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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

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Der Ursprung und die Assimilation des Stickstoffs.
henden Formen einzunehmen; diese Eigenschaften finden wir in
keