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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Melbourne.
Niederlassung, welche unter seiner Leitung hier entstand; sie zählte -- 14 Köpfe!
aber man setzte doch sofort eine Magistratsperson ein und Fawkner gab sogar
bald eine Zeitung heraus; kamen doch jeden Monat neue Zuzüge von Einwanderern.
Im Jahre 1836 verlieh man der neuen Niederlassung ihren heutigen Namen nach
dem damaligen Premierminister Englands, Lord Melbourne. 1839 zählte der Ort 450
Häuser und 3000, 1841 4440, 1846 10.945 Einwohner. Man beschäftigte sich mit
Landbau und Schafzucht und verschiffte namentlich viel Wolle. Nun ging die
Entwicklung der Colonie langsam und ruhig vor sich, und 1851 ward dieselbe
aus dem bisherigen Verbande mit Neusüdwales ausgeschieden und als ein selbst-
ständiges Colonialgebiet organisirt. Die Stadt besass damals 23.143 Einwohner.
Dieses Jahr 1851 ward aber zugleich ein Markstein für die Geschichte Mel-
bournes und ganz Australiens und brachte jenen Impuls, welcher das geradezu fabel-
hafte Wachsthum der Stadt zur Folge hatte. Im genannten Jahre entdeckte man
nämlich die Goldgruben Victorias, und wie wenige Jahre vorher das californische
Gold einen starken Strom von Einwanderern nach der pacifischen Küste Amerikas
gerufen hatte, so übte die Kunde von dem australischen Golde nun eine gleiche
Wirkung aus. Von allen Seiten strömten Menschen nach Victoria, und Melbourne
war die Hauptstätte für den ganzen Verkehr, welcher dadurch ins Leben kam.
Rasch wuchs die Bevölkerung und mit derselben deren Bedürfnisse, und mit der
Ausbeute an Gold auch die Fähigkeit, diesen Bedürfnissen nachzukommen.

Wenn wir unseren Lesern nunmehr das heutige Melbourne zu
schildern versuchen, so mögen sie dabei vor Augen haben, was diese
kurze Spanne Zeit für eine so gewaltige Leistung bedeutet. Es mag
die Männer von Melbourne ein gerechter Stolz beim Anblicke ihrer
Stadt erfüllen. Sie haben bewiesen, was Thatkraft und Energie zu
leisten vermag und haben in ihrer Stadt der menschlichen Fähigkeit
ein schönes Denkmal gesetzt.

Kommt man von der See, so führt eine schmale und nur unter
Beobachtung gewisser Vorsichten anstandslos zu passirende Einfahrt
in das grosse Becken von Port Phillip, in dessen Hintergrund nörd-
lich die Hobson Bay eine weitere Einbuchtung in das Land bildet. In
diese Bai mündet auch der von Osten her kommende Yarrafluss, mit
dem sich kurz vor der Mündung der Saltwaterfluss vereinigt. Haupt-
sächlich am erstgenannten Fluss, und zwar an dessen rechtem Ufer,
breitet sich die Stadt Melbourne aus, deren eigentlicher Kern nicht
unmittelbar an der See gelegen und nur Schiffen von 4 m Tief-
gang zugänglich ist. Vielmehr erstrecken sich nur Vororte bis an die
Hobson Bay, und dieser Theil bildet den eigentlichen Hafen von
Melbourne.

Der Yarra zeigt vielfache Krümmungen, welche dem Ufer einen
pittoresken Anstrich verleihen. Die westliche Begrenzung der Stadt
wird durch den Saltwaterfluss geformt. Zwischen dem linken -- süd-
lichen -- Ufer des Yarra und dem nördlichen Ufer der Hobson Bay

Die Seehäfen des Weltverkehrs. II. Band. 97

Melbourne.
Niederlassung, welche unter seiner Leitung hier entstand; sie zählte — 14 Köpfe!
aber man setzte doch sofort eine Magistratsperson ein und Fawkner gab sogar
bald eine Zeitung heraus; kamen doch jeden Monat neue Zuzüge von Einwanderern.
Im Jahre 1836 verlieh man der neuen Niederlassung ihren heutigen Namen nach
dem damaligen Premierminister Englands, Lord Melbourne. 1839 zählte der Ort 450
Häuser und 3000, 1841 4440, 1846 10.945 Einwohner. Man beschäftigte sich mit
Landbau und Schafzucht und verschiffte namentlich viel Wolle. Nun ging die
Entwicklung der Colonie langsam und ruhig vor sich, und 1851 ward dieselbe
aus dem bisherigen Verbande mit Neusüdwales ausgeschieden und als ein selbst-
ständiges Colonialgebiet organisirt. Die Stadt besass damals 23.143 Einwohner.
Dieses Jahr 1851 ward aber zugleich ein Markstein für die Geschichte Mel-
bournes und ganz Australiens und brachte jenen Impuls, welcher das geradezu fabel-
hafte Wachsthum der Stadt zur Folge hatte. Im genannten Jahre entdeckte man
nämlich die Goldgruben Victorias, und wie wenige Jahre vorher das californische
Gold einen starken Strom von Einwanderern nach der pacifischen Küste Amerikas
gerufen hatte, so übte die Kunde von dem australischen Golde nun eine gleiche
Wirkung aus. Von allen Seiten strömten Menschen nach Victoria, und Melbourne
war die Hauptstätte für den ganzen Verkehr, welcher dadurch ins Leben kam.
Rasch wuchs die Bevölkerung und mit derselben deren Bedürfnisse, und mit der
Ausbeute an Gold auch die Fähigkeit, diesen Bedürfnissen nachzukommen.

