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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Der grosse Ocean.
der holländischen Besitzungen waren nur der nationalen Flagge ge-
öffnet. Singapore war hingegen für alle Nationen frei, Schiffe irgend
einer Nation entrichteten daselbst weder Zölle noch sonstige Abgaben;
Malayen, Chinesen, Hindus, Araber waren in Singapore besser daran
als in ihrem Vaterlande. Alle Erzeugnisse der tropischen Sunda-
Inseln und hinterindischen kleinen Häfen, Kaffee und Reis an erster
Stelle, fanden hier immer eine günstige Verschiffung, die Niederlassung
Fremder blieb jederzeit eine vollkommen freie und war keinerlei Be-
dingungen unterworfen. Heutzutage ist Singapore, wenngleich hauptsäch-
lich nur Zwischenhafen an der grossen Handelsstrasse zwischen Indien
und dem östlichen Asien, so doch für den Frachten- und den Personen-
verkehr von hervorragender und noch immer zunehmender Bedeutung.

Von der Seeseite gesehen unterscheidet sich die Stadt kaum
von dem gewöhnlichen Bilde, das europäische Hafenplätze zu bieten
pflegen. Das saftige Grün der reichen Vegetation und die weithin
sichtbaren Thürme der Kirchen bringen einen anmuthigen Zug in das
Häusergewirre, das im nordöstlichen Theile bei einem malayischen,
am Ufer des Rohore River gelegenen Pfahldorfe beginnt. Von hier
aus zieht sich eine mehrere Kilometer lange Reihe meist einstöckiger
Häuser längs der Rhede hin; landeinwärts erstrecken sich die ver-
schiedenen Quartiere der Stadt, die von drei Hügeln, Pearls Hill,
Government Hill und Mount Sophia, überragt werden. Der mittlere
dieser Hügel erreicht 47·5 m Höhe und trägt den Palast des Gou-
verneurs, der Pearls Hill das Fort Canning, von welchem aus man
einen prächtigen Ueberblick über die ganze Stadt geniesst.

Wie alle Städte des Orients, die von verschiedenen Nationen
und Kasten bevölkert werden, so gliedert sich auch Singapore in
mehrere Quartiere oder Viertel, die sich von einander durch die
Verschiedenheiten ihrer Bauart und ihrer Industrien unterscheiden.

Am Landungsplatze, der durch die zahlreichen an den Quais
angelegten landenden oder löschenden Dampfer und durch das leb-
hafte Treiben entlang den grossen Docks ein überaus buntes Bild
gewährt, liegen die Geschäftshäuser der Europäer, das Postgebäude
und einige Clubs. Europäische und amerikanische Waaren, die
Bodenproducte der Insel und der angrenzenden Halbinsel Malakka,
sowie indische Gewebe sind hier und an den Quais in grossartigen
Magazinen angehäuft. Auf der Rhede liegen überdies vollgeladene
Schiffe fast aller europäischen und amerikanischen Flaggen, malerische
chinesische Dschunken, malayische Praus und die eigenartig geformten
Fahrzeuge der Bewohner der Sunda-Inseln.


Der grosse Ocean.
der holländischen Besitzungen waren nur der nationalen Flagge ge-
öffnet. Singapore war hingegen für alle Nationen frei, Schiffe irgend
einer Nation entrichteten daselbst weder Zölle noch sonstige Abgaben;
Malayen, Chinesen, Hindus, Araber waren in Singapore besser daran
als in ihrem Vaterlande. Alle Erzeugnisse der tropischen Sunda-
Inseln und hinterindischen kleinen Häfen, Kaffee und Reis an erster
Stelle, fanden hier immer eine günstige Verschiffung, die Niederlassung
Fremder blieb jederzeit eine vollkommen freie und war keinerlei Be-
dingungen unterworfen. Heutzutage ist Singapore, wenngleich hauptsäch-
lich nur Zwischenhafen an der grossen Handelsstrasse zwischen Indien
und dem östlichen Asien, so doch für den Frachten- und den Personen-
verkehr von hervorragender und noch immer zunehmender Bedeutung.

Von der Seeseite gesehen unterscheidet sich die Stadt kaum
von dem gewöhnlichen Bilde, das europäische Hafenplätze zu bieten
pflegen. Das saftige Grün der reichen Vegetation und die weithin
sichtbaren Thürme der Kirchen bringen einen anmuthigen Zug in das
Häusergewirre, das im nordöstlichen Theile bei einem malayischen,
am Ufer des Rohore River gelegenen Pfahldorfe beginnt. Von hier
aus zieht sich eine mehrere Kilometer lange Reihe meist einstöckiger
Häuser längs der Rhede hin; landeinwärts erstrecken sich die ver-
schiedenen Quartiere der Stadt, die von drei Hügeln, Pearls Hill,
Government Hill und Mount Sophia, überragt werden. Der mittlere
dieser Hügel erreicht 47·5 m Höhe und trägt den Palast des Gou-
verneurs, der Pearls Hill das Fort Canning, von welchem aus man
einen prächtigen Ueberblick über die ganze Stadt geniesst.

