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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843.

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Räumen, in solch beschränkten Verhältnissen
für immer zu leben, hielt sie für ein Unglück,
das selbst durch Reinhard's Liebe nur gemil-
dert, nicht aufgehoben werden konnte. Mit
gewohnter Freundlichkeit half sie der Pfarrerin
bei den Zurüstungen zu dem einfachen Mahle
und deckte den kleinen Tisch, wie sie pflegte;
aber es machte ihr heute kein Vergnügen, und
sie hätte es gern dem Hausmädchen überlassen,
wenn sie nicht gewußt hätte, wie sehr sie ihren
Bräutigam damit erfreute, der sie während der
kleinen Arbeit nicht aus den Augen verlor und
mit Blicken der innigsten Liebe jede ihrer Be-
wegungen betrachtete. Innerlich konnte sie eine
Niedergeschlagenheit nicht besiegen, die sich ih-
rer bemächtigt hatte; und obgleich sie mit
Freude bemerkte, daß weder ihr Bräutigam,
noch dessen Mutter etwas von Dem erriethen,
was in ihr vorging, fühlte sie sich erleichtert,
als sie gegen die zehnte Stunde das bekannte

Räumen, in ſolch beſchränkten Verhältniſſen
für immer zu leben, hielt ſie für ein Unglück,
das ſelbſt durch Reinhard's Liebe nur gemil-
dert, nicht aufgehoben werden konnte. Mit
gewohnter Freundlichkeit half ſie der Pfarrerin
bei den Zurüſtungen zu dem einfachen Mahle
und deckte den kleinen Tiſch, wie ſie pflegte;
aber es machte ihr heute kein Vergnügen, und
ſie hätte es gern dem Hausmädchen überlaſſen,
wenn ſie nicht gewußt hätte, wie ſehr ſie ihren
Bräutigam damit erfreute, der ſie während der
kleinen Arbeit nicht aus den Augen verlor und
mit Blicken der innigſten Liebe jede ihrer Be-
wegungen betrachtete. Innerlich konnte ſie eine
Niedergeſchlagenheit nicht beſiegen, die ſich ih-
rer bemächtigt hatte; und obgleich ſie mit
Freude bemerkte, daß weder ihr Bräutigam,
noch deſſen Mutter etwas von Dem erriethen,
was in ihr vorging, fühlte ſie ſich erleichtert,
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[331/0339] Räumen, in ſolch beſchränkten Verhältniſſen für immer zu leben, hielt ſie für ein Unglück, das ſelbſt durch Reinhard's Liebe nur gemil- dert, nicht aufgehoben werden konnte. Mit gewohnter Freundlichkeit half ſie der Pfarrerin bei den Zurüſtungen zu dem einfachen Mahle und deckte den kleinen Tiſch, wie ſie pflegte; aber es machte ihr heute kein Vergnügen, und ſie hätte es gern dem Hausmädchen überlaſſen, wenn ſie nicht gewußt hätte, wie ſehr ſie ihren Bräutigam damit erfreute, der ſie während der kleinen Arbeit nicht aus den Augen verlor und mit Blicken der innigſten Liebe jede ihrer Be- wegungen betrachtete. Innerlich konnte ſie eine Niedergeſchlagenheit nicht beſiegen, die ſich ih- rer bemächtigt hatte; und obgleich ſie mit Freude bemerkte, daß weder ihr Bräutigam, noch deſſen Mutter etwas von Dem erriethen, was in ihr vorging, fühlte ſie ſich erleichtert, als ſie gegen die zehnte Stunde das bekannte

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/339>, abgerufen am 09.05.2024.