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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

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Die Cultur.
der That, in der Form von Humussäure vorhanden wäre.

Verwesende Vegetabilien, Wasser und Kalk in Auflösung
sind vorhanden, allein die gebildeten Stalaktiten enthalten keine
Spur einer vegetabilischen Materie, sie enthalten keine Hu-
mus-Säure, sie sind glänzend weiß, oder gelblich, zum Theil
durchsichtig wie Kalkspath und lassen sich zum Glühen erhitzen
ohne Schwärzung.

In den alten Burgen in der Nähe des Rheins, der Berg-
straße und der Wetterau bieten unterirdische Gewölbe, aus
Sandstein, Granit und Basalt aufgeführt, eine ähnliche Er-
scheinung wie die Kalkhöhlen dar.

Diese Gewölbe oder Keller sind bedeckt mit einer mehrere
Fuß dicken Lage von Dammerde, in der sich verwesende Ve-
getabilien befinden. Das Regenwasser, was auf diese Gewölbe
fällt, nimmt die gebildete Kohlensäure auf, sickert durch die
Erde hindurch, lös't durch seinen Kohlensäuregehalt den Kalk-
mörtel auf; diese Auflösung verdunstet auf der Innenseite der
Gewölbe wieder und überzieht sie mit kleinen und dünnen hu-
mussäuref
reien Stalaktiten.

Es sind dieß aber durch die Natur gebaute Filtrirapparate,
in denen wir das Resultat eines, Jahrhunderte oder Jahrtau-
sende fortgesetzten Versuches vor Augen haben.

Wenn das Wasser die Fähigkeit besäße, auch nur ein Hun-
derttausendtheil seines Gewichtes an Humussäure oder humus-
sauren Kalk aufzulösen, so würden wir beim Vorhandensein
von Humussäure die Decke dieser Gewölbe und Höhlen damit
überzogen finden, allein man ist nicht im Stande, auch nur die
kleinste Spur davon wahrzunehmen. Es giebt kaum schärfere
und überzeugendere Beweise für die Abwesenheit der Humus-
säure der Chemiker in der Ackererde und Dammerde.

Die gewöhnliche Vorstellung, welche man sich über die

Die Cultur.
der That, in der Form von Humusſäure vorhanden wäre.

Verweſende Vegetabilien, Waſſer und Kalk in Auflöſung
ſind vorhanden, allein die gebildeten Stalaktiten enthalten keine
Spur einer vegetabiliſchen Materie, ſie enthalten keine Hu-
mus-Säure, ſie ſind glänzend weiß, oder gelblich, zum Theil
durchſichtig wie Kalkſpath und laſſen ſich zum Glühen erhitzen
ohne Schwärzung.

In den alten Burgen in der Nähe des Rheins, der Berg-
ſtraße und der Wetterau bieten unterirdiſche Gewölbe, aus
Sandſtein, Granit und Baſalt aufgeführt, eine ähnliche Er-
ſcheinung wie die Kalkhöhlen dar.

Dieſe Gewölbe oder Keller ſind bedeckt mit einer mehrere
Fuß dicken Lage von Dammerde, in der ſich verweſende Ve-
getabilien befinden. Das Regenwaſſer, was auf dieſe Gewölbe
fällt, nimmt die gebildete Kohlenſäure auf, ſickert durch die
Erde hindurch, löſ’t durch ſeinen Kohlenſäuregehalt den Kalk-
mörtel auf; dieſe Auflöſung verdunſtet auf der Innenſeite der
Gewölbe wieder und überzieht ſie mit kleinen und dünnen hu-
musſäuref
reien Stalaktiten.

Es ſind dieß aber durch die Natur gebaute Filtrirapparate,
in denen wir das Reſultat eines, Jahrhunderte oder Jahrtau-
ſende fortgeſetzten Verſuches vor Augen haben.

Wenn das Waſſer die Fähigkeit beſäße, auch nur ein Hun-
derttauſendtheil ſeines Gewichtes an Humusſäure oder humus-
ſauren Kalk aufzulöſen, ſo würden wir beim Vorhandenſein
von Humusſäure die Decke dieſer Gewölbe und Höhlen damit
überzogen finden, allein man iſt nicht im Stande, auch nur die
kleinſte Spur davon wahrzunehmen. Es giebt kaum ſchärfere
und überzeugendere Beweiſe für die Abweſenheit der Humus-
ſäure der Chemiker in der Ackererde und Dammerde.

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[108/0126] Die Cultur. der That, in der Form von Humusſäure vorhanden wäre. Verweſende Vegetabilien, Waſſer und Kalk in Auflöſung ſind vorhanden, allein die gebildeten Stalaktiten enthalten keine Spur einer vegetabiliſchen Materie, ſie enthalten keine Hu- mus-Säure, ſie ſind glänzend weiß, oder gelblich, zum Theil durchſichtig wie Kalkſpath und laſſen ſich zum Glühen erhitzen ohne Schwärzung. In den alten Burgen in der Nähe des Rheins, der Berg- ſtraße und der Wetterau bieten unterirdiſche Gewölbe, aus Sandſtein, Granit und Baſalt aufgeführt, eine ähnliche Er- ſcheinung wie die Kalkhöhlen dar. Dieſe Gewölbe oder Keller ſind bedeckt mit einer mehrere Fuß dicken Lage von Dammerde, in der ſich verweſende Ve- getabilien befinden. Das Regenwaſſer, was auf dieſe Gewölbe fällt, nimmt die gebildete Kohlenſäure auf, ſickert durch die Erde hindurch, löſ’t durch ſeinen Kohlenſäuregehalt den Kalk- mörtel auf; dieſe Auflöſung verdunſtet auf der Innenſeite der Gewölbe wieder und überzieht ſie mit kleinen und dünnen hu- musſäurefreien Stalaktiten. Es ſind dieß aber durch die Natur gebaute Filtrirapparate, in denen wir das Reſultat eines, Jahrhunderte oder Jahrtau- ſende fortgeſetzten Verſuches vor Augen haben. Wenn das Waſſer die Fähigkeit beſäße, auch nur ein Hun- derttauſendtheil ſeines Gewichtes an Humusſäure oder humus- ſauren Kalk aufzulöſen, ſo würden wir beim Vorhandenſein von Humusſäure die Decke dieſer Gewölbe und Höhlen damit überzogen finden, allein man iſt nicht im Stande, auch nur die kleinſte Spur davon wahrzunehmen. Es giebt kaum ſchärfere und überzeugendere Beweiſe für die Abweſenheit der Humus- ſäure der Chemiker in der Ackererde und Dammerde. Die gewöhnliche Vorſtellung, welche man ſich über die

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/126>, abgerufen am 27.04.2024.