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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Der indische Ocean.
Welthandels noch gar keine Rolle spielten; sie waren eben eminent
transportfähig zu einer Zeit, als alles darauf ankam, dass der Handels-
artikel bei möglichst geringem Volumen und Gewicht einen möglichst
hohen Werth repräsentire. Bei der Singularität der tropischen Er-
zeugnisse bildete deren masslose Vertheuerung in Folge des Trans-
portes und des Zwischenhandels noch immer kein unüberwindliches
Hinderniss für deren Verkäuflichkeit.

Seit den frühesten Zeiten stehen der ostasiatische (chinesische),
iranische, arabische und mediterrane Culturkreis mit den beiden Indien
in Verbindung. Es war dieses von Anbeginn eine Verbindung zur
See; verbindet doch nur ein einziger praktikabler Landweg, der
Kheiberpass und Kabuldurchbruch, Indien mit den Nachbarländern,
speciell mit Iran. Die 4--5000 m hohen unwegsamen Pässe über
den Himalaya kommen für den Grosshandel einfach gar nicht in
Betracht.

Werfen wir einen Blick auf die Karte. Nordwärts vom in-
dischen Ocean erstreckt sich jener zusammenhängende Steppen- und
Wüstengürtel der alten Welt, der Afrika und Asien vom atlantischen
bis nahe an das pacifische Meer durchsetzt. Stellenweise reicht er
unmittelbar an den indischen Ocean. Wenn er auch von Oasen unter-
brochen wird, so bildet er doch ein schwer zu bewältigendes Hinderniss
des Völkerverkehrs. Mit bewunderungswürdiger Energie haben schon
in fernen Zeiten acclimatisirte Stämme das Hinderniss überwunden.
So führt z. B. die älteste Karawanenstrasse der Weltgeschichte von
Gerrha im südöstlichen Arabien durch die arabisch-syrische Wüste
zum Mittelmeer. Die Lage von Gerrha weist aber auf eine jener
tiefeingeschnittenen Wasserfurchen hin, durch welche die Bewältigung
des ebengenannten Wüstengürtels erheblich erleichtert worden ist,
auf den persichen Golf, der an Wichtigkeit freilich noch von dem
arabischen Golf oder dem Rothen Meere überboten wird.

In diesen Furchenlinien hat sich der Menschen- und Waaren-
verkehr des Alterthums und des Mittelalters vollzogen; in die eine
derselben ist er seit mehr als zwanzig Jahren nach einer lange
dauernden Periode der Verödung zurückgekehrt.

Die Handelsgeschichte des Rothen Meeres enthält in nuce die
des indischen Oceans und bis zu einem gewissen Grade die der alten
Welt überhaupt.

Die Bewohner der Nil-Oase, die Hamiten Altägyptens, erzählen
uns von ihren Fahrten nach dem Lande Punt, einer Collectiv-
bezeichnung des tropischen Arabiens und Ostafrikas. Von den He-

Der indische Ocean.
Welthandels noch gar keine Rolle spielten; sie waren eben eminent
transportfähig zu einer Zeit, als alles darauf ankam, dass der Handels-
artikel bei möglichst geringem Volumen und Gewicht einen möglichst
hohen Werth repräsentire. Bei der Singularität der tropischen Er-
zeugnisse bildete deren masslose Vertheuerung in Folge des Trans-
portes und des Zwischenhandels noch immer kein unüberwindliches
Hinderniss für deren Verkäuflichkeit.

Seit den frühesten Zeiten stehen der ostasiatische (chinesische),
iranische, arabische und mediterrane Culturkreis mit den beiden Indien
in Verbindung. Es war dieses von Anbeginn eine Verbindung zur
See; verbindet doch nur ein einziger praktikabler Landweg, der
Kheiberpass und Kabuldurchbruch, Indien mit den Nachbarländern,
speciell mit Iran. Die 4—5000 m hohen unwegsamen Pässe über
den Himalaya kommen für den Grosshandel einfach gar nicht in
Betracht.

Werfen wir einen Blick auf die Karte. Nordwärts vom in-
dischen Ocean erstreckt sich jener zusammenhängende Steppen- und
Wüstengürtel der alten Welt, der Afrika und Asien vom atlantischen
bis nahe an das pacifische Meer durchsetzt. Stellenweise reicht er
unmittelbar an den indischen Ocean. Wenn er auch von Oasen unter-
brochen wird, so bildet er doch ein schwer zu bewältigendes Hinderniss
des Völkerverkehrs. Mit bewunderungswürdiger Energie haben schon
in fernen Zeiten acclimatisirte Stämme das Hinderniss überwunden.
So führt z. B. die älteste Karawanenstrasse der Weltgeschichte von
Gerrha im südöstlichen Arabien durch die arabisch-syrische Wüste
zum Mittelmeer. Die Lage von Gerrha weist aber auf eine jener
tiefeingeschnittenen Wasserfurchen hin, durch welche die Bewältigung
des ebengenannten Wüstengürtels erheblich erleichtert worden ist,
auf den persichen Golf, der an Wichtigkeit freilich noch von dem
arabischen Golf oder dem Rothen Meere überboten wird.

In diesen Furchenlinien hat sich der Menschen- und Waaren-
verkehr des Alterthums und des Mittelalters vollzogen; in die eine
derselben ist er seit mehr als zwanzig Jahren nach einer lange
dauernden Periode der Verödung zurückgekehrt.

Die Handelsgeschichte des Rothen Meeres enthält in nuce die
des indischen Oceans und bis zu einem gewissen Grade die der alten
Welt überhaupt.

Die Bewohner der Nil-Oase, die Hamiten Altägyptens, erzählen
uns von ihren Fahrten nach dem Lande Punt, einer Collectiv-
bezeichnung des tropischen Arabiens und Ostafrikas. Von den He-

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[532/0548] Der indische Ocean. Welthandels noch gar keine Rolle spielten; sie waren eben eminent transportfähig zu einer Zeit, als alles darauf ankam, dass der Handels- artikel bei möglichst geringem Volumen und Gewicht einen möglichst hohen Werth repräsentire. Bei der Singularität der tropischen Er- zeugnisse bildete deren masslose Vertheuerung in Folge des Trans- portes und des Zwischenhandels noch immer kein unüberwindliches Hinderniss für deren Verkäuflichkeit. Seit den frühesten Zeiten stehen der ostasiatische (chinesische), iranische, arabische und mediterrane Culturkreis mit den beiden Indien in Verbindung. Es war dieses von Anbeginn eine Verbindung zur See; verbindet doch nur ein einziger praktikabler Landweg, der Kheiberpass und Kabuldurchbruch, Indien mit den Nachbarländern, speciell mit Iran. Die 4—5000 m hohen unwegsamen Pässe über den Himalaya kommen für den Grosshandel einfach gar nicht in Betracht. Werfen wir einen Blick auf die Karte. Nordwärts vom in- dischen Ocean erstreckt sich jener zusammenhängende Steppen- und Wüstengürtel der alten Welt, der Afrika und Asien vom atlantischen bis nahe an das pacifische Meer durchsetzt. Stellenweise reicht er unmittelbar an den indischen Ocean. Wenn er auch von Oasen unter- brochen wird, so bildet er doch ein schwer zu bewältigendes Hinderniss des Völkerverkehrs. Mit bewunderungswürdiger Energie haben schon in fernen Zeiten acclimatisirte Stämme das Hinderniss überwunden. So führt z. B. die älteste Karawanenstrasse der Weltgeschichte von Gerrha im südöstlichen Arabien durch die arabisch-syrische Wüste zum Mittelmeer. Die Lage von Gerrha weist aber auf eine jener tiefeingeschnittenen Wasserfurchen hin, durch welche die Bewältigung des ebengenannten Wüstengürtels erheblich erleichtert worden ist, auf den persichen Golf, der an Wichtigkeit freilich noch von dem arabischen Golf oder dem Rothen Meere überboten wird. In diesen Furchenlinien hat sich der Menschen- und Waaren- verkehr des Alterthums und des Mittelalters vollzogen; in die eine derselben ist er seit mehr als zwanzig Jahren nach einer lange dauernden Periode der Verödung zurückgekehrt. Die Handelsgeschichte des Rothen Meeres enthält in nuce die des indischen Oceans und bis zu einem gewissen Grade die der alten Welt überhaupt. Die Bewohner der Nil-Oase, die Hamiten Altägyptens, erzählen uns von ihren Fahrten nach dem Lande Punt, einer Collectiv- bezeichnung des tropischen Arabiens und Ostafrikas. Von den He-

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 532. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/548>, abgerufen am 29.04.2024.