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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

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Die anorganischen Bestandtheile der Vegetabilien.
in ihm eine der Bedingungen ihres Wachsthums fehlt, bietet
das Verfahren eines Gutsbesitzers in der Nähe von Göttingen
dar. Er bepflanzte sein ganzes Land zum Behufe der Pottasch-
erzeugung mit Wermuth, dessen Asche bekanntlich sehr reich an
kohlensaurem Kali ist. Eine Folge davon war die gänzliche
Unfruchtbarkeit seiner Felder für Getreidebau; sie waren auf
Jahrzehnte hinaus völlig ihres Kalis beraubt.

Die Blätter und kleinen Zweige der Bäume enthalten die
meiste Asche und das meiste Alkali; was durch sie bei dem
Laub- und Streusammeln den Wäldern genommen wird, ist
bei weitem mehr, als was das Holz enthält, welches jährlich ge-
schlagen wird. Die Eichenrinde, das Eichenlaub enthält z. B.
6 p. c. bis 9 p. c, die Tannen- und Fichtennadeln über 8 p. c.

Mit 2650 Lb Tannenholz, die wir einem Morgen Wald jährlich
nehmen, wird im Ganzen dem Boden, bei 0,83 p. c. Asche,
nur 0,114 bis 0,53 Lb an Alkalien entzogen, aber das Moos,
was den Boden bedeckt, dessen Asche reich an Alkali ist, hält
in ununterbrochen fortdauernder Entwickelung das Kali an
der Oberfläche des so leicht von dem Wasser durchdringbaren
Sandbodens zurück, und bietet in seiner Verwesung den aufge-
speicherten Vorrath den Wurzeln dar, die das Alkali aufneh-
men, ohne es wieder zurückzugeben.

Von einer Erzeugung von Alkalien, Metalloxiden und an-
organischen Stoffen überhaupt kann nach diesen so wohl bekann-
ten Thatsachen keine Rede sein.

Man findet es bewundernswürdig, daß die Grasarten,
deren Saamen zur Nahrung dienen, dem Menschen wie
ein Hausthier folgen. Sie folgen dem Menschen, durch
ähnliche Ursachen gezwungen, wie die Salzpflanzen dem Mee-
resstrande und Salinen, die Chenopodien den Schutthau-
fen etc., so wie die Mistkäfer auf die Excremente der Thiere

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Die anorganiſchen Beſtandtheile der Vegetabilien.
in ihm eine der Bedingungen ihres Wachsthums fehlt, bietet
das Verfahren eines Gutsbeſitzers in der Nähe von Göttingen
dar. Er bepflanzte ſein ganzes Land zum Behufe der Pottaſch-
erzeugung mit Wermuth, deſſen Aſche bekanntlich ſehr reich an
kohlenſaurem Kali iſt. Eine Folge davon war die gänzliche
Unfruchtbarkeit ſeiner Felder für Getreidebau; ſie waren auf
Jahrzehnte hinaus völlig ihres Kalis beraubt.

Die Blätter und kleinen Zweige der Bäume enthalten die
meiſte Aſche und das meiſte Alkali; was durch ſie bei dem
Laub- und Streuſammeln den Wäldern genommen wird, iſt
bei weitem mehr, als was das Holz enthält, welches jährlich ge-
ſchlagen wird. Die Eichenrinde, das Eichenlaub enthält z. B.
6 p. c. bis 9 p. c, die Tannen- und Fichtennadeln über 8 p. c.

Mit 2650 ℔ Tannenholz, die wir einem Morgen Wald jährlich
nehmen, wird im Ganzen dem Boden, bei 0,83 p. c. Aſche,
nur 0,114 bis 0,53 ℔ an Alkalien entzogen, aber das Moos,
was den Boden bedeckt, deſſen Aſche reich an Alkali iſt, hält
in ununterbrochen fortdauernder Entwickelung das Kali an
der Oberfläche des ſo leicht von dem Waſſer durchdringbaren
Sandbodens zurück, und bietet in ſeiner Verweſung den aufge-
ſpeicherten Vorrath den Wurzeln dar, die das Alkali aufneh-
men, ohne es wieder zurückzugeben.

Von einer Erzeugung von Alkalien, Metalloxiden und an-
organiſchen Stoffen überhaupt kann nach dieſen ſo wohl bekann-
ten Thatſachen keine Rede ſein.

Man findet es bewundernswürdig, daß die Grasarten,
deren Saamen zur Nahrung dienen, dem Menſchen wie
ein Hausthier folgen. Sie folgen dem Menſchen, durch
ähnliche Urſachen gezwungen, wie die Salzpflanzen dem Mee-
resſtrande und Salinen, die Chenopodien den Schutthau-
fen ꝛc., ſo wie die Miſtkäfer auf die Excremente der Thiere

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[99/0117] Die anorganiſchen Beſtandtheile der Vegetabilien. in ihm eine der Bedingungen ihres Wachsthums fehlt, bietet das Verfahren eines Gutsbeſitzers in der Nähe von Göttingen dar. Er bepflanzte ſein ganzes Land zum Behufe der Pottaſch- erzeugung mit Wermuth, deſſen Aſche bekanntlich ſehr reich an kohlenſaurem Kali iſt. Eine Folge davon war die gänzliche Unfruchtbarkeit ſeiner Felder für Getreidebau; ſie waren auf Jahrzehnte hinaus völlig ihres Kalis beraubt. Die Blätter und kleinen Zweige der Bäume enthalten die meiſte Aſche und das meiſte Alkali; was durch ſie bei dem Laub- und Streuſammeln den Wäldern genommen wird, iſt bei weitem mehr, als was das Holz enthält, welches jährlich ge- ſchlagen wird. Die Eichenrinde, das Eichenlaub enthält z. B. 6 p. c. bis 9 p. c, die Tannen- und Fichtennadeln über 8 p. c. Mit 2650 ℔ Tannenholz, die wir einem Morgen Wald jährlich nehmen, wird im Ganzen dem Boden, bei 0,83 p. c. Aſche, nur 0,114 bis 0,53 ℔ an Alkalien entzogen, aber das Moos, was den Boden bedeckt, deſſen Aſche reich an Alkali iſt, hält in ununterbrochen fortdauernder Entwickelung das Kali an der Oberfläche des ſo leicht von dem Waſſer durchdringbaren Sandbodens zurück, und bietet in ſeiner Verweſung den aufge- ſpeicherten Vorrath den Wurzeln dar, die das Alkali aufneh- men, ohne es wieder zurückzugeben. Von einer Erzeugung von Alkalien, Metalloxiden und an- organiſchen Stoffen überhaupt kann nach dieſen ſo wohl bekann- ten Thatſachen keine Rede ſein. Man findet es bewundernswürdig, daß die Grasarten, deren Saamen zur Nahrung dienen, dem Menſchen wie ein Hausthier folgen. Sie folgen dem Menſchen, durch ähnliche Urſachen gezwungen, wie die Salzpflanzen dem Mee- resſtrande und Salinen, die Chenopodien den Schutthau- fen ꝛc., ſo wie die Miſtkäfer auf die Excremente der Thiere 7*

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/117>, abgerufen am 28.04.2024.