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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843.

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und hatte doch nicht den Muth, seiner Mutter
zu sagen, daß er da sei, und daß sie ihn sähe.
Ihr ganzes Gesichtchen lächelte, als Cherubin
kläglich fragte: "Sprecht, ist das Liebe, was
hier so brennt?" Reinhard wandte kein
Auge von der Geliebten, und ein ganzer Früh-
ling von Glück und Wonne blühte in seinem
Herzen auf, als Jenny bei der wiederholten
Frage: "Sprecht, ist es Liebe, was hier so
brennt?" ihn muthwillig ansah, und ganz un-
merklich für jeden Andern, ihm ein freundliches
"Ja" mit den schönen Augen zunickte.

Bald war das Finale des zweiten Actes
mit seinem rauschenden Prestissimo vorüber.
Reinhard verließ seinen Platz, und eilte, in die
Nähe seiner Jenny zu kommen. Es war ihm,
als müsse er nun in Einem Worte alles Leiden
und Hoffen der letzten Monate vor ihr ent-
hüllen, als müsse er sie an seine Brust schließen
und ihr danken für das Glück, das sie ihm in

und hatte doch nicht den Muth, ſeiner Mutter
zu ſagen, daß er da ſei, und daß ſie ihn ſähe.
Ihr ganzes Geſichtchen lächelte, als Cherubin
kläglich fragte: „Sprecht, iſt das Liebe, was
hier ſo brennt?“ Reinhard wandte kein
Auge von der Geliebten, und ein ganzer Früh-
ling von Glück und Wonne blühte in ſeinem
Herzen auf, als Jenny bei der wiederholten
Frage: „Sprecht, iſt es Liebe, was hier ſo
brennt?“ ihn muthwillig anſah, und ganz un-
merklich für jeden Andern, ihm ein freundliches
„Ja“ mit den ſchönen Augen zunickte.

Bald war das Finale des zweiten Actes
mit ſeinem rauſchenden Prestissimo vorüber.
Reinhard verließ ſeinen Platz, und eilte, in die
Nähe ſeiner Jenny zu kommen. Es war ihm,
als müſſe er nun in Einem Worte alles Leiden
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[87/0099] und hatte doch nicht den Muth, ſeiner Mutter zu ſagen, daß er da ſei, und daß ſie ihn ſähe. Ihr ganzes Geſichtchen lächelte, als Cherubin kläglich fragte: „Sprecht, iſt das Liebe, was hier ſo brennt?“ Reinhard wandte kein Auge von der Geliebten, und ein ganzer Früh- ling von Glück und Wonne blühte in ſeinem Herzen auf, als Jenny bei der wiederholten Frage: „Sprecht, iſt es Liebe, was hier ſo brennt?“ ihn muthwillig anſah, und ganz un- merklich für jeden Andern, ihm ein freundliches „Ja“ mit den ſchönen Augen zunickte. Bald war das Finale des zweiten Actes mit ſeinem rauſchenden Prestissimo vorüber. Reinhard verließ ſeinen Platz, und eilte, in die Nähe ſeiner Jenny zu kommen. Es war ihm, als müſſe er nun in Einem Worte alles Leiden und Hoffen der letzten Monate vor ihr ent- hüllen, als müſſe er ſie an ſeine Bruſt ſchließen und ihr danken für das Glück, das ſie ihm in

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/99>, abgerufen am 27.04.2024.