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Lémery, Nicolas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721.

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[Beginn Spaltensatz] so groß seyn als er will: z.E. ein Karat von einer Untze recht wol gereinigtes Goldes ist ein Scrupel, oder 24. Gran.

Das zum höchsten gereinigte Gold wird Gold von 24. Karat genennet: dann, wann man eine Untze von solchem Golde auf die Probe setzet, so muß ihm nichts abgehen. Gehet aber einer Untze Gold auf der Probe ein Scrupel ab, so heist es Gold von 23. Karat: gehen zwey Scrupel ab, so heist es Gold von 22. Karat; und so fortan. Allein, die meisten Schmeltzer glauben nicht, daß es Gold von 24. Karaten gebe, dieweil doch allezeit etwas, ob schon nur weniges Silber beym Golde bleibe, wann es auch noch so gut gereiniget würde.

Mit dem Quecksilber vermischet und vereiniget sich des Gold überaus leicht und wird alsdann amalgamiret Gold, Amalgame d'or auf frantzösisch, lateinisch, Amalgama auri genennet. Will man es machen, so setzet man Gold, in gantz kleine sehr dünne Stücklein zerschnitten, in einen Schmeltztiegel ins Feuer, und lässets glühen; schüttet darzu achtmahl so schwer Quecksilber; und rühret die Materie mit einem eisernen Drate wohl um. Verspüret man dann, daß es in einander gegangen, welches in gantz kurtzer Zeit zu geschehen pfleget, so schüttet man es aus, in ein irden Geschirr voll Wasser: darinne läufft es zusammen, daß mans zerreiben kan. Hierauf wäscht man es, damit die Schwärtze davon komme, und bringet das übrige Quecksilber, das nicht eingehen wollen, davon, indem man es in ein Stücklein Leinwand schüttet und ein wenig mit dem Finger drücket. Es wird aber darum so viel Quecksilber zum Golde gesetzet, damit es sich desto besser damit vereinigen möge: dann, ie mehr Quecksilber zum amalgama genommen wird, ie linder wird es, und ie besser läst es sich tractiren. Das Gold aber kan mehr nicht als eine gewisse Menge Quecksilber annehmen: wann nun seine Löchlein davon voll sind worden, so ist der Rest nichts weiter nütz.

Das amalgamirte Gold wird zum vergolden gebrauchet, dann es läst sich auf der Arbeit recht wol ausbreiten.

Das gereinigte Gold strecket sich unter dem Hammer weit besser, als einig anderes Metall. Die Goldschlager schlagen es zu überaus dünnen Blättlein, die sie zwischen kleine Büchlein pflegen zu legen. Diese Goldblättlein werden zum vergolden gebrauchet, auch werden sie in der Apothecke gebrauchet, und viel eher zur Artzney genommen, als einige andere Art des Goldes, wie es auch zugerichtet ist: dann es lässet sich nicht nur sehr füglich mit den anderen Stücken vermischen, sondern machet auch den Artzneyen ein besseres und schöneres Ansehen, indem es als wie Füncklein oder Flitterlein darinn erscheinet.

Dieweil das Gold unter allen Metallen das schwereste, dichteste, vesteste und schönste ist, deswegen ist es auch für das vollkommenste zu iederzeit gehalten worden. So hat sich auch eine gewisse Secte der Philosophen, die Alchymisten genannt, beständig eingebildet, ob hätte die Natur ihren einigen Endzweck in den Bergwercken und Gruben die Hervorbringung des Goldes seyn lassen. Doch diese Meinung und Gedancken sind nie iederman anständig gewesen; indem mit weit grösserem Recht geglaubet [Spaltenumbruch] wird, daß Eisen, Bley, Kupfer und die anderen Metalle, welche unvollkommene genennet werden wollen, eben dieselbige Vollkommenheit erlanget haben, welche sie sowohl als wie das Gold, von Natur haben sollen. Die Herren Alchymisten haben sich durch diese ihre Gedancken auf einen gantzen Hauffen anderer Einbildung oder Grillen lassen verführen, welche iedoch eben also richtig, als wie die ersten. Sie bilden sich steiff und veste ein, ob stünde in ihrem Vermögen diese unvollkommene Metalle gantz vollkommen zu machen, und den Fehler der Natur dran zu ersetzen. Und diese Arbeit nennen sie das grosse Werck oder die Aufsuchung des philosophischen Steins, oder des Steines der Weisen. Dazu nun zu gelangen, so vermischen einige die unvollkommenen Metalle mit ein und andern Dingen, welche zu deren Reinigung verhelffen sollen; und calciniren sie eine feine lange Zeit in der heftigsten Glut, damit sie mit ihrer Reinigung doch endlich möchten zu Ende kommen: gleich als ob die Natur der Wärme bey deren Hervorbringung vergessen hätte.

