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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

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Die anorganischen Bestandtheile der Vegetabilien.
das Mangan- und Eisenoxid in der Pflanze enthalten ist, nur
darüber sind wir gewiß, daß Kali, Natron und Bittererde
durch bloßes Wasser in der Form von pflanzensauren Salzen
aus allen Pflanzentheilen ausgezogen werden können, dasselbe
ist der Fall mit dem Kalk, wenn er nicht als unlöslicher klee-
saurer Kalk zugegen ist. Man muß sich daran erinnern, daß
in den Oxalisarten Kleesäure und Kali vorkommt, und zwar
nie als neutrales oder als vierfachsaures, sondern stets als
doppeltsaures Salz, auf welchem Boden die Pflanze auch wach-
sen mag; wir finden in den Weintrauben das Kali immer als
Weinstein, als saures Salz, nie in der Form von neutralerm.
Für die Entwickelung der Früchte und Saamen, man kann
sagen, für eine Menge von Zwecken, die wir nicht kennen,
muß die Gegenwart dieser Säuren und Basen eine gewisse
Bedeutung haben, eben weil sie niemals fehlen und weil die
Form ihres Vorkommens keinem Wechsel unterliegt. Die
Quantität der in einer Pflanze vorkommenden alkalischen Ba-
sen hängt aber lediglich von dieser Form ab, denn die Sät-
tigungscapacität einer Säure ist eine unveränderliche Größe,
und wenn wir sehen, daß der kleesaure Kalk in den Flechten
den fehlenden Holzkörper, die Holzfaser, vertritt und ersetzt, so
müssen den löslichen pflanzensauren Salzen eben so bestimmte,
wenn auch abweichende Funktionen zugeschrieben werden.

Genaue und zuverlässige Untersuchungen der Asche von
Pflanzen derselben Art, welche auf verschiedenen Bodenarten
gewachsen sind, erscheinen hiernach als eine für die Physiologie
der Gewächse höchst folgenreiche Aufgabe, sie werden entscheiden,
ob sich diese merkwürdige Thatsache zu einem bestimmten Gesetze
für eine jede Pflanzenfamilie gestaltet, ob also eine jede noch
außerdem durch eine gewisse unveränderliche Zahl characterisirt
werden kann, welche der Ausdruck des Sauerstoffgehalts der

Die anorganiſchen Beſtandtheile der Vegetabilien.
das Mangan- und Eiſenoxid in der Pflanze enthalten iſt, nur
darüber ſind wir gewiß, daß Kali, Natron und Bittererde
durch bloßes Waſſer in der Form von pflanzenſauren Salzen
aus allen Pflanzentheilen ausgezogen werden können, daſſelbe
iſt der Fall mit dem Kalk, wenn er nicht als unlöslicher klee-
ſaurer Kalk zugegen iſt. Man muß ſich daran erinnern, daß
in den Oxalisarten Kleeſäure und Kali vorkommt, und zwar
nie als neutrales oder als vierfachſaures, ſondern ſtets als
doppeltſaures Salz, auf welchem Boden die Pflanze auch wach-
ſen mag; wir finden in den Weintrauben das Kali immer als
Weinſtein, als ſaures Salz, nie in der Form von neutralerm.
Für die Entwickelung der Früchte und Saamen, man kann
ſagen, für eine Menge von Zwecken, die wir nicht kennen,
muß die Gegenwart dieſer Säuren und Baſen eine gewiſſe
Bedeutung haben, eben weil ſie niemals fehlen und weil die
Form ihres Vorkommens keinem Wechſel unterliegt. Die
Quantität der in einer Pflanze vorkommenden alkaliſchen Ba-
ſen hängt aber lediglich von dieſer Form ab, denn die Sät-
tigungscapacität einer Säure iſt eine unveränderliche Größe,
und wenn wir ſehen, daß der kleeſaure Kalk in den Flechten
den fehlenden Holzkörper, die Holzfaſer, vertritt und erſetzt, ſo
müſſen den löslichen pflanzenſauren Salzen eben ſo beſtimmte,
wenn auch abweichende Funktionen zugeſchrieben werden.

Genaue und zuverläſſige Unterſuchungen der Aſche von
Pflanzen derſelben Art, welche auf verſchiedenen Bodenarten
gewachſen ſind, erſcheinen hiernach als eine für die Phyſiologie
der Gewächſe höchſt folgenreiche Aufgabe, ſie werden entſcheiden,
ob ſich dieſe merkwürdige Thatſache zu einem beſtimmten Geſetze
für eine jede Pflanzenfamilie geſtaltet, ob alſo eine jede noch
außerdem durch eine gewiſſe unveränderliche Zahl characteriſirt
werden kann, welche der Ausdruck des Sauerſtoffgehalts der

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[91/0109] Die anorganiſchen Beſtandtheile der Vegetabilien. das Mangan- und Eiſenoxid in der Pflanze enthalten iſt, nur darüber ſind wir gewiß, daß Kali, Natron und Bittererde durch bloßes Waſſer in der Form von pflanzenſauren Salzen aus allen Pflanzentheilen ausgezogen werden können, daſſelbe iſt der Fall mit dem Kalk, wenn er nicht als unlöslicher klee- ſaurer Kalk zugegen iſt. Man muß ſich daran erinnern, daß in den Oxalisarten Kleeſäure und Kali vorkommt, und zwar nie als neutrales oder als vierfachſaures, ſondern ſtets als doppeltſaures Salz, auf welchem Boden die Pflanze auch wach- ſen mag; wir finden in den Weintrauben das Kali immer als Weinſtein, als ſaures Salz, nie in der Form von neutralerm. Für die Entwickelung der Früchte und Saamen, man kann ſagen, für eine Menge von Zwecken, die wir nicht kennen, muß die Gegenwart dieſer Säuren und Baſen eine gewiſſe Bedeutung haben, eben weil ſie niemals fehlen und weil die Form ihres Vorkommens keinem Wechſel unterliegt. Die Quantität der in einer Pflanze vorkommenden alkaliſchen Ba- ſen hängt aber lediglich von dieſer Form ab, denn die Sät- tigungscapacität einer Säure iſt eine unveränderliche Größe, und wenn wir ſehen, daß der kleeſaure Kalk in den Flechten den fehlenden Holzkörper, die Holzfaſer, vertritt und erſetzt, ſo müſſen den löslichen pflanzenſauren Salzen eben ſo beſtimmte, wenn auch abweichende Funktionen zugeſchrieben werden. Genaue und zuverläſſige Unterſuchungen der Aſche von Pflanzen derſelben Art, welche auf verſchiedenen Bodenarten gewachſen ſind, erſcheinen hiernach als eine für die Phyſiologie der Gewächſe höchſt folgenreiche Aufgabe, ſie werden entſcheiden, ob ſich dieſe merkwürdige Thatſache zu einem beſtimmten Geſetze für eine jede Pflanzenfamilie geſtaltet, ob alſo eine jede noch außerdem durch eine gewiſſe unveränderliche Zahl characteriſirt werden kann, welche der Ausdruck des Sauerſtoffgehalts der

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/109>, abgerufen am 28.04.2024.