Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lémery, Nicolas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

[Beginn Spaltensatz] allen Zeiten angemercket haben, wie daß sich die Wasser, welche über die Steinsaltzadern weggelauffen, und mit Saltz angefüllet sind, durch undencklich viel Canäle in die See ergiessen.

Die vierte ist: daß das Saltz unmöglich in der Erde müsse zugerichtet worden seyn, weil einer, der in der Chymie sich nur ein wenig umgesehen, gar bald erkennen wird, daß ein dergleichen fixes, aus saurem und aus Erde bestehendes Saltz unmöglich könne im Seewasser ausgearbeitet, und zu seiner Vollkommenheit gebracht worden seyn. Es gehöret Erde darzu, will man, daß sich ein liquor acidus zu einem Cörper bringen lassen soll, sonst wird er stets ein liquor in fluore, das ist, bey seiner Flüßigkeit verbleiben, und niemahls nicht in einen Cörper gebracht werden mögen. Wird das Seesaltz auf Chymische Art und Weise aufgelöset, so bekommt man eine Menge saueres liquoris oder Wassers, welches, weil es von seiner Erde geschieden ist, nimmermehr die Consistentz und Dicke eines Saltzes wieder wird annehmen können, man bringe es dann auf eine irdische Materie, die ihm für eine Mutter dienen möge. Da nun dieses gantz klar und sicher zu erweisen, so ists auch augenscheinlich wahr, daß das Seesaltz in der Erde seine Ausarbeitung überkommen haben muß, bevor es in das Meer geführet worden. Dieweil wir auch nicht sehen, daß einig ander Saltz, weder unter, noch über der Erde, in solcher Menge, wie das Steinsaltz, anzutreffen, so stehet auch gewiß zu glauben, daß eben von demselbigen die See ihre Saltzigkeit erhalten müsse. Zumahl, da auch das Saltz, das aus der See bereitet wird, dem Steinsaltz, was den Geschmack, die Eigenschaften und principia belanget, so gar sehr gleich und ähnlich ist, wie allbereit erinnert worden.

Allein, ich sehe schon voraus, daß mir gewißlich unterschiedenes will eingeworffen werden. Dann, man wird sprechen, sehr schwerlich möge man begreiffen, wie doch die See, die sich so schrecklich weit erstrecket, alle ihre Saltzigkeit von diesem, dem Steinsaltze, könne überkommen haben: weil zwar dasselbe in sehr grosser Menge in dem Schoos der Erden wachse, doch sey nicht abzusehen, daß es genug seyn könne, so gar viel Wassers zu versaltzen.

Auf diesen Einwurff gebe ich zur Antwort, die Schwerigkeit, und daß man nicht begreiffen möge, wie doch das Steinsaltz, die See saltzig zu machen, hinlänglich könne seyn, rühre blos daher, daß man nicht so viel Saltzadern zu Gesicht bekommt, als wie man siehet, daß die See sich so sehr weit erstrecket. Erwäget man hingegen, wie daß die Erde an viel tausend Orten und Enden mit Steinsaltze, oder solchem Saltze, das dem Steinsaltz ähnlich kommt, gantz angefüllet ist, und daß es sich, seit dem die Welt erschaffen worden, unaufhörlich in die See ergiesse, so wird man wol begreiffen können, wie daß die Erde beständig Saltz genug die See zu saltzen, in sich hat gehalten, und noch in sich hält.

Man möchte fernerweit einwerffen, die See müsse, nach meinen Reden, noch täglich mehr gesaltzen werden, weil sie ohn Unterlaß frisch Saltz bekommt, welches iedoch nicht zu vermercken stehet.

[Spaltenumbruch]

Darauf antworte ich, wie daß wir nicht mögen spüren, daß sich die Saltzigkeit der See vermehren solle. Dann, kommt viel Saltz darein, so dünstet auch desselben eine grosse Menge wiederum hinweg, indem die Wellen so gewaltig und so schnelle an einander schlagen, daß sie nicht eine kleine Menge dieses ihres Saltzes flüchtig machen, welches man aus der gesaltzenen Luft mehr als zu wol abnehmen kan, die man einziehen muß, wann man sich auf der See befindet, und welche, nebst des Schiffes wancken, nicht wenig zum erbrechen hilfft. Wird nun dieses Saltz vom Winde auf das Land getrieben, so dienet es zu dessen Fruchtbarkeit: es kan auch, da es allda gleichsam eine neue Mutter überkommt, daselbst sich sammlen, figiren, und neue Steinsaltzadern machen; hernachmahls kan es wiederum ins Meer gerissen, oder in die Brunnen und stehende Seen geführet werden. Und auf diese Weise mag man leicht begreiffen, wie daß es, seit dem daß die Welt ist Welt gewesen, oder, seit dem dieselbige gestanden hat, beständig, ohne Aufhören, wie in dem Kreise sey herum getrieben worden.