Andere stellen diese Metalle in digestion in saltzigte und durchdringende liquores übers Feuer, damit sie dieselbigen zur Fäulung bringen, und den Mercurius draus ziehen möchten, welcher, ihrem Vorgeben nach, die einige Materie ist, die in Gold kan verwandelt werden.

Andere suchen den Goldsamen im Golde selber, und glauben vestiglich, daß sie ihn in demselben finden mögen, wie etwa der Samen von einem Gewächse an demselbigen Gewächse mag gefunden werden, oder aber der Samen eines Thieres in demselbigen Thiere: dannenhero trachten sie solches zu erhalten, indem sie das Gold durch allerhand disolventia suchen aufzulösen. Lassen es deswegen bey dem Lampenfeuer digeriren, oder an der Sonne, oder im Miste, oder bey einem andern Grade eines beständig gleichen Feuers, so demjenigen am nähesten beykomt, dessen sich die Natur bedienet.

Wieder andere suchen den Samen des Goldes in den Mineralien, z.E. im Spießglase, in welchen, ihrem Vorgeben nach, eben solcher Schwefel und Mercurius stecken soll, als wie im Golde. Noch andere thun solches in den Kräutern, und Vegetabilien, z.E. im Honig, in der Manna, im Sonnenthau, im Rosmarin. Und dann auch einige in den Thieren, z.E. in deren Kiefern, im Blute, im Gehirn, im Hertzen und im Horn.

Andere bilden ihnen ein, sie wolten einen Goldsamen gewiß ertappen, wann sie nur die Sonnenstrahlen auf eine und andere Art figiren könten. Dann sie bilden ihnen, nebst vielen Astrologen, als eine gantz unstreitige Wahrheit ein, daß die Sonne ein Klumpen geschmoltzen Gold im Mittelpunct der Erden sey, und von dem Feuer der sie umgebenden Sterne cupelliret: auch die Strahlen, welche sie auf allen Seiten von sich wirfft und funckeln läst, kämen von den Füncklein her, die davon los würden, eben als wie bey der Reinigung des Goldes auf der Capelle geschiehet.

Wann ich alle die albernen Einfälle der Alchymisten, zusamt ihren so mannigfaltigen Arbeiten, welche sie zu Erhaltung ihres abgezielten Zweckes ausgesonnen und erdacht, erzehlen solte, würde ich nur gar zu sehr weitläufftig gehen müssen: sie sparen weder [Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] so groß seyn als er will: z.E. ein Karat von einer Untze recht wol gereinigtes Goldes ist ein Scrupel, oder 24. Gran.

Das zum höchsten gereinigte Gold wird Gold von 24. Karat genennet: dann, wann man eine Untze von solchem Golde auf die Probe setzet, so muß ihm nichts abgehen. Gehet aber einer Untze Gold auf der Probe ein Scrupel ab, so heist es Gold von 23. Karat: gehen zwey Scrupel ab, so heist es Gold von 22. Karat; und so fortan. Allein, die meisten Schmeltzer glauben nicht, daß es Gold von 24. Karaten gebe, dieweil doch allezeit etwas, ob schon nur weniges Silber beym Golde bleibe, wann es auch noch so gut gereiniget würde.

