Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

dingt scheint, als mir. Er ist die Dreieinig-
keit der Kunst! Diese ist mir von jeher ein-
leuchtend gewesen, so sehr, daß ich Poesie,
Musik und bildende Kunst gar nicht von ein-
ander im Innersten der Seele zu trennen ver-
mag; daß ich sie wie Eines immer zusammen
empfinden und die Anschauung oder der Ge-
nuß Einer dieser Künste mir gleich, wie zur
Ergänzung, das Bedürfniß nach der andern
hervorruft. Mir wird jede Musik Gedicht --
jedes Gedicht zum Bilde. Hier ist mir, ob-
gleich ich jede Kunst als selbständig in sich er-
kenne, doch eine unauflösliche Einheit denkbar:
und so kann man nicht sagen, daß ich bis jetzt
den Begriff der Dreieinigkeit nicht hatte. Gu-
stav wandte ein, daß der Vergleich nicht rich-
tig sei, und wollte zu seiner eigentlichen Frage
zurückkommen. Jenny unterbrach ihn aber
ängstlich und sagte mit herzgewinnender Freund-
lichkeit: "Und noch eine Dreieinigkeit begreife

dingt ſcheint, als mir. Er iſt die Dreieinig-
keit der Kunſt! Dieſe iſt mir von jeher ein-
leuchtend geweſen, ſo ſehr, daß ich Poeſie,
Muſik und bildende Kunſt gar nicht von ein-
ander im Innerſten der Seele zu trennen ver-
mag; daß ich ſie wie Eines immer zuſammen
empfinden und die Anſchauung oder der Ge-
nuß Einer dieſer Künſte mir gleich, wie zur
Ergänzung, das Bedürfniß nach der andern
hervorruft. Mir wird jede Muſik Gedicht —
jedes Gedicht zum Bilde. Hier iſt mir, ob-
gleich ich jede Kunſt als ſelbſtändig in ſich er-
kenne, doch eine unauflösliche Einheit denkbar:
und ſo kann man nicht ſagen, daß ich bis jetzt
den Begriff der Dreieinigkeit nicht hatte. Gu-
ſtav wandte ein, daß der Vergleich nicht rich-
tig ſei, und wollte zu ſeiner eigentlichen Frage
zurückkommen. Jenny unterbrach ihn aber
ängſtlich und ſagte mit herzgewinnender Freund-
lichkeit: „Und noch eine Dreieinigkeit begreife

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0335" n="327"/>
dingt &#x017F;cheint, als mir. Er i&#x017F;t die Dreieinig-<lb/>
keit der Kun&#x017F;t! Die&#x017F;e i&#x017F;t mir von jeher ein-<lb/>
leuchtend gewe&#x017F;en, &#x017F;o &#x017F;ehr, daß ich Poe&#x017F;ie,<lb/>
Mu&#x017F;ik und bildende Kun&#x017F;t gar nicht von ein-<lb/>
ander im Inner&#x017F;ten der Seele zu trennen ver-<lb/>
mag; daß ich &#x017F;ie wie Eines immer zu&#x017F;ammen<lb/>
empfinden und die An&#x017F;chauung oder der Ge-<lb/>
nuß Einer die&#x017F;er Kün&#x017F;te mir gleich, wie zur<lb/>
Ergänzung, das Bedürfniß nach der andern<lb/>
hervorruft. Mir wird jede Mu&#x017F;ik Gedicht &#x2014;<lb/>
jedes Gedicht zum Bilde. Hier i&#x017F;t mir, ob-<lb/>
gleich ich jede Kun&#x017F;t als &#x017F;elb&#x017F;tändig in &#x017F;ich er-<lb/>
kenne, doch eine unauflösliche Einheit denkbar:<lb/>
und &#x017F;o kann man nicht &#x017F;agen, daß ich bis jetzt<lb/>
den Begriff der Dreieinigkeit nicht hatte. Gu-<lb/>
&#x017F;tav wandte ein, daß der Vergleich nicht rich-<lb/>
tig &#x017F;ei, und wollte zu &#x017F;einer eigentlichen Frage<lb/>
zurückkommen. Jenny unterbrach ihn aber<lb/>
äng&#x017F;tlich und &#x017F;agte mit herzgewinnender Freund-<lb/>
lichkeit: &#x201E;Und noch eine Dreieinigkeit begreife<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[327/0335] dingt ſcheint, als mir. Er iſt die Dreieinig- keit der Kunſt! Dieſe iſt mir von jeher ein- leuchtend geweſen, ſo ſehr, daß ich Poeſie, Muſik und bildende Kunſt gar nicht von ein- ander im Innerſten der Seele zu trennen ver- mag; daß ich ſie wie Eines immer zuſammen empfinden und die Anſchauung oder der Ge- nuß Einer dieſer Künſte mir gleich, wie zur Ergänzung, das Bedürfniß nach der andern hervorruft. Mir wird jede Muſik Gedicht — jedes Gedicht zum Bilde. Hier iſt mir, ob- gleich ich jede Kunſt als ſelbſtändig in ſich er- kenne, doch eine unauflösliche Einheit denkbar: und ſo kann man nicht ſagen, daß ich bis jetzt den Begriff der Dreieinigkeit nicht hatte. Gu- ſtav wandte ein, daß der Vergleich nicht rich- tig ſei, und wollte zu ſeiner eigentlichen Frage zurückkommen. Jenny unterbrach ihn aber ängſtlich und ſagte mit herzgewinnender Freund- lichkeit: „Und noch eine Dreieinigkeit begreife

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/335
Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/335>, abgerufen am 09.05.2024.