Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Cultur.
gersten unfruchtbarsten Boden eben so gut aus, wie auf dem
fettesten und fruchtbarsten, nur in ihrer Größe und Masse, in
der Anzahl der Halme, Zweige, Blätter, Blüthen oder Früchte
beobachtet man einen Unterschied.

Während auf einen fruchtbaren Boden alle ihre einzelnen
Organe sich vergrößern, vermindern sie sich auf einem andern,
wo ihr die Materien minder reichlich zufließen, die sie zu ihrer
Bildung bedarf, ihr Gehalt an stickstoffhaltigen oder stickstoff-
freien Bestandtheilen ändert sich mit der überwiegenden Menge
stickstoffhaltiger oder stickstofffreier Nahrungsmittel.

Die Entwickelung der Halme und Blätter, der Blüthen
und Früchte ist an bestimmte Bedingungen geknüpft, deren Kennt-
niß uns gestattet, einen gewissen Einfluß auf ihren Gehalt in
ihren Bestandtheilen auf die Hervorbringung eines Maximums
in Masse auszuüben.

Die Ausmittelung dieser Bedingungen ist die Aufgabe des
Naturforschers; aus ihrer Kenntniß müssen die Grundsätze der
Land- und Feldwirthschaft entspringen.

Es giebt kein Gewerbe, was sich an Wichtigkeit dem Acker-
bau, der Hervorbringung von Nahrungsmitteln für Menschen
und Thiere vergleichen läßt, in ihm liegt die Grundlage des
Wohlseins, der Entwickelung des Menschengeschlechtes, die
Grundlage des Reichthums der Staaten, er ist die Grundlage
aller Industrie.

In keinem andern Gewerbe ist die Anwendung richtiger
Principien von wohlthätigeren Folgen, von größerem und be-
merkbarerem Einfluß, und es muß um so räthselhafter und
unbegreiflicher erscheinen, wenn man in den Schriften der
Agronomen und Physiologen vergebens nach einem leitenden
Grundsatz sich umsieht.

An allen Orten, in allen Gegenden wechseln die Methoden

Die Cultur.
gerſten unfruchtbarſten Boden eben ſo gut aus, wie auf dem
fetteſten und fruchtbarſten, nur in ihrer Größe und Maſſe, in
der Anzahl der Halme, Zweige, Blätter, Blüthen oder Früchte
beobachtet man einen Unterſchied.

Während auf einen fruchtbaren Boden alle ihre einzelnen
Organe ſich vergrößern, vermindern ſie ſich auf einem andern,
wo ihr die Materien minder reichlich zufließen, die ſie zu ihrer
Bildung bedarf, ihr Gehalt an ſtickſtoffhaltigen oder ſtickſtoff-
freien Beſtandtheilen ändert ſich mit der überwiegenden Menge
ſtickſtoffhaltiger oder ſtickſtofffreier Nahrungsmittel.

Die Entwickelung der Halme und Blätter, der Blüthen
und Früchte iſt an beſtimmte Bedingungen geknüpft, deren Kennt-
niß uns geſtattet, einen gewiſſen Einfluß auf ihren Gehalt in
ihren Beſtandtheilen auf die Hervorbringung eines Maximums
in Maſſe auszuüben.

Die Ausmittelung dieſer Bedingungen iſt die Aufgabe des
Naturforſchers; aus ihrer Kenntniß müſſen die Grundſätze der
Land- und Feldwirthſchaft entſpringen.

Es giebt kein Gewerbe, was ſich an Wichtigkeit dem Acker-
bau, der Hervorbringung von Nahrungsmitteln für Menſchen
und Thiere vergleichen läßt, in ihm liegt die Grundlage des
Wohlſeins, der Entwickelung des Menſchengeſchlechtes, die
Grundlage des Reichthums der Staaten, er iſt die Grundlage
aller Induſtrie.

In keinem andern Gewerbe iſt die Anwendung richtiger
Principien von wohlthätigeren Folgen, von größerem und be-
merkbarerem Einfluß, und es muß um ſo räthſelhafter und
unbegreiflicher erſcheinen, wenn man in den Schriften der
Agronomen und Phyſiologen vergebens nach einem leitenden
Grundſatz ſich umſieht.