Mit dem Quecksilber vermischet und vereiniget sich des Gold überaus leicht und wird alsdann amalgamiret Gold, Amalgame d'or auf frantzösisch, lateinisch, Amalgama auri genennet. Will man es machen, so setzet man Gold, in gantz kleine sehr dünne Stücklein zerschnitten, in einen Schmeltztiegel ins Feuer, und lässets glühen; schüttet darzu achtmahl so schwer Quecksilber; und rühret die Materie mit einem eisernen Drate wohl um. Verspüret man dann, daß es in einander gegangen, welches in gantz kurtzer Zeit zu geschehen pfleget, so schüttet man es aus, in ein irden Geschirr voll Wasser: darinne läufft es zusammen, daß mans zerreiben kan. Hierauf wäscht man es, damit die Schwärtze davon komme, und bringet das übrige Quecksilber, das nicht eingehen wollen, davon, indem man es in ein Stücklein Leinwand schüttet und ein wenig mit dem Finger drücket. Es wird aber darum so viel Quecksilber zum Golde gesetzet, damit es sich desto besser damit vereinigen möge: dann, ie mehr Quecksilber zum amalgama genommen wird, ie linder wird es, und ie besser läst es sich tractiren. Das Gold aber kan mehr nicht als eine gewisse Menge Quecksilber annehmen: wann nun seine Löchlein davon voll sind worden, so ist der Rest nichts weiter nütz.

Das amalgamirte Gold wird zum vergolden gebrauchet, dann es läst sich auf der Arbeit recht wol ausbreiten.

Das gereinigte Gold strecket sich unter dem Hammer weit besser, als einig anderes Metall. Die Goldschlager schlagen es zu überaus dünnen Blättlein, die sie zwischen kleine Büchlein pflegen zu legen. Diese Goldblättlein werden zum vergolden gebrauchet, auch werden sie in der Apothecke gebrauchet, und viel eher zur Artzney genommen, als einige andere Art des Goldes, wie es auch zugerichtet ist: dann es lässet sich nicht nur sehr füglich mit den anderen Stücken vermischen, sondern machet auch den Artzneyen ein besseres und schöneres Ansehen, indem es als wie Füncklein oder Flitterlein darinn erscheinet.

Dieweil das Gold unter allen Metallen das schwereste, dichteste, vesteste und schönste ist, deswegen ist es auch für das vollkommenste zu iederzeit gehalten worden. So hat sich auch eine gewisse Secte der Philosophen, die Alchymisten genannt, beständig eingebildet, ob hätte die Natur ihren einigen Endzweck in den Bergwercken und Gruben die Hervorbringung des Goldes seyn lassen. Doch diese Meinung und Gedancken sind nie iederman anständig gewesen; indem mit weit grösserem Recht geglaubet [Spaltenumbruch] wird, daß Eisen, Bley, Kupfer und die anderen Metalle, welche unvollkommene genennet werden wollen, eben dieselbige Vollkommenheit erlanget haben, welche sie sowohl als wie das Gold, von Natur haben sollen. Die Herren Alchymisten haben sich durch diese ihre Gedancken auf einen gantzen Hauffen anderer Einbildung oder Grillen lassen verführen, welche iedoch eben also richtig, als wie die ersten. Sie bilden sich steiff und veste ein, ob stünde in ihrem Vermögen diese unvollkommene Metalle gantz vollkommen zu machen, und den Fehler der Natur dran zu ersetzen. Und diese Arbeit nennen sie das grosse Werck oder die Aufsuchung des philosophischen Steins, oder des Steines der Weisen. Dazu nun zu gelangen, so vermischen einige die unvollkommenen Metalle mit ein und andern Dingen, welche zu deren Reinigung verhelffen sollen; und calciniren sie eine feine lange Zeit in der heftigsten Glut, damit sie mit ihrer Reinigung doch endlich möchten zu Ende kommen: gleich als ob die Natur der Wärme bey deren Hervorbringung vergessen hätte.

Andere stellen diese Metalle in digestion in saltzigte und durchdringende liquores übers Feuer, damit sie dieselbigen zur Fäulung bringen, und den Mercurius draus ziehen möchten, welcher, ihrem Vorgeben nach, die einige Materie ist, die in Gold kan verwandelt werden.

