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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Die atlantische Küste von Amerika.
Krieg zwischen Brasilien und Argentina folgte, welcher mit der Selbständigkeits-
erklärung Uruguays endete.

Eine fast neunjährige, 1843 begonnene Belagerung Montevideos von Seite
des argentinischen Dictators Rosas wurde durch das Einschreiten Brasiliens und
die Erhebung des Generals Urquiza gegen Rosas beendet, doch war der Republik
noch immer keine Periode friedlicher Entwicklung beschieden.

1864 bis 1865 blokirten die Brasilianer Montevideo und setzten den Ex-
präsidenten Flores wieder ein, welchem Vorgange Brasiliens eine Kriegserklärung
Paraguay's an die Tripelallianz Brasilien-Argentina-Uruguay folgte.

Wenngleich dieser Krieg, der während seiner Dauer theilweise den Handel
von Buenos-Aires ablenkte, zur Bereicherung Montevideos beitrug, so brachten
doch die finanzielle Misswirthschaft der Regierung und andauernde Parteikämpfe
noch manche schwere Stunde über die aufstrebende Stadt, die sich in neuester
Zeit eines ganz besonderen Aufschwunges und einer lebhaften Einwanderung erfreut.

Die Stadt (San Felipe y Santiago de) Montevideo liegt an der
Ostseite einer fast halbkreisförmigen Bai an der nördlichen Küste
der La Plata-Mündung und 120 Meilen von Buenos-Aires, mit welcher
Stadt täglich Dampfer verkehren. Die schmale Halbinsel, auf welcher
Montevideo erbaut wurde, erhebt sich nur wenig über die See. Die
westliche Seite der Bucht wird vom Hochlande von Cerro (148 m)
gebildet, das sich genügend hoch über das sonst niedrige und flache
Land erhebt, um den Namen Montevideo zu rechtfertigen, den der
Gipfel des Cerro führt. Auf dem Gipfel befindet sich ein Leucht-
feuer und ein altes, seinerzeit starkes Fort, jetzt Artigas genannt.

Montevideo ist eine schöne, beinahe glänzende Stadt mitteleuro-
päischen Styls. Der ältere Theil der Stadt liegt auf der schon erwähnten
Landzunge, die Vororte erstrecken sich weit in das Land. Altstadt
und Neustadt sind regelmässig gebaut; gerade, breite und gut gepfla-
sterte Strassen durchschneiden einander in rechten Winkeln und
bilden fast 100 m breite Häuserblöcke. Zahlreiche niedere Häuser
mit flachen Dächern, wenigen, oft vergitterten Fenstern an der
Strassenseite, kleinen, manchmal zu Gärten umgewandelten Höfen
(patios) im Innern und mit Aussichtsthürmchen (miradores) geben
der Stadt ein echt spanisches Aussehen.

Die Strassen sind mit Gas beleuchtet. Ein ausgedehntes Netz
von Pferde-Eisenbahnen in einer Länge von 170km durchkreuzt die
Stadt und die Umgebungen nach allen Richtungen und beförderte
1888 17 Millionen Passagiere.

Die Stadt war ehedem auf das in den Cisternen angesammelte
Regenwasser angewiesen, erst im Jahre 1870 wurde eine 53 km lange
Wasserleitung eröffnet, die sich als sehr nützlich erweist, weil bei
Regenmangel auch die in die Bucht mündenden Flüsschen versiegen

Die atlantische Küste von Amerika.
Krieg zwischen Brasilien und Argentina folgte, welcher mit der Selbständigkeits-
erklärung Uruguays endete.

Eine fast neunjährige, 1843 begonnene Belagerung Montevideos von Seite
des argentinischen Dictators Rosas wurde durch das Einschreiten Brasiliens und
die Erhebung des Generals Urquiza gegen Rosas beendet, doch war der Republik
noch immer keine Periode friedlicher Entwicklung beschieden.

1864 bis 1865 blokirten die Brasilianer Montevideo und setzten den Ex-
präsidenten Flores wieder ein, welchem Vorgange Brasiliens eine Kriegserklärung
Paraguay’s an die Tripelallianz Brasilien-Argentina-Uruguay folgte.

Wenngleich dieser Krieg, der während seiner Dauer theilweise den Handel
von Buenos-Aires ablenkte, zur Bereicherung Montevideos beitrug, so brachten
doch die finanzielle Misswirthschaft der Regierung und andauernde Parteikämpfe
noch manche schwere Stunde über die aufstrebende Stadt, die sich in neuester
Zeit eines ganz besonderen Aufschwunges und einer lebhaften Einwanderung erfreut.

Die Stadt (San Felipe y Santiago de) Montevideo liegt an der
Ostseite einer fast halbkreisförmigen Bai an der nördlichen Küste
der La Plata-Mündung und 120 Meilen von Buenos-Aires, mit welcher
Stadt täglich Dampfer verkehren. Die schmale Halbinsel, auf welcher
Montevideo erbaut wurde, erhebt sich nur wenig über die See. Die
westliche Seite der Bucht wird vom Hochlande von Cerro (148 m)
gebildet, das sich genügend hoch über das sonst niedrige und flache
Land erhebt, um den Namen Montevideo zu rechtfertigen, den der
Gipfel des Cerro führt. Auf dem Gipfel befindet sich ein Leucht-
feuer und ein altes, seinerzeit starkes Fort, jetzt Artigas genannt.