In Normandie bereiten sie das Seesaltz auf solche Weise: sie lassen das Seewasser über dem Feuer, in grossen bleyernen Kesseln, gantz abrauchen, so hinterbleibt das weisse Saltz: allein, es ist nicht also scharff und saltzig, wie das zu Rochelle, weil es ist abgerauchet worden; mag auch wol seyn, daß einige Theilgen von dem Bley sich abgelöset haben, die machen alsdann seine kleinen Spitzlein etwas stumpf. Dieses Saltz wird immer schwächer, ie älter es wird.

Zu Brouage, zu Rochelle, und in vielen andern Ländern mehr, wo es Saltzsümpfe giebet, wird dieses Saltz crystallisiret. Die Saltzsümpfe sind grosse, platte und niedrige Oerter, so von Natur unfern vom Meer entlegen sind. Die werden mit einer lettigen, oder thonigten Erde überzogen, damit sie das Saltzwasser erhalten mögen. Zu Anfang des Winters wird süsses Wasser drein gelassen, damit der Thon nicht dörre werden, reissen und verderben könne. Im Frühjahr aber, wann es wiederum beginnet warm zu werden, wird dieses süsse Wasser ausgeschöpft, und an seine Stelle, nach und nach, soviel, als man nur will, Seewasser drein gelassen, das muß durch unterschiedene Canäle gehen, die also angeleget sind, daß es darinne eine gute Zeit kan gleichsam circuliren, bevor es stille stehen darff. Diese circulation ist dazu nöthig, damit das Seewasser um soviel desto reiner werde, und die Sonne einen Theil von der dabey befindlichen Wäßrigkeit ausziehen möge. Wann nun dieses Wasser einen ziemlich langen Weg gelauffen ist, und allerhand Umschweiffe nehmen müssen, so ergiesset es sich endlich über das schief abgegrabene Land in die Saltzhälter, welches solche Plätze sind, die mit Fleiß darzu ausgegraben, gantz dicht und glatt, platt und breit gemachet seyn, da bleibet es geruhiglich stehen, bis daß es eine Haut bekommt, wozu es durch die linde, kühle Luft gnug zubereitet wird, die insgemeine um den Strand des Abends pflegt zu wehen. Dergestalt wird das Seesaltz dick, und zu Crystallen gemacht, welche eine cubische, oder einem Würffel gleiche Figur haben: die werden aus den [Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] allen Zeiten angemercket haben, wie daß sich die Wasser, welche über die Steinsaltzadern weggelauffen, und mit Saltz angefüllet sind, durch undencklich viel Canäle in die See ergiessen.

Die vierte ist: daß das Saltz unmöglich in der Erde müsse zugerichtet worden seyn, weil einer, der in der Chymie sich nur ein wenig umgesehen, gar bald erkennen wird, daß ein dergleichen fixes, aus saurem und aus Erde bestehendes Saltz unmöglich könne im Seewasser ausgearbeitet, und zu seiner Vollkommenheit gebracht worden seyn. Es gehöret Erde darzu, will man, daß sich ein liquor acidus zu einem Cörper bringen lassen soll, sonst wird er stets ein liquor in fluore, das ist, bey seiner Flüßigkeit verbleiben, und niemahls nicht in einen Cörper gebracht werden mögen. Wird das Seesaltz auf Chymische Art und Weise aufgelöset, so bekommt man eine Menge saueres liquoris oder Wassers, welches, weil es von seiner Erde geschieden ist, nimmermehr die Consistentz und Dicke eines Saltzes wieder wird annehmen können, man bringe es dann auf eine irdische Materie, die ihm für eine Mutter dienen möge. Da nun dieses gantz klar und sicher zu erweisen, so ists auch augenscheinlich wahr, daß das Seesaltz in der Erde seine Ausarbeitung überkommen haben muß, bevor es in das Meer geführet worden. Dieweil wir auch nicht sehen, daß einig ander Saltz, weder unter, noch über der Erde, in solcher Menge, wie das Steinsaltz, anzutreffen, so stehet auch gewiß zu glauben, daß eben von demselbigen die See ihre Saltzigkeit erhalten müsse. Zumahl, da auch das Saltz, das aus der See bereitet wird, dem Steinsaltz, was den Geschmack, die Eigenschaften und principia belanget, so gar sehr gleich und ähnlich ist, wie allbereit erinnert worden.

