Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870.

Bild:
<< vorherige Seite

wurde eingezogen und mußte mit seinem Landwehr-Regimente zur böhmischen Armee. Es kam ihm hart an. Indeß die Frau hatte in den drei Jahren so viel Einsicht in das Geschäft gewonnen, daß es mit Hülfe des einen nicht zum Militär eingeforderten Gesellen und der Burschen doch fortgesetzt werden konnte, besonders da die Arbeit in der Zeit natürlich weniger stark ging. Ich war oftmals nach den verschiedenen Schlachten zu den Leuten gegangen, um zu hören, ob man Nachricht von dem Meister habe? Sie fehlte lange Zeit gänzlich und wir waren in Sorgen. Endlich mit dem Frieden kam er wieder; er war geraume Zeit krank im Hospitale gewesen. Ich suchte ihn auf, er hatte wieder zu thun, hatte guten Muth, obschon die Sorgen nicht fehlten, denn es ist keine Kleinigkeit, wenn ein Mann so plötzlich seinem Gewerbe, einer Familie so plötzlich der Haupternährer entrissen wird; aber er konnte die Arbeitsamkeit und Tüchtigkeit seiner Pflegeschwester nicht genug rühmen. "Die Frau hat's, krank wie sie ist, durchgehalten, als wenn ich dabei gewesen wäre, und die Kleine war auch immer auf dem Fleck!" versicherte er. Das Mädchen war etwa fünfzehn Jahre alt. "Sie glauben nicht, was die für ein Geschick hat!" sagte er. "Wenn ich zuweilen faule oder langsame Arbeiter habe, so stelle ich sie zum Heften dazwischen. Ganz tüchtige Gesellen heftet sie in Grund und Boden, es fliegt ihr nur von der Hand. Wenn sie nun eingesegnet sein wird, will ich sehen, ob ich es nicht durchsetzen