Wie alle Städte des Orients, die von verschiedenen Nationen
und Kasten bevölkert werden, so gliedert sich auch Singapore in
mehrere Quartiere oder Viertel, die sich von einander durch die
Verschiedenheiten ihrer Bauart und ihrer Industrien unterscheiden.

Am Landungsplatze, der durch die zahlreichen an den Quais
angelegten landenden oder löschenden Dampfer und durch das leb-
hafte Treiben entlang den grossen Docks ein überaus buntes Bild
gewährt, liegen die Geschäftshäuser der Europäer, das Postgebäude
und einige Clubs. Europäische und amerikanische Waaren, die
Bodenproducte der Insel und der angrenzenden Halbinsel Malakka,
sowie indische Gewebe sind hier und an den Quais in grossartigen
Magazinen angehäuft. Auf der Rhede liegen überdies vollgeladene
Schiffe fast aller europäischen und amerikanischen Flaggen, malerische
chinesische Dschunken, malayische Praus und die eigenartig geformten
Fahrzeuge der Bewohner der Sunda-Inseln.


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[518/0534] Der grosse Ocean. der holländischen Besitzungen waren nur der nationalen Flagge ge- öffnet. Singapore war hingegen für alle Nationen frei, Schiffe irgend einer Nation entrichteten daselbst weder Zölle noch sonstige Abgaben; Malayen, Chinesen, Hindus, Araber waren in Singapore besser daran als in ihrem Vaterlande. Alle Erzeugnisse der tropischen Sunda- Inseln und hinterindischen kleinen Häfen, Kaffee und Reis an erster Stelle, fanden hier immer eine günstige Verschiffung, die Niederlassung Fremder blieb jederzeit eine vollkommen freie und war keinerlei Be- dingungen unterworfen. Heutzutage ist Singapore, wenngleich hauptsäch- lich nur Zwischenhafen an der grossen Handelsstrasse zwischen Indien und dem östlichen Asien, so doch für den Frachten- und den Personen- verkehr von hervorragender und noch immer zunehmender Bedeutung. Von der Seeseite gesehen unterscheidet sich die Stadt kaum von dem gewöhnlichen Bilde, das europäische Hafenplätze zu bieten pflegen. Das saftige Grün der reichen Vegetation und die weithin sichtbaren Thürme der Kirchen bringen einen anmuthigen Zug in das Häusergewirre, das im nordöstlichen Theile bei einem malayischen, am Ufer des Rohore River gelegenen Pfahldorfe beginnt. Von hier aus zieht sich eine mehrere Kilometer lange Reihe meist einstöckiger Häuser längs der Rhede hin; landeinwärts erstrecken sich die ver- schiedenen Quartiere der Stadt, die von drei Hügeln, Pearls Hill, Government Hill und Mount Sophia, überragt werden. Der mittlere dieser Hügel erreicht 47·5 m Höhe und trägt den Palast des Gou- verneurs, der Pearls Hill das Fort Canning, von welchem aus man einen prächtigen Ueberblick über die ganze Stadt geniesst. Wie alle Städte des Orients, die von verschiedenen Nationen und Kasten bevölkert werden, so gliedert sich auch Singapore in mehrere Quartiere oder Viertel, die sich von einander durch die Verschiedenheiten ihrer Bauart und ihrer Industrien unterscheiden. Am Landungsplatze, der durch die zahlreichen an den Quais angelegten landenden oder löschenden Dampfer und durch das leb- hafte Treiben entlang den grossen Docks ein überaus buntes Bild gewährt, liegen die Geschäftshäuser der Europäer, das Postgebäude und einige Clubs. Europäische und amerikanische Waaren, die Bodenproducte der Insel und der angrenzenden Halbinsel Malakka, sowie indische Gewebe sind hier und an den Quais in grossartigen Magazinen angehäuft. Auf der Rhede liegen überdies vollgeladene Schiffe fast aller europäischen und amerikanischen Flaggen, malerische chinesische Dschunken, malayische Praus und die eigenartig geformten Fahrzeuge der Bewohner der Sunda-Inseln.

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 518. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/534>, abgerufen am 13.05.2024.