Allein, ich sehe schon voraus, daß mir gewißlich unterschiedenes will eingeworffen werden. Dann, man wird sprechen, sehr schwerlich möge man begreiffen, wie doch die See, die sich so schrecklich weit erstrecket, alle ihre Saltzigkeit von diesem, dem Steinsaltze, könne überkommen haben: weil zwar dasselbe in sehr grosser Menge in dem Schoos der Erden wachse, doch sey nicht abzusehen, daß es genug seyn könne, so gar viel Wassers zu versaltzen.

Auf diesen Einwurff gebe ich zur Antwort, die Schwerigkeit, und daß man nicht begreiffen möge, wie doch das Steinsaltz, die See saltzig zu machen, hinlänglich könne seyn, rühre blos daher, daß man nicht so viel Saltzadern zu Gesicht bekommt, als wie man siehet, daß die See sich so sehr weit erstrecket. Erwäget man hingegen, wie daß die Erde an viel tausend Orten und Enden mit Steinsaltze, oder solchem Saltze, das dem Steinsaltz ähnlich kommt, gantz angefüllet ist, und daß es sich, seit dem die Welt erschaffen worden, unaufhörlich in die See ergiesse, so wird man wol begreiffen können, wie daß die Erde beständig Saltz genug die See zu saltzen, in sich hat gehalten, und noch in sich hält.

Man möchte fernerweit einwerffen, die See müsse, nach meinen Reden, noch täglich mehr gesaltzen werden, weil sie ohn Unterlaß frisch Saltz bekommt, welches iedoch nicht zu vermercken stehet.

[Spaltenumbruch]

Darauf antworte ich, wie daß wir nicht mögen spüren, daß sich die Saltzigkeit der See vermehren solle. Dann, kommt viel Saltz darein, so dünstet auch desselben eine grosse Menge wiederum hinweg, indem die Wellen so gewaltig und so schnelle an einander schlagen, daß sie nicht eine kleine Menge dieses ihres Saltzes flüchtig machen, welches man aus der gesaltzenen Luft mehr als zu wol abnehmen kan, die man einziehen muß, wann man sich auf der See befindet, und welche, nebst des Schiffes wancken, nicht wenig zum erbrechen hilfft. Wird nun dieses Saltz vom Winde auf das Land getrieben, so dienet es zu dessen Fruchtbarkeit: es kan auch, da es allda gleichsam eine neue Mutter überkommt, daselbst sich sammlen, figiren, und neue Steinsaltzadern machen; hernachmahls kan es wiederum ins Meer gerissen, oder in die Brunnen und stehende Seen geführet werden. Und auf diese Weise mag man leicht begreiffen, wie daß es, seit dem daß die Welt ist Welt gewesen, oder, seit dem dieselbige gestanden hat, beständig, ohne Aufhören, wie in dem Kreise sey herum getrieben worden.

In Normandie bereiten sie das Seesaltz auf solche Weise: sie lassen das Seewasser über dem Feuer, in grossen bleyernen Kesseln, gantz abrauchen, so hinterbleibt das weisse Saltz: allein, es ist nicht also scharff und saltzig, wie das zu Rochelle, weil es ist abgerauchet worden; mag auch wol seyn, daß einige Theilgen von dem Bley sich abgelöset haben, die machen alsdann seine kleinen Spitzlein etwas stumpf. Dieses Saltz wird immer schwächer, ie älter es wird.