An allen Orten, in allen Gegenden wechſeln die Methoden

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0142" n="124"/><fw place="top" type="header">Die Cultur.</fw><lb/>
ger&#x017F;ten unfruchtbar&#x017F;ten Boden eben &#x017F;o gut aus, wie auf dem<lb/>
fette&#x017F;ten und fruchtbar&#x017F;ten, nur in ihrer Größe und Ma&#x017F;&#x017F;e, in<lb/>
der Anzahl der Halme, Zweige, Blätter, Blüthen oder Früchte<lb/>
beobachtet man einen Unter&#x017F;chied.</p><lb/>
          <p>Während auf einen fruchtbaren Boden alle ihre einzelnen<lb/>
Organe &#x017F;ich vergrößern, vermindern &#x017F;ie &#x017F;ich auf einem andern,<lb/>
wo ihr die Materien minder reichlich zufließen, die &#x017F;ie zu ihrer<lb/>
Bildung bedarf, ihr Gehalt an &#x017F;tick&#x017F;toffhaltigen oder &#x017F;tick&#x017F;toff-<lb/>
freien Be&#x017F;tandtheilen ändert &#x017F;ich mit der überwiegenden Menge<lb/>
&#x017F;tick&#x017F;toffhaltiger oder &#x017F;tick&#x017F;tofffreier Nahrungsmittel.</p><lb/>
          <p>Die Entwickelung der Halme und Blätter, der Blüthen<lb/>
und Früchte i&#x017F;t an be&#x017F;timmte Bedingungen geknüpft, deren Kennt-<lb/>
niß uns ge&#x017F;tattet, einen gewi&#x017F;&#x017F;en Einfluß auf ihren Gehalt in<lb/>
ihren Be&#x017F;tandtheilen auf die Hervorbringung eines Maximums<lb/>
in Ma&#x017F;&#x017F;e auszuüben.</p><lb/>
          <p>Die Ausmittelung die&#x017F;er Bedingungen i&#x017F;t die Aufgabe des<lb/>
Naturfor&#x017F;chers; aus ihrer Kenntniß mü&#x017F;&#x017F;en die Grund&#x017F;ätze der<lb/>
Land- und Feldwirth&#x017F;chaft ent&#x017F;pringen.</p><lb/>
          <p>Es giebt kein Gewerbe, was &#x017F;ich an Wichtigkeit dem Acker-<lb/>
bau, der Hervorbringung von Nahrungsmitteln für Men&#x017F;chen<lb/>
und Thiere vergleichen läßt, in ihm liegt die Grundlage des<lb/>
Wohl&#x017F;eins, der Entwickelung des Men&#x017F;chenge&#x017F;chlechtes, die<lb/>
Grundlage des Reichthums der Staaten, er i&#x017F;t die Grundlage<lb/>
aller Indu&#x017F;trie.</p><lb/>
          <p>In keinem andern Gewerbe i&#x017F;t die Anwendung richtiger<lb/>
Principien von wohlthätigeren Folgen, von größerem und be-<lb/>
merkbarerem Einfluß, und es muß um &#x017F;o räth&#x017F;elhafter und<lb/>
unbegreiflicher er&#x017F;cheinen, wenn man in den Schriften der<lb/>
Agronomen und Phy&#x017F;iologen vergebens nach einem leitenden<lb/>
Grund&#x017F;atz &#x017F;ich um&#x017F;ieht.</p><lb/>
          <p>An allen Orten, in allen Gegenden wech&#x017F;eln die Methoden<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[124/0142] Die Cultur. gerſten unfruchtbarſten Boden eben ſo gut aus, wie auf dem fetteſten und fruchtbarſten, nur in ihrer Größe und Maſſe, in der Anzahl der Halme, Zweige, Blätter, Blüthen oder Früchte beobachtet man einen Unterſchied. Während auf einen fruchtbaren Boden alle ihre einzelnen Organe ſich vergrößern, vermindern ſie ſich auf einem andern, wo ihr die Materien minder reichlich zufließen, die ſie zu ihrer Bildung bedarf, ihr Gehalt an ſtickſtoffhaltigen oder ſtickſtoff- freien Beſtandtheilen ändert ſich mit der überwiegenden Menge ſtickſtoffhaltiger oder ſtickſtofffreier Nahrungsmittel. Die Entwickelung der Halme und Blätter, der Blüthen und Früchte iſt an beſtimmte Bedingungen geknüpft, deren Kennt- niß uns geſtattet, einen gewiſſen Einfluß auf ihren Gehalt in ihren Beſtandtheilen auf die Hervorbringung eines Maximums in Maſſe auszuüben. Die Ausmittelung dieſer Bedingungen iſt die Aufgabe des Naturforſchers; aus ihrer Kenntniß müſſen die Grundſätze der Land- und Feldwirthſchaft entſpringen. Es giebt kein Gewerbe, was ſich an Wichtigkeit dem Acker- bau, der Hervorbringung von Nahrungsmitteln für Menſchen und Thiere vergleichen läßt, in ihm liegt die Grundlage des Wohlſeins, der Entwickelung des Menſchengeſchlechtes, die Grundlage des Reichthums der Staaten, er iſt die Grundlage aller Induſtrie. In keinem andern Gewerbe iſt die Anwendung richtiger Principien von wohlthätigeren Folgen, von größerem und be- merkbarerem Einfluß, und es muß um ſo räthſelhafter und unbegreiflicher erſcheinen, wenn man in den Schriften der Agronomen und Phyſiologen vergebens nach einem leitenden Grundſatz ſich umſieht. An allen Orten, in allen Gegenden wechſeln die Methoden

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/142
Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/142>, abgerufen am 27.04.2024.