Montevideo ist eine schöne, beinahe glänzende Stadt mitteleuro-
päischen Styls. Der ältere Theil der Stadt liegt auf der schon erwähnten
Landzunge, die Vororte erstrecken sich weit in das Land. Altstadt
und Neustadt sind regelmässig gebaut; gerade, breite und gut gepfla-
sterte Strassen durchschneiden einander in rechten Winkeln und
bilden fast 100 m breite Häuserblöcke. Zahlreiche niedere Häuser
mit flachen Dächern, wenigen, oft vergitterten Fenstern an der
Strassenseite, kleinen, manchmal zu Gärten umgewandelten Höfen
(patios) im Innern und mit Aussichtsthürmchen (miradores) geben
der Stadt ein echt spanisches Aussehen.

Die Strassen sind mit Gas beleuchtet. Ein ausgedehntes Netz
von Pferde-Eisenbahnen in einer Länge von 170km durchkreuzt die
Stadt und die Umgebungen nach allen Richtungen und beförderte
1888 17 Millionen Passagiere.

Die Stadt war ehedem auf das in den Cisternen angesammelte
Regenwasser angewiesen, erst im Jahre 1870 wurde eine 53 km lange
Wasserleitung eröffnet, die sich als sehr nützlich erweist, weil bei
Regenmangel auch die in die Bucht mündenden Flüsschen versiegen

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[276/0292] Die atlantische Küste von Amerika. Krieg zwischen Brasilien und Argentina folgte, welcher mit der Selbständigkeits- erklärung Uruguays endete. Eine fast neunjährige, 1843 begonnene Belagerung Montevideos von Seite des argentinischen Dictators Rosas wurde durch das Einschreiten Brasiliens und die Erhebung des Generals Urquiza gegen Rosas beendet, doch war der Republik noch immer keine Periode friedlicher Entwicklung beschieden. 1864 bis 1865 blokirten die Brasilianer Montevideo und setzten den Ex- präsidenten Flores wieder ein, welchem Vorgange Brasiliens eine Kriegserklärung Paraguay’s an die Tripelallianz Brasilien-Argentina-Uruguay folgte. Wenngleich dieser Krieg, der während seiner Dauer theilweise den Handel von Buenos-Aires ablenkte, zur Bereicherung Montevideos beitrug, so brachten doch die finanzielle Misswirthschaft der Regierung und andauernde Parteikämpfe noch manche schwere Stunde über die aufstrebende Stadt, die sich in neuester Zeit eines ganz besonderen Aufschwunges und einer lebhaften Einwanderung erfreut. Die Stadt (San Felipe y Santiago de) Montevideo liegt an der Ostseite einer fast halbkreisförmigen Bai an der nördlichen Küste der La Plata-Mündung und 120 Meilen von Buenos-Aires, mit welcher Stadt täglich Dampfer verkehren. Die schmale Halbinsel, auf welcher Montevideo erbaut wurde, erhebt sich nur wenig über die See. Die westliche Seite der Bucht wird vom Hochlande von Cerro (148 m) gebildet, das sich genügend hoch über das sonst niedrige und flache Land erhebt, um den Namen Montevideo zu rechtfertigen, den der Gipfel des Cerro führt. Auf dem Gipfel befindet sich ein Leucht- feuer und ein altes, seinerzeit starkes Fort, jetzt Artigas genannt. Montevideo ist eine schöne, beinahe glänzende Stadt mitteleuro- päischen Styls. Der ältere Theil der Stadt liegt auf der schon erwähnten Landzunge, die Vororte erstrecken sich weit in das Land. Altstadt und Neustadt sind regelmässig gebaut; gerade, breite und gut gepfla- sterte Strassen durchschneiden einander in rechten Winkeln und bilden fast 100 m breite Häuserblöcke. Zahlreiche niedere Häuser mit flachen Dächern, wenigen, oft vergitterten Fenstern an der Strassenseite, kleinen, manchmal zu Gärten umgewandelten Höfen (patios) im Innern und mit Aussichtsthürmchen (miradores) geben der Stadt ein echt spanisches Aussehen. Die Strassen sind mit Gas beleuchtet. Ein ausgedehntes Netz von Pferde-Eisenbahnen in einer Länge von 170km durchkreuzt die Stadt und die Umgebungen nach allen Richtungen und beförderte 1888 17 Millionen Passagiere. Die Stadt war ehedem auf das in den Cisternen angesammelte Regenwasser angewiesen, erst im Jahre 1870 wurde eine 53 km lange Wasserleitung eröffnet, die sich als sehr nützlich erweist, weil bei Regenmangel auch die in die Bucht mündenden Flüsschen versiegen

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/292>, abgerufen am 07.05.2024.