Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870.

Bild:
<< vorherige Seite

ganzen weiblichen Bevölkerung wirklich lebhaft und dringend empfunden wird.

Es sind zumeist nur schwere Lebenserfahrungen und bittere Noth, ehrenwerthe Ausnahmen natürlich zugestanden, welche bisher in Deutschland das Verlangen nach geistiger Bildung, nach Emancipation zur Arbeit, oder gar nach Antheil an den staatlichen Berechtigungen in denjenigen Frauen hervorgerufen haben, welche die Emancipation, die Freigebung aus Sclavenfesseln, ersehnen und sie fordern. War es aber etwa anders mit den Negersclaven? war es anders mit den Leibeigenen in Rußland? -- Und doch rief die ganze aufgeklärte Männerwelt; Befreiung der Negersclaven! Aufhebung der Leibeigenschaft! Auch wenn die Neger noch wer weiß wie weit hinter den Weißen zurückgeblieben sind! Auch wenn die Leibeigenen ihren wahren Vortheil noch so schlecht verstehen, daß Tausende von ihnen vor der Freiheit zurückschrecken, in welcher sie für sich selbst zu sorgen und einzustehen haben werden! -- Hat doch der strenge Gott der Juden Sodom und Gomorha vor der Zerstörung verschonen wollen, wenn sich unter den Tausenden von Sündern auch nur zehn Gerechte fänden; und die christliche Menschheit sollte Bedenken tragen, Tausenden von Frauen ihrer Menschenwürde gemäß den freien Gebrauch ihrer Fähigkeiten zuzuerkennen, weil es allerdings noch Hunderttausende von Frauen giebt, deren Fähigkeiten unvollständig ausgebildet sind, und eben so viele Hunderttausende,

ganzen weiblichen Bevölkerung wirklich lebhaft und dringend empfunden wird.

Es sind zumeist nur schwere Lebenserfahrungen und bittere Noth, ehrenwerthe Ausnahmen natürlich zugestanden, welche bisher in Deutschland das Verlangen nach geistiger Bildung, nach Emancipation zur Arbeit, oder gar nach Antheil an den staatlichen Berechtigungen in denjenigen Frauen hervorgerufen haben, welche die Emancipation, die Freigebung aus Sclavenfesseln, ersehnen und sie fordern. War es aber etwa anders mit den Negersclaven? war es anders mit den Leibeigenen in Rußland? — Und doch rief die ganze aufgeklärte Männerwelt; Befreiung der Negersclaven! Aufhebung der Leibeigenschaft! Auch wenn die Neger noch wer weiß wie weit hinter den Weißen zurückgeblieben sind! Auch wenn die Leibeigenen ihren wahren Vortheil noch so schlecht verstehen, daß Tausende von ihnen vor der Freiheit zurückschrecken, in welcher sie für sich selbst zu sorgen und einzustehen haben werden! — Hat doch der strenge Gott der Juden Sodom und Gomorha vor der Zerstörung verschonen wollen, wenn sich unter den Tausenden von Sündern auch nur zehn Gerechte fänden; und die christliche Menschheit sollte Bedenken tragen, Tausenden von Frauen ihrer Menschenwürde gemäß den freien Gebrauch ihrer Fähigkeiten zuzuerkennen, weil es allerdings noch Hunderttausende von Frauen giebt, deren Fähigkeiten unvollständig ausgebildet sind, und eben so viele Hunderttausende,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0125" n="115"/>
ganzen weiblichen Bevölkerung wirklich lebhaft und dringend empfunden wird.</p>
        <p>Es sind zumeist nur schwere Lebenserfahrungen und bittere Noth, ehrenwerthe Ausnahmen natürlich zugestanden, welche bisher in Deutschland das Verlangen nach geistiger Bildung, nach Emancipation zur Arbeit, oder gar nach Antheil an den staatlichen Berechtigungen in denjenigen Frauen hervorgerufen haben, welche die Emancipation, die Freigebung aus Sclavenfesseln, ersehnen und sie fordern. War es aber etwa anders mit den Negersclaven? war es anders mit den Leibeigenen in Rußland? &#x2014; Und doch rief die ganze aufgeklärte Männerwelt; Befreiung der Negersclaven! Aufhebung der Leibeigenschaft! Auch wenn die Neger noch wer weiß wie weit hinter den Weißen zurückgeblieben sind! Auch wenn die Leibeigenen ihren wahren Vortheil noch so schlecht verstehen, daß Tausende von ihnen vor der Freiheit zurückschrecken, in welcher sie für sich selbst zu sorgen und einzustehen haben werden! &#x2014; Hat doch der strenge Gott der Juden Sodom und Gomorha vor der Zerstörung verschonen wollen, wenn sich unter den Tausenden von Sündern auch nur zehn Gerechte fänden; und die christliche Menschheit sollte Bedenken tragen, Tausenden von Frauen ihrer Menschenwürde gemäß den freien Gebrauch ihrer Fähigkeiten zuzuerkennen, weil es allerdings noch Hunderttausende von Frauen giebt, deren Fähigkeiten unvollständig ausgebildet sind, und eben so viele Hunderttausende,
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[115/0125] ganzen weiblichen Bevölkerung wirklich lebhaft und dringend empfunden wird. Es sind zumeist nur schwere Lebenserfahrungen und bittere Noth, ehrenwerthe Ausnahmen natürlich zugestanden, welche bisher in Deutschland das Verlangen nach geistiger Bildung, nach Emancipation zur Arbeit, oder gar nach Antheil an den staatlichen Berechtigungen in denjenigen Frauen hervorgerufen haben, welche die Emancipation, die Freigebung aus Sclavenfesseln, ersehnen und sie fordern. War es aber etwa anders mit den Negersclaven? war es anders mit den Leibeigenen in Rußland? — Und doch rief die ganze aufgeklärte Männerwelt; Befreiung der Negersclaven! Aufhebung der Leibeigenschaft! Auch wenn die Neger noch wer weiß wie weit hinter den Weißen zurückgeblieben sind! Auch wenn die Leibeigenen ihren wahren Vortheil noch so schlecht verstehen, daß Tausende von ihnen vor der Freiheit zurückschrecken, in welcher sie für sich selbst zu sorgen und einzustehen haben werden! — Hat doch der strenge Gott der Juden Sodom und Gomorha vor der Zerstörung verschonen wollen, wenn sich unter den Tausenden von Sündern auch nur zehn Gerechte fänden; und die christliche Menschheit sollte Bedenken tragen, Tausenden von Frauen ihrer Menschenwürde gemäß den freien Gebrauch ihrer Fähigkeiten zuzuerkennen, weil es allerdings noch Hunderttausende von Frauen giebt, deren Fähigkeiten unvollständig ausgebildet sind, und eben so viele Hunderttausende,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

zeno.org – Contumax GmbH & Co. KG: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in der Syntax von zeno.org (2013-01-04T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus zeno.org entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-04T13:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-04T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Wird ein Wort durch einen Seitenumbruch getrennt, so wird es vollständig auf der vorhergehenden Seite übernommen.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Der Zeilenfall wurde aufgehoben, die Absätze beibehalten.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_frauen_1870
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_frauen_1870/125
Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_frauen_1870/125>, abgerufen am 21.05.2024.