelzen leck wird und der Einsatz ausfliesst. In Rücksicht auf den Schaden, welcher durch das Auslaufen eines Tiegels entsteht, benutzt man auf manchen Werken zur besseren Vermeidung der Gefahr auch gute Tiegel doch nur ein einziges Mal. Es ist aber bei der Auswahl der Tiegel auch der Umstand zu beachten, dass durch die Tiegelmasse, insbesondere durch den Kiesel- säure- und etwaigen Kohlenstoffgehalt derselben, auf das eingeschlossene Metall chemische Einwirkungen ausgeübt werden, welche unten aus- führlichere Besprechung finden werden. Von der chemischen Zusam- mensetzung der Tiegelmasse sind diese Einwirkungen abhängig. Ob dieselben als wohlthätig oder als nachtheilig zu bezeichnen sind, hängt von der Bestimmung des erzeugten Stahles wie von der ursprünglichen chemischen Zusammensetzung des Einsatzes ab; in jedem Falle aber müssen diese durch die Tiegel hervorgerufenen Aenderungen von vorn herein bei der Auswahl der Tiegel in Betracht gezogen werden. In verschiedenen Tiegeln wird man unter übrigens gleichen Verhält- nissen Gussstahl von wesentlich abweichender Beschaffenheit erhalten können. In Rücksicht auf diese Verhältnisse, auf die grosse Wichtigkeit, welche das Verhalten und die Beschaffenheit der Tiegel für den gedeih- lichen Betrieb einer Gussstahlhütte besitzt, sowie auf den grossen jähr- lichen Bedarf an Tiegeln pflegen grössere Werke die Herstellung der- selben in eigenen Werkstätten auszuführen. Den Grundbestandtheil oder, vielleicht noch richtiger ausgedrückt, das Bindemittel für die übrigen Bestandtheile der Tiegel bildet in allen Fällen feuerfester Thon, welcher mit gebranntem feuerfesten Thon oder gepulverten Tiegelscherben vermengt wird (vergl. S. 139), ausserdem aber regelmässig einen Zusatz kleinerer oder grösserer Mengen Graphit zu erhalten pflegt. Der Graphitgehalt der Tiegel hat bei dem Gussstahlschmelzen mehr als eine Aufgabe zu erfüllen. An und für sich unschmelzbar, sofern 54*

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 843. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/923>, abgerufen am 30.04.2024.