nur mit dem Kopfe nickend dankte dieser, und trank sein Glas aus. Damit war aber Erlau nicht zufrieden. "Mein Gott! Du unerträg- lich ernsthafter Doctor und Misantrop, gibt es denn nichts mehr auf der Welt, was Dich aus Deiner philosophischen Philisterlaune herausreißen kann? -- Ich erschöpfe mich in hinreißender Geistreichheit, ich verschwende die beste Laune, dem kostbarsten, göttlichsten Champagner an Dir, und Du nimmst meine Liebenswürdigkeit, die doch heute ganz exquisit ist, hin, wie ein Bettler das tägliche Brot, ohne Freude und Genuß, und gießt den edlen Wein hinunter, gedankenlos, als gälte es, das harte tägliche Brot mit lang- weiligem Wasser hinabzuspülen. Ich werde irre an Dir, Doctor! Was fehlt Dir, was denkst Du, was meinst Du? Soll ein Gott vom Himmel steigen, um Dir zu beweisen, daß die Welt die beste ist, in der auf öden Kalkfelsen dieser Göt- tertrank zu wachsen vermag? in der auf allen
nur mit dem Kopfe nickend dankte dieſer, und trank ſein Glas aus. Damit war aber Erlau nicht zufrieden. „Mein Gott! Du unerträg- lich ernſthafter Doctor und Miſantrop, gibt es denn nichts mehr auf der Welt, was Dich aus Deiner philoſophiſchen Philiſterlaune herausreißen kann? — Ich erſchöpfe mich in hinreißender Geiſtreichheit, ich verſchwende die beſte Laune, dem koſtbarſten, göttlichſten Champagner an Dir, und Du nimmſt meine Liebenswürdigkeit, die doch heute ganz exquiſit iſt, hin, wie ein Bettler das tägliche Brot, ohne Freude und Genuß, und gießt den edlen Wein hinunter, gedankenlos, als gälte es, das harte tägliche Brot mit lang- weiligem Waſſer hinabzuſpülen. Ich werde irre an Dir, Doctor! Was fehlt Dir, was denkſt Du, was meinſt Du? Soll ein Gott vom Himmel ſteigen, um Dir zu beweiſen, daß die Welt die beſte iſt, in der auf öden Kalkfelſen dieſer Göt- tertrank zu wachſen vermag? in der auf allen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0025"n="13"/>
nur mit dem Kopfe nickend dankte dieſer, und<lb/>
trank ſein Glas aus. Damit war aber Erlau<lb/>
nicht zufrieden. „Mein Gott! Du unerträg-<lb/>
lich ernſthafter Doctor und Miſantrop, gibt es<lb/>
denn nichts mehr auf der Welt, was Dich aus<lb/>
Deiner philoſophiſchen Philiſterlaune herausreißen<lb/>
kann? — Ich erſchöpfe mich in hinreißender<lb/>
Geiſtreichheit, ich verſchwende die beſte Laune,<lb/>
dem koſtbarſten, göttlichſten Champagner an Dir,<lb/>
und Du nimmſt meine Liebenswürdigkeit, die<lb/>
doch heute ganz exquiſit iſt, hin, wie ein Bettler<lb/>
das tägliche Brot, ohne Freude und Genuß,<lb/>
und gießt den edlen Wein hinunter, gedankenlos,<lb/>
als gälte es, das harte tägliche Brot mit lang-<lb/>
weiligem Waſſer hinabzuſpülen. Ich werde irre<lb/>
an Dir, Doctor! Was fehlt Dir, was denkſt<lb/>
Du, was meinſt Du? Soll ein Gott vom Himmel<lb/>ſteigen, um Dir zu beweiſen, daß die Welt die<lb/>
beſte iſt, in der auf öden Kalkfelſen dieſer Göt-<lb/>
tertrank zu wachſen vermag? in der auf allen<lb/></p></div></body></text></TEI>
[13/0025]
nur mit dem Kopfe nickend dankte dieſer, und
trank ſein Glas aus. Damit war aber Erlau
nicht zufrieden. „Mein Gott! Du unerträg-
lich ernſthafter Doctor und Miſantrop, gibt es
denn nichts mehr auf der Welt, was Dich aus
Deiner philoſophiſchen Philiſterlaune herausreißen
kann? — Ich erſchöpfe mich in hinreißender
Geiſtreichheit, ich verſchwende die beſte Laune,
dem koſtbarſten, göttlichſten Champagner an Dir,
und Du nimmſt meine Liebenswürdigkeit, die
doch heute ganz exquiſit iſt, hin, wie ein Bettler
das tägliche Brot, ohne Freude und Genuß,
und gießt den edlen Wein hinunter, gedankenlos,
als gälte es, das harte tägliche Brot mit lang-
weiligem Waſſer hinabzuſpülen. Ich werde irre
an Dir, Doctor! Was fehlt Dir, was denkſt
Du, was meinſt Du? Soll ein Gott vom Himmel
ſteigen, um Dir zu beweiſen, daß die Welt die
beſte iſt, in der auf öden Kalkfelſen dieſer Göt-
tertrank zu wachſen vermag? in der auf allen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/25>, abgerufen am 04.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.