Andere suchen den Goldsamen im Golde selber, und glauben vestiglich, daß sie ihn in demselben finden mögen, wie etwa der Samen von einem Gewächse an demselbigen Gewächse mag gefunden werden, oder aber der Samen eines Thieres in demselbigen Thiere: dannenhero trachten sie solches zu erhalten, indem sie das Gold durch allerhand disolventia suchen aufzulösen. Lassen es deswegen bey dem Lampenfeuer digeriren, oder an der Sonne, oder im Miste, oder bey einem andern Grade eines beständig gleichen Feuers, so demjenigen am nähesten beykom̅t, dessen sich die Natur bedienet.

Wieder andere suchen den Samen des Goldes in den Mineralien, z.E. im Spießglase, in welchen, ihrem Vorgeben nach, eben solcher Schwefel und Mercurius stecken soll, als wie im Golde. Noch andere thun solches in den Kräutern, und Vegetabilien, z.E. im Honig, in der Manna, im Sonnenthau, im Rosmarin. Und dann auch einige in den Thieren, z.E. in deren Kiefern, im Blute, im Gehirn, im Hertzen und im Horn.

Andere bilden ihnen ein, sie wolten einen Goldsamen gewiß ertappen, wann sie nur die Sonnenstrahlen auf eine und andere Art figiren könten. Dann sie bilden ihnen, nebst vielen Astrologen, als eine gantz unstreitige Wahrheit ein, daß die Sonne ein Klumpen geschmoltzen Gold im Mittelpunct der Erden sey, und von dem Feuer der sie umgebenden Sterne cupelliret: auch die Strahlen, welche sie auf allen Seiten von sich wirfft und funckeln läst, kämen von den Füncklein her, die davon los würden, eben als wie bey der Reinigung des Goldes auf der Capelle geschiehet.

Wann ich alle die albernen Einfälle der Alchymisten, zusamt ihren so mannigfaltigen Arbeiten, welche sie zu Erhaltung ihres abgezielten Zweckes ausgesonnen und erdacht, erzehlen solte, würde ich nur gar zu sehr weitläufftig gehen müssen: sie sparen weder [Ende Spaltensatz]