Zu Brouage, zu Rochelle, und in vielen andern Ländern mehr, wo es Saltzsümpfe giebet, wird dieses Saltz crystallisiret. Die Saltzsümpfe sind grosse, platte und niedrige Oerter, so von Natur unfern vom Meer entlegen sind. Die werden mit einer lettigen, oder thonigten Erde überzogen, damit sie das Saltzwasser erhalten mögen. Zu Anfang des Winters wird süsses Wasser drein gelassen, damit der Thon nicht dörre werden, reissen und verderben könne. Im Frühjahr aber, wann es wiederum beginnet warm zu werden, wird dieses süsse Wasser ausgeschöpft, und an seine Stelle, nach und nach, soviel, als man nur will, Seewasser drein gelassen, das muß durch unterschiedene Canäle gehen, die also angeleget sind, daß es darinne eine gute Zeit kan gleichsam circuliren, bevor es stille stehen darff. Diese circulation ist dazu nöthig, damit das Seewasser um soviel desto reiner werde, und die Sonne einen Theil von der dabey befindlichen Wäßrigkeit ausziehen möge. Wann nun dieses Wasser einen ziemlich langen Weg gelauffen ist, und allerhand Umschweiffe nehmen müssen, so ergiesset es sich endlich über das schief abgegrabene Land in die Saltzhälter, welches solche Plätze sind, die mit Fleiß darzu ausgegraben, gantz dicht und glatt, platt und breit gemachet seyn, da bleibet es geruhiglich stehen, bis daß es eine Haut bekommt, wozu es durch die linde, kühle Luft gnug zubereitet wird, die insgemeine um den Strand des Abends pflegt zu wehen. Dergestalt wird das Seesaltz dick, und zu Crystallen gemacht, welche eine cubische, oder einem Würffel gleiche Figur haben: die werden aus den [Ende Spaltensatz]