wurde eingezogen und mußte mit seinem Landwehr-Regimente zur böhmischen Armee. Es kam ihm hart an. Indeß die Frau hatte in den drei Jahren so viel Einsicht in das Geschäft gewonnen, daß es mit Hülfe des einen nicht zum Militär eingeforderten Gesellen und der Burschen doch fortgesetzt werden konnte, besonders da die Arbeit in der Zeit natürlich weniger stark ging. Ich war oftmals nach den verschiedenen Schlachten zu den Leuten gegangen, um zu hören, ob man Nachricht von dem Meister habe? Sie fehlte lange Zeit gänzlich und wir waren in Sorgen. Endlich mit dem Frieden kam er wieder; er war geraume Zeit krank im Hospitale gewesen. Ich suchte ihn auf, er hatte wieder zu thun, hatte guten Muth, obschon die Sorgen nicht fehlten, denn es ist keine Kleinigkeit, wenn ein Mann so plötzlich seinem Gewerbe, einer Familie so plötzlich der Haupternährer entrissen wird; aber er konnte die Arbeitsamkeit und Tüchtigkeit seiner Pflegeschwester nicht genug rühmen. »Die Frau hat's, krank wie sie ist, durchgehalten, als wenn ich dabei gewesen wäre, und die Kleine war auch immer auf dem Fleck!« versicherte er. Das Mädchen war etwa fünfzehn Jahre alt. »Sie glauben nicht, was die für ein Geschick hat!« sagte er. »Wenn ich zuweilen faule oder langsame Arbeiter habe, so stelle ich sie zum Heften dazwischen. Ganz tüchtige Gesellen heftet sie in Grund und Boden, es fliegt ihr nur von der Hand. Wenn sie nun eingesegnet sein wird, will ich sehen, ob ich es nicht durchsetzen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0045" n="35"/>
wurde eingezogen und mußte mit seinem Landwehr-Regimente zur böhmischen Armee. Es kam ihm hart an. Indeß die Frau hatte in den drei Jahren so viel Einsicht in das Geschäft gewonnen, daß es mit Hülfe des einen nicht zum Militär eingeforderten Gesellen und der Burschen doch fortgesetzt werden konnte, besonders da die Arbeit in der Zeit natürlich weniger stark ging. Ich war oftmals nach den verschiedenen Schlachten zu den Leuten gegangen, um zu hören, ob man Nachricht von dem Meister habe? Sie fehlte lange Zeit gänzlich und wir waren in Sorgen. Endlich mit dem Frieden kam er wieder; er war geraume Zeit krank im Hospitale gewesen. Ich suchte ihn auf, er hatte wieder zu thun, hatte guten Muth, obschon die Sorgen nicht fehlten, denn es ist keine Kleinigkeit, wenn ein Mann so plötzlich seinem Gewerbe, einer Familie so plötzlich der Haupternährer entrissen wird; aber er konnte die Arbeitsamkeit und Tüchtigkeit seiner Pflegeschwester nicht genug rühmen. »Die Frau hat's, krank wie sie ist, durchgehalten, als wenn ich dabei gewesen wäre, und die Kleine war auch immer auf dem Fleck!« versicherte er. Das Mädchen war etwa fünfzehn Jahre alt. »Sie glauben nicht, was die für ein Geschick hat!« sagte er. »Wenn ich zuweilen faule oder langsame Arbeiter habe, so stelle ich sie zum Heften dazwischen. Ganz tüchtige Gesellen heftet sie in Grund und Boden, es fliegt ihr nur von der Hand. Wenn sie nun eingesegnet sein wird, will ich sehen, ob ich es nicht durchsetzen
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[35/0045] wurde eingezogen und mußte mit seinem Landwehr-Regimente zur böhmischen Armee. Es kam ihm hart an. Indeß die Frau hatte in den drei Jahren so viel Einsicht in das Geschäft gewonnen, daß es mit Hülfe des einen nicht zum Militär eingeforderten Gesellen und der Burschen doch fortgesetzt werden konnte, besonders da die Arbeit in der Zeit natürlich weniger stark ging. Ich war oftmals nach den verschiedenen Schlachten zu den Leuten gegangen, um zu hören, ob man Nachricht von dem Meister habe? Sie fehlte lange Zeit gänzlich und wir waren in Sorgen. Endlich mit dem Frieden kam er wieder; er war geraume Zeit krank im Hospitale gewesen. Ich suchte ihn auf, er hatte wieder zu thun, hatte guten Muth, obschon die Sorgen nicht fehlten, denn es ist keine Kleinigkeit, wenn ein Mann so plötzlich seinem Gewerbe, einer Familie so plötzlich der Haupternährer entrissen wird; aber er konnte die Arbeitsamkeit und Tüchtigkeit seiner Pflegeschwester nicht genug rühmen. »Die Frau hat's, krank wie sie ist, durchgehalten, als wenn ich dabei gewesen wäre, und die Kleine war auch immer auf dem Fleck!« versicherte er. Das Mädchen war etwa fünfzehn Jahre alt. »Sie glauben nicht, was die für ein Geschick hat!« sagte er. »Wenn ich zuweilen faule oder langsame Arbeiter habe, so stelle ich sie zum Heften dazwischen. Ganz tüchtige Gesellen heftet sie in Grund und Boden, es fliegt ihr nur von der Hand. Wenn sie nun eingesegnet sein wird, will ich sehen, ob ich es nicht durchsetzen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

zeno.org – Contumax GmbH & Co. KG: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in der Syntax von zeno.org (2013-01-04T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus zeno.org entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-04T13:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-04T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Wird ein Wort durch einen Seitenumbruch getrennt, so wird es vollständig auf der vorhergehenden Seite übernommen.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Der Zeilenfall wurde aufgehoben, die Absätze beibehalten.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_frauen_1870
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_frauen_1870/45
Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_frauen_1870/45>, abgerufen am 01.05.2024.