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Will man es machen, so setzet man Gold, in gantz kleine sehr dünne Stücklein zerschnitten, in einen Schmeltztiegel ins Feuer, und lässets glühen; schüttet darzu achtmahl so schwer Quecksilber; und rühret die Materie mit einem eisernen Drate wohl um. Verspüret man dann, daß es in einander gegangen, welches in gantz kurtzer Zeit zu geschehen pfleget, so schüttet man es aus, in ein irden Geschirr voll Wasser: darinne läufft es zusammen, daß mans zerreiben kan. Hierauf wäscht man es, damit die Schwärtze davon komme, und bringet das übrige Quecksilber, das nicht eingehen wollen, davon, indem man es in ein Stücklein Leinwand schüttet und ein wenig mit dem Finger drücket. Es wird aber darum so viel Quecksilber zum Golde gesetzet, damit es sich desto besser damit vereinigen möge: dann, ie mehr Quecksilber zum amalgama genommen wird, ie linder wird es, und ie besser läst es sich tractiren. Das Gold aber kan mehr nicht als eine gewisse Menge Quecksilber annehmen: wann nun seine Löchlein davon voll sind worden, so ist der Rest nichts weiter nütz. Das amalgamirte Gold wird zum vergolden gebrauchet, dann es läst sich auf der Arbeit recht wol ausbreiten. Das gereinigte Gold strecket sich unter dem Hammer weit besser, als einig anderes Metall. Die Goldschlager schlagen es zu überaus dünnen Blättlein, die sie zwischen kleine Büchlein pflegen zu legen. Diese Goldblättlein werden zum vergolden gebrauchet, auch werden sie in der Apothecke gebrauchet, und viel eher zur Artzney genommen, als einige andere Art des Goldes, wie es auch zugerichtet ist: dann es lässet sich nicht nur sehr füglich mit den anderen Stücken vermischen, sondern machet auch den Artzneyen ein besseres und schöneres Ansehen, indem es als wie Füncklein oder Flitterlein darinn erscheinet. Dieweil das Gold unter allen Metallen das schwereste, dichteste, vesteste und schönste ist, deswegen ist es auch für das vollkommenste zu iederzeit gehalten worden. So hat sich auch eine gewisse Secte der Philosophen, die Alchymisten genannt, beständig eingebildet, ob hätte die Natur ihren einigen Endzweck in den Bergwercken und Gruben die Hervorbringung des Goldes seyn lassen. Doch diese Meinung und Gedancken sind nie iederman anständig gewesen; indem mit weit grösserem Recht geglaubet wird, daß Eisen, Bley, Kupfer und die anderen Metalle, welche unvollkommene genennet werden wollen, eben dieselbige Vollkommenheit erlanget haben, welche sie sowohl als wie das Gold, von Natur haben sollen. Die Herren Alchymisten haben sich durch diese ihre Gedancken auf einen gantzen Hauffen anderer Einbildung oder Grillen lassen verführen, welche iedoch eben also richtig, als wie die ersten. Sie bilden sich steiff und veste ein, ob stünde in ihrem Vermögen diese unvollkommene Metalle gantz vollkommen zu machen, und den Fehler der Natur dran zu ersetzen. Und diese Arbeit nennen sie das grosse Werck oder die Aufsuchung des philosophischen Steins, oder des Steines der Weisen. Dazu nun zu gelangen, so vermischen einige die unvollkommenen Metalle mit ein und andern Dingen, welche zu deren Reinigung verhelffen sollen; und calciniren sie eine feine lange Zeit in der heftigsten Glut, damit sie mit ihrer Reinigung doch endlich möchten zu Ende kommen: gleich als ob die Natur der Wärme bey deren Hervorbringung vergessen hätte. Andere stellen diese Metalle in digestion in saltzigte und durchdringende liquores übers Feuer, damit sie dieselbigen zur Fäulung bringen, und den Mercurius draus ziehen möchten, welcher, ihrem Vorgeben nach, die einige Materie ist, die in Gold kan verwandelt werden. Andere suchen den Goldsamen im Golde selber, und glauben vestiglich, daß sie ihn in demselben finden mögen, wie etwa der Samen von einem Gewächse an demselbigen Gewächse mag gefunden werden, oder aber der Samen eines Thieres in demselbigen Thiere: dannenhero trachten sie solches zu erhalten, indem sie das Gold durch allerhand disolventia suchen aufzulösen. Lassen es deswegen bey dem Lampenfeuer digeriren, oder an der Sonne, oder im Miste, oder bey einem andern Grade eines beständig gleichen Feuers, so demjenigen am nähesten beykom̅t, dessen sich die Natur bedienet. Wieder andere suchen den Samen des Goldes in den Mineralien, z.E. im Spießglase, in welchen, ihrem Vorgeben nach, eben solcher Schwefel und Mercurius stecken soll, als wie im Golde. Noch andere thun solches in den Kräutern, und Vegetabilien, z.E. im Honig, in der Manna, im Sonnenthau, im Rosmarin. Und dann auch einige in den Thieren, z.E. in deren Kiefern, im Blute, im Gehirn, im Hertzen und im Horn. Andere bilden ihnen ein, sie wolten einen Goldsamen gewiß ertappen, wann sie nur die Sonnenstrahlen auf eine und andere Art figiren könten. Dann sie bilden ihnen, nebst vielen Astrologen, als eine gantz unstreitige Wahrheit ein, daß die Sonne ein Klumpen geschmoltzen Gold im Mittelpunct der Erden sey, und von dem Feuer der sie umgebenden Sterne cupelliret: auch die Strahlen, welche sie auf allen Seiten von sich wirfft und funckeln läst, kämen von den Füncklein her, die davon los würden, eben als wie bey der Reinigung des Goldes auf der Capelle geschiehet. Wann ich alle die albernen Einfälle der Alchymisten, zusamt ihren so mannigfaltigen Arbeiten, welche sie zu Erhaltung ihres abgezielten Zweckes ausgesonnen und erdacht, erzehlen solte, würde ich nur gar zu sehr weitläufftig gehen müssen: sie sparen weder

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Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2020-02-19T20:05:58Z)

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Zitationshilfe: Lémery, Nicolas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lemery_lexicon_1721/87>, abgerufen am 07.05.2024.