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Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776.

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aber ihr werdet hier alles finden, was den Men-
schen aufhalten kan -- Schwur und Religion,
Riegel und Mauern. -- Ueberleg das, Julius,
und hör auf zu trauren.
Julius. Jch habe noch nicht einmal so lange
getraurt, als ein Wittwer um seine Gattin --
und sie sagten ja, Blanka sey tod. Und sehen
Sie, meine Klagen sind ja nicht das Haarausrau-
fen am Sarg, es sind ja nur die Thränen am
Grabsteine. Sehn Sie meiner Schwachheit
etwas nach, lieber Vater!
Fürst. Jch hab' ihr nachgesehn -- aber
wenn ich es länger thue, so wird meine Nachsicht
selbst Schwachheit. Wach' endlich auf, und sey
das, was Du seyn solst -- Du bist kein Mäd-
chen, die Liebe ist nicht Deine ganze Bestimmung.
Du wirst ein Fürst, und musst dem Vergnügen der
Tarentiner Dein Vergnügen aufopfern lernen.
Julius. Da verlangen die Tarentiner zu
viel.
Fürst. Nicht zu viel, mein Sohn -- hier
ist nichts mehr als ein Tausch. Du giebst ihnen
Dein Vergnügen, und sie Dir ihren Ruhm.

Jn einem Jahrhundert bist Du der Fürst,
der einzige von allen Deinen Tarentinern, den
man noch kennt, wie eine Stadt mit der Entfer-
nung verschwindet, und blos noch die Thürme


aber ihr werdet hier alles finden, was den Men-
ſchen aufhalten kan — Schwur und Religion,
Riegel und Mauern. — Ueberleg das, Julius,
und hoͤr auf zu trauren.
Julius. Jch habe noch nicht einmal ſo lange
getraurt, als ein Wittwer um ſeine Gattin —
und ſie ſagten ja, Blanka ſey tod. Und ſehen
Sie, meine Klagen ſind ja nicht das Haarausrau-
fen am Sarg, es ſind ja nur die Thraͤnen am
Grabſteine. Sehn Sie meiner Schwachheit
etwas nach, lieber Vater!
Fuͤrſt. Jch hab’ ihr nachgeſehn — aber
wenn ich es laͤnger thue, ſo wird meine Nachſicht
ſelbſt Schwachheit. Wach’ endlich auf, und ſey
das, was Du ſeyn ſolſt — Du biſt kein Maͤd-
chen, die Liebe iſt nicht Deine ganze Beſtimmung.
Du wirſt ein Fuͤrſt, und muſſt dem Vergnuͤgen der
Tarentiner Dein Vergnuͤgen aufopfern lernen.
Julius. Da verlangen die Tarentiner zu
viel.
Fuͤrſt. Nicht zu viel, mein Sohn — hier
iſt nichts mehr als ein Tauſch. Du giebſt ihnen
Dein Vergnuͤgen, und ſie Dir ihren Ruhm.

Jn einem Jahrhundert biſt Du der Fuͤrſt,
der einzige von allen Deinen Tarentinern, den
man noch kennt, wie eine Stadt mit der Entfer-
nung verſchwindet, und blos noch die Thuͤrme
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[61/0065] aber ihr werdet hier alles finden, was den Men- ſchen aufhalten kan — Schwur und Religion, Riegel und Mauern. — Ueberleg das, Julius, und hoͤr auf zu trauren. Julius. Jch habe noch nicht einmal ſo lange getraurt, als ein Wittwer um ſeine Gattin — und ſie ſagten ja, Blanka ſey tod. Und ſehen Sie, meine Klagen ſind ja nicht das Haarausrau- fen am Sarg, es ſind ja nur die Thraͤnen am Grabſteine. Sehn Sie meiner Schwachheit etwas nach, lieber Vater! Fuͤrſt. Jch hab’ ihr nachgeſehn — aber wenn ich es laͤnger thue, ſo wird meine Nachſicht ſelbſt Schwachheit. Wach’ endlich auf, und ſey das, was Du ſeyn ſolſt — Du biſt kein Maͤd- chen, die Liebe iſt nicht Deine ganze Beſtimmung. Du wirſt ein Fuͤrſt, und muſſt dem Vergnuͤgen der Tarentiner Dein Vergnuͤgen aufopfern lernen. Julius. Da verlangen die Tarentiner zu viel. Fuͤrſt. Nicht zu viel, mein Sohn — hier iſt nichts mehr als ein Tauſch. Du giebſt ihnen Dein Vergnuͤgen, und ſie Dir ihren Ruhm. Jn einem Jahrhundert biſt Du der Fuͤrſt, der einzige von allen Deinen Tarentinern, den man noch kennt, wie eine Stadt mit der Entfer- nung verſchwindet, und blos noch die Thuͤrme

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Zitationshilfe: Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/leisewitz_julius_1776/65>, abgerufen am 29.04.2024.