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div type="lexiconEntry">
          <p><pb facs="#f0515"/><cb type="start"/>
allen Zeiten angemercket haben, wie daß sich die Wasser, welche über die Steinsaltzadern weggelauffen, und mit Saltz angefüllet sind, durch undencklich viel Canäle in die See ergiessen.</p><lb/>
          <p>Die vierte ist: daß das Saltz unmöglich in der Erde müsse zugerichtet worden seyn, weil einer, der in der Chymie sich nur ein wenig umgesehen, gar bald erkennen wird, daß ein dergleichen fixes, aus saurem und aus Erde bestehendes Saltz unmöglich könne im Seewasser ausgearbeitet, und zu seiner Vollkommenheit gebracht worden seyn. Es gehöret Erde darzu, will man, daß sich ein <hi rendition="#i">liquor acidus</hi> zu einem Cörper bringen lassen soll, sonst wird er stets ein <hi rendition="#i">liquor in fluore,</hi> das ist, bey seiner Flüßigkeit verbleiben, und niemahls nicht in einen Cörper gebracht werden mögen. Wird das Seesaltz auf Chymische Art und Weise aufgelöset, so bekommt man eine Menge saueres <hi rendition="#i">liquoris</hi> oder Wassers, welches, weil es von seiner Erde geschieden ist, nimmermehr die Consistentz und Dicke eines Saltzes wieder wird annehmen können, man bringe es dann auf eine irdische Materie, die ihm für eine Mutter dienen möge. Da nun dieses gantz klar und sicher zu erweisen, so ists auch augenscheinlich wahr, daß das Seesaltz in der Erde seine Ausarbeitung überkommen haben muß, bevor es in das Meer geführet worden. Dieweil wir auch nicht sehen, daß einig ander Saltz, weder unter, noch über der Erde, in solcher Menge, wie das Steinsaltz, anzutreffen, so stehet auch gewiß zu glauben, daß eben von demselbigen die See ihre Saltzigkeit erhalten müsse. Zumahl, da auch das Saltz, das aus der See bereitet wird, dem Steinsaltz, was den Geschmack, die Eigenschaften und <hi rendition="#i">principia</hi> belanget, so gar sehr gleich und ähnlich ist, wie allbereit erinnert worden.</p><lb/>
          <p>Allein, ich sehe schon voraus, daß mir gewißlich unterschiedenes will eingeworffen werden. Dann, man wird sprechen, sehr schwerlich möge man begreiffen, wie doch die See, die sich so schrecklich weit erstrecket, alle ihre Saltzigkeit von diesem, dem Steinsaltze, könne überkommen haben: weil zwar dasselbe in sehr grosser Menge in dem Schoos der Erden wachse, doch sey nicht abzusehen, daß es genug seyn könne, so gar viel Wassers zu versaltzen.</p><lb/>
          <p>Auf diesen Einwurff gebe ich zur Antwort, die Schwerigkeit, und daß man nicht begreiffen möge, wie doch das Steinsaltz, die See saltzig zu machen, hinlänglich könne seyn, rühre blos daher, daß man nicht so viel Saltzadern zu Gesicht bekommt, als wie man siehet, daß die See sich so sehr weit erstrecket. Erwäget man hingegen, wie daß die Erde an viel tausend Orten und Enden mit Steinsaltze, oder solchem Saltze, das dem Steinsaltz ähnlich kommt, gantz angefüllet ist, und daß es sich, seit dem die Welt erschaffen worden, unaufhörlich in die See ergiesse, so wird man wol begreiffen können, wie daß die Erde beständig Saltz genug die See zu saltzen, in sich hat gehalten, und noch in sich hält.</p><lb/>
          <p>Man möchte fernerweit einwerffen, die See müsse, nach meinen Reden, noch täglich mehr gesaltzen werden, weil sie ohn Unterlaß frisch Saltz bekommt, welches iedoch nicht zu vermercken stehet.</p>
          <cb/>
          <p>Darauf antworte ich, wie daß wir nicht mögen spüren, daß sich die Saltzigkeit der See vermehren solle. Dann, kommt viel Saltz darein, so dünstet auch desselben eine grosse Menge wiederum hinweg, indem die Wellen so gewaltig und so schnelle an einander schlagen, daß sie nicht eine kleine Menge dieses ihres Saltzes flüchtig machen, welches man aus der gesaltzenen Luft mehr als zu wol abnehmen kan, die man einziehen muß, wann man sich auf der See befindet, und welche, nebst des Schiffes wancken, nicht wenig zum erbrechen hilfft. Wird nun dieses Saltz vom Winde auf das Land getrieben, so dienet es zu dessen Fruchtbarkeit: es kan auch, da es allda gleichsam eine neue Mutter überkommt, daselbst sich sammlen, figiren, und neue Steinsaltzadern machen; hernachmahls kan es wiederum ins Meer gerissen, oder in die Brunnen und stehende Seen geführet werden. Und auf diese Weise mag man leicht begreiffen, wie daß es, seit dem daß die Welt ist Welt gewesen, oder, seit dem dieselbige gestanden hat, beständig, ohne Aufhören, wie in dem Kreise sey herum getrieben worden.</p><lb/>
