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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843.

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leid um seinetwillen, daß er den Eltern nicht
der erwünschteste Sohn unter allen Männern
auf der Welt, wie ihr der einzig Geliebte sei.
Mit jedem Tage, den sie bei seiner Mutter
verlebte, wurde er ihr theurer und verehrungs-
würdiger. Sein reicher Geist, seine unbestech-
liche Gradheit zeigte sich in all ihrem Glanze,
wenn er sich so rückhaltlos hingab. Oft, wenn
er sich dann in süße Schwärmereien verlor,
hörte sie mit einer Andacht, mit einer Erhe-
bung zu, von der die Pfarrerin innig gerührt
war. "So", sagte sie einst zu ihrem Sohne,
"mag Maria zu den Füßen des Herrn geses-
sen haben", und Jenny bemerkte lächelnd:
"Mehr als ich Gustav liebe, liebte auch gewiß
Maria den Herrn nicht." Das vollkommenste
Einverständniß herrschte unter den Liebenden,
und selbst Herr Meier gewann Vertrauen für
die Zukunft seiner Tochter.

Man war seit Jenny's Verlobung im

leid um ſeinetwillen, daß er den Eltern nicht
der erwünſchteſte Sohn unter allen Männern
auf der Welt, wie ihr der einzig Geliebte ſei.
Mit jedem Tage, den ſie bei ſeiner Mutter
verlebte, wurde er ihr theurer und verehrungs-
würdiger. Sein reicher Geiſt, ſeine unbeſtech-
liche Gradheit zeigte ſich in all ihrem Glanze,
wenn er ſich ſo rückhaltlos hingab. Oft, wenn
er ſich dann in ſüße Schwärmereien verlor,
hörte ſie mit einer Andacht, mit einer Erhe-
bung zu, von der die Pfarrerin innig gerührt
war. „So“, ſagte ſie einſt zu ihrem Sohne,
„mag Maria zu den Füßen des Herrn geſeſ-
ſen haben“, und Jenny bemerkte lächelnd:
„Mehr als ich Guſtav liebe, liebte auch gewiß
Maria den Herrn nicht.“ Das vollkommenſte
Einverſtändniß herrſchte unter den Liebenden,
und ſelbſt Herr Meier gewann Vertrauen für
die Zukunft ſeiner Tochter.

Man war ſeit Jenny's Verlobung im

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[278/0290] leid um ſeinetwillen, daß er den Eltern nicht der erwünſchteſte Sohn unter allen Männern auf der Welt, wie ihr der einzig Geliebte ſei. Mit jedem Tage, den ſie bei ſeiner Mutter verlebte, wurde er ihr theurer und verehrungs- würdiger. Sein reicher Geiſt, ſeine unbeſtech- liche Gradheit zeigte ſich in all ihrem Glanze, wenn er ſich ſo rückhaltlos hingab. Oft, wenn er ſich dann in ſüße Schwärmereien verlor, hörte ſie mit einer Andacht, mit einer Erhe- bung zu, von der die Pfarrerin innig gerührt war. „So“, ſagte ſie einſt zu ihrem Sohne, „mag Maria zu den Füßen des Herrn geſeſ- ſen haben“, und Jenny bemerkte lächelnd: „Mehr als ich Guſtav liebe, liebte auch gewiß Maria den Herrn nicht.“ Das vollkommenſte Einverſtändniß herrſchte unter den Liebenden, und ſelbſt Herr Meier gewann Vertrauen für die Zukunft ſeiner Tochter. Man war ſeit Jenny's Verlobung im

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/290>, abgerufen am 09.05.2024.