Wenn wir unseren Lesern nunmehr das heutige Melbourne zu
schildern versuchen, so mögen sie dabei vor Augen haben, was diese
kurze Spanne Zeit für eine so gewaltige Leistung bedeutet. Es mag
die Männer von Melbourne ein gerechter Stolz beim Anblicke ihrer
Stadt erfüllen. Sie haben bewiesen, was Thatkraft und Energie zu
leisten vermag und haben in ihrer Stadt der menschlichen Fähigkeit
ein schönes Denkmal gesetzt.

Kommt man von der See, so führt eine schmale und nur unter
Beobachtung gewisser Vorsichten anstandslos zu passirende Einfahrt
in das grosse Becken von Port Phillip, in dessen Hintergrund nörd-
lich die Hobson Bay eine weitere Einbuchtung in das Land bildet. In
diese Bai mündet auch der von Osten her kommende Yarrafluss, mit
dem sich kurz vor der Mündung der Saltwaterfluss vereinigt. Haupt-
sächlich am erstgenannten Fluss, und zwar an dessen rechtem Ufer,
breitet sich die Stadt Melbourne aus, deren eigentlicher Kern nicht
unmittelbar an der See gelegen und nur Schiffen von 4 m Tief-
gang zugänglich ist. Vielmehr erstrecken sich nur Vororte bis an die
Hobson Bay, und dieser Theil bildet den eigentlichen Hafen von
Melbourne.

Der Yarra zeigt vielfache Krümmungen, welche dem Ufer einen
pittoresken Anstrich verleihen. Die westliche Begrenzung der Stadt
wird durch den Saltwaterfluss geformt. Zwischen dem linken — süd-
lichen — Ufer des Yarra und dem nördlichen Ufer der Hobson Bay

Die Seehäfen des Weltverkehrs. II. Band. 97
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[769/0785] Melbourne. Niederlassung, welche unter seiner Leitung hier entstand; sie zählte — 14 Köpfe! aber man setzte doch sofort eine Magistratsperson ein und Fawkner gab sogar bald eine Zeitung heraus; kamen doch jeden Monat neue Zuzüge von Einwanderern. Im Jahre 1836 verlieh man der neuen Niederlassung ihren heutigen Namen nach dem damaligen Premierminister Englands, Lord Melbourne. 1839 zählte der Ort 450 Häuser und 3000, 1841 4440, 1846 10.945 Einwohner. Man beschäftigte sich mit Landbau und Schafzucht und verschiffte namentlich viel Wolle. Nun ging die Entwicklung der Colonie langsam und ruhig vor sich, und 1851 ward dieselbe aus dem bisherigen Verbande mit Neusüdwales ausgeschieden und als ein selbst- ständiges Colonialgebiet organisirt. Die Stadt besass damals 23.143 Einwohner. Dieses Jahr 1851 ward aber zugleich ein Markstein für die Geschichte Mel- bournes und ganz Australiens und brachte jenen Impuls, welcher das geradezu fabel- hafte Wachsthum der Stadt zur Folge hatte. Im genannten Jahre entdeckte man nämlich die Goldgruben Victorias, und wie wenige Jahre vorher das californische Gold einen starken Strom von Einwanderern nach der pacifischen Küste Amerikas gerufen hatte, so übte die Kunde von dem australischen Golde nun eine gleiche Wirkung aus. Von allen Seiten strömten Menschen nach Victoria, und Melbourne war die Hauptstätte für den ganzen Verkehr, welcher dadurch ins Leben kam. Rasch wuchs die Bevölkerung und mit derselben deren Bedürfnisse, und mit der Ausbeute an Gold auch die Fähigkeit, diesen Bedürfnissen nachzukommen. Wenn wir unseren Lesern nunmehr das heutige Melbourne zu schildern versuchen, so mögen sie dabei vor Augen haben, was diese kurze Spanne Zeit für eine so gewaltige Leistung bedeutet. Es mag die Männer von Melbourne ein gerechter Stolz beim Anblicke ihrer Stadt erfüllen. Sie haben bewiesen, was Thatkraft und Energie zu leisten vermag und haben in ihrer Stadt der menschlichen Fähigkeit ein schönes Denkmal gesetzt. Kommt man von der See, so führt eine schmale und nur unter Beobachtung gewisser Vorsichten anstandslos zu passirende Einfahrt in das grosse Becken von Port Phillip, in dessen Hintergrund nörd- lich die Hobson Bay eine weitere Einbuchtung in das Land bildet. In diese Bai mündet auch der von Osten her kommende Yarrafluss, mit dem sich kurz vor der Mündung der Saltwaterfluss vereinigt. Haupt- sächlich am erstgenannten Fluss, und zwar an dessen rechtem Ufer, breitet sich die Stadt Melbourne aus, deren eigentlicher Kern nicht unmittelbar an der See gelegen und nur Schiffen von 4 m Tief- gang zugänglich ist. Vielmehr erstrecken sich nur Vororte bis an die Hobson Bay, und dieser Theil bildet den eigentlichen Hafen von Melbourne. Der Yarra zeigt vielfache Krümmungen, welche dem Ufer einen pittoresken Anstrich verleihen. Die westliche Begrenzung der Stadt wird durch den Saltwaterfluss geformt. Zwischen dem linken — süd- lichen — Ufer des Yarra und dem nördlichen Ufer der Hobson Bay Die Seehäfen des Weltverkehrs. II. Band. 97

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 769. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/785>, abgerufen am 28.04.2024.