          <p>In <hi rendition="#fr">Normandie</hi> bereiten sie das Seesaltz auf solche Weise: sie lassen das Seewasser über dem Feuer, in grossen bleyernen Kesseln, gantz abrauchen, so hinterbleibt das weisse Saltz: allein, es ist nicht also scharff und saltzig, wie das zu Rochelle, weil es ist abgerauchet worden; mag auch wol seyn, daß einige Theilgen von dem Bley sich abgelöset haben, die machen alsdann seine kleinen Spitzlein etwas stumpf. Dieses Saltz wird immer schwächer, ie älter es wird.</p><lb/>
          <p>Zu <hi rendition="#fr">Brouage,</hi> zu <hi rendition="#fr">Rochelle,</hi> und in vielen andern Ländern mehr, wo es Saltzsümpfe giebet, wird dieses Saltz crystallisiret. Die Saltzsümpfe sind grosse, platte und niedrige Oerter, so von Natur unfern vom Meer entlegen sind. Die werden mit einer lettigen, oder thonigten Erde überzogen, damit sie das Saltzwasser erhalten mögen. Zu Anfang des Winters wird süsses Wasser drein gelassen, damit der Thon nicht dörre werden, reissen und verderben könne. Im Frühjahr aber, wann es wiederum beginnet warm zu werden, wird dieses süsse Wasser ausgeschöpft, und an seine Stelle, nach und nach, soviel, als man nur will, Seewasser drein gelassen, das muß durch unterschiedene Canäle gehen, die also angeleget sind, daß es darinne eine gute Zeit kan gleichsam <hi rendition="#i">circuli</hi>ren, bevor es stille stehen darff. Diese <hi rendition="#i">circulation</hi> ist dazu nöthig, damit das Seewasser um soviel desto reiner werde, und die Sonne einen Theil von der dabey befindlichen Wäßrigkeit ausziehen möge. Wann nun dieses Wasser einen ziemlich langen Weg gelauffen ist, und allerhand Umschweiffe nehmen müssen, so ergiesset es sich endlich über das schief abgegrabene Land in die Saltzhälter, welches solche Plätze sind, die mit Fleiß darzu ausgegraben, gantz dicht und glatt, platt und breit gemachet seyn, da bleibet es geruhiglich stehen, bis daß es eine Haut bekommt, wozu es durch die linde, kühle Luft gnug zubereitet wird, die insgemeine um den Strand des Abends pflegt zu wehen. Dergestalt wird das Seesaltz dick, und zu Crystallen gemacht, welche eine cubische, oder einem Würffel gleiche Figur haben: die werden aus den <cb type="end"/>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0515] allen Zeiten angemercket haben, wie daß sich die Wasser, welche über die Steinsaltzadern weggelauffen, und mit Saltz angefüllet sind, durch undencklich viel Canäle in die See ergiessen. Die vierte ist: daß das Saltz unmöglich in der Erde müsse zugerichtet worden seyn, weil einer, der in der Chymie sich nur ein wenig umgesehen, gar bald erkennen wird, daß ein dergleichen fixes, aus saurem und aus Erde bestehendes Saltz unmöglich könne im Seewasser ausgearbeitet, und zu seiner Vollkommenheit gebracht worden seyn. Es gehöret Erde darzu, will man, daß sich ein liquor acidus zu einem Cörper bringen lassen soll, sonst wird er stets ein liquor in fluore, das ist, bey seiner Flüßigkeit verbleiben, und niemahls nicht in einen Cörper gebracht werden mögen. Wird das Seesaltz auf Chymische Art und Weise aufgelöset, so bekommt man eine Menge saueres liquoris oder Wassers, welches, weil es von seiner Erde geschieden ist, nimmermehr die Consistentz und Dicke eines Saltzes wieder wird annehmen können, man bringe es dann auf eine irdische Materie, die ihm für eine Mutter dienen möge. Da nun dieses gantz klar und sicher zu erweisen, so ists auch augenscheinlich wahr, daß das Seesaltz in der Erde seine Ausarbeitung überkommen haben muß, bevor es in das Meer geführet worden. Dieweil wir auch nicht sehen, daß einig ander Saltz, weder unter, noch über der Erde, in solcher Menge, wie das Steinsaltz, anzutreffen, so stehet auch gewiß zu glauben, daß eben von demselbigen die See ihre Saltzigkeit erhalten müsse. Zumahl, da auch das Saltz, das aus der See bereitet wird, dem Steinsaltz, was den Geschmack, die Eigenschaften und principia belanget, so gar sehr gleich und ähnlich ist, wie allbereit erinnert worden. Allein, ich sehe schon voraus, daß mir gewißlich unterschiedenes will eingeworffen werden. Dann, man wird sprechen, sehr schwerlich möge man begreiffen, wie doch die See, die sich so schrecklich weit erstrecket, alle ihre Saltzigkeit von diesem, dem Steinsaltze, könne überkommen haben: weil zwar dasselbe in sehr grosser Menge in dem Schoos der Erden wachse, doch sey nicht abzusehen, daß es genug seyn könne, so gar viel Wassers zu versaltzen. Auf diesen Einwurff gebe ich zur Antwort, die Schwerigkeit, und daß man nicht begreiffen möge, wie doch das Steinsaltz, die See saltzig zu machen, hinlänglich könne seyn, rühre blos daher, daß man nicht so viel Saltzadern zu Gesicht bekommt, als wie man siehet, daß die See sich so sehr weit erstrecket. Erwäget man hingegen, wie daß die Erde an viel tausend Orten und Enden mit Steinsaltze, oder solchem Saltze, das dem Steinsaltz ähnlich kommt, gantz angefüllet ist, und daß es sich, seit dem die Welt erschaffen worden, unaufhörlich in die See ergiesse, so wird man wol begreiffen können, wie daß die Erde beständig Saltz genug die See zu saltzen, in sich hat gehalten, und noch in sich hält. Man möchte fernerweit einwerffen, die See müsse, nach meinen Reden, noch täglich mehr gesaltzen werden, weil sie ohn Unterlaß frisch Saltz bekommt, welches iedoch nicht zu vermercken stehet. Darauf antworte ich, wie daß wir nicht mögen spüren, daß sich die Saltzigkeit der See vermehren solle. Dann, kommt viel Saltz darein, so dünstet auch desselben eine grosse Menge wiederum hinweg, indem die Wellen so gewaltig und so schnelle an einander schlagen, daß sie nicht eine kleine Menge dieses ihres Saltzes flüchtig machen, welches man aus der gesaltzenen Luft mehr als zu wol abnehmen kan, die man einziehen muß, wann man sich auf der See befindet, und welche, nebst des Schiffes wancken, nicht wenig zum erbrechen hilfft. Wird nun dieses Saltz vom Winde auf das Land getrieben, so dienet es zu dessen Fruchtbarkeit: es kan auch, da es allda gleichsam eine neue Mutter überkommt, daselbst sich sammlen, figiren, und neue Steinsaltzadern machen; hernachmahls kan es wiederum ins Meer gerissen, oder in die Brunnen und stehende Seen geführet werden. Und auf diese Weise mag man leicht begreiffen, wie daß es, seit dem daß die Welt ist Welt gewesen, oder, seit dem dieselbige gestanden hat, beständig, ohne Aufhören, wie in dem Kreise sey herum getrieben worden. In Normandie bereiten sie das Seesaltz auf solche Weise: sie lassen das Seewasser über dem Feuer, in grossen bleyernen Kesseln, gantz abrauchen, so hinterbleibt das weisse Saltz: allein, es ist nicht also scharff und saltzig, wie das zu Rochelle, weil es ist abgerauchet worden; mag auch wol seyn, daß einige Theilgen von dem Bley sich abgelöset haben, die machen alsdann seine kleinen Spitzlein etwas stumpf. Dieses Saltz wird immer schwächer, ie älter es wird. Zu Brouage, zu Rochelle, und in vielen andern Ländern mehr, wo es Saltzsümpfe giebet, wird dieses Saltz crystallisiret. Die Saltzsümpfe sind grosse, platte und niedrige Oerter, so von Natur unfern vom Meer entlegen sind. Die werden mit einer lettigen, oder thonigten Erde überzogen, damit sie das Saltzwasser erhalten mögen. Zu Anfang des Winters wird süsses Wasser drein gelassen, damit der Thon nicht dörre werden, reissen und verderben könne. Im Frühjahr aber, wann es wiederum beginnet warm zu werden, wird dieses süsse Wasser ausgeschöpft, und an seine Stelle, nach und nach, soviel, als man nur will, Seewasser drein gelassen, das muß durch unterschiedene Canäle gehen, die also angeleget sind, daß es darinne eine gute Zeit kan gleichsam circuliren, bevor es stille stehen darff. Diese circulation ist dazu nöthig, damit das Seewasser um soviel desto reiner werde, und die Sonne einen Theil von der dabey befindlichen Wäßrigkeit ausziehen möge. Wann nun dieses Wasser einen ziemlich langen Weg gelauffen ist, und allerhand Umschweiffe nehmen müssen, so ergiesset es sich endlich über das schief abgegrabene Land in die Saltzhälter, welches solche Plätze sind, die mit Fleiß darzu ausgegraben, gantz dicht und glatt, platt und breit gemachet seyn, da bleibet es geruhiglich stehen, bis daß es eine Haut bekommt, wozu es durch die linde, kühle Luft gnug zubereitet wird, die insgemeine um den Strand des Abends pflegt zu wehen. Dergestalt wird das Seesaltz dick, und zu Crystallen gemacht, welche eine cubische, oder einem Würffel gleiche Figur haben: die werden aus den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

TextGrid: Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Texttranskription. (2020-02-19T20:05:58Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2020-02-19T20:05:58Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht übernommen; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; i/j in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: dokumentiert; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: nein;

Abbildungen innerhalb des Textteils wurden nicht markiert. Die Stichwörter der einzelnen Einträge innerhalb des Textteils sind, abweichend von der Vorlage, nicht in Versalien gesetzt.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lemery_lexicon_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lemery_lexicon_1721/515
Zitationshilfe: Lémery, Nicolas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lemery_lexicon_1721/515>, abgerufen am 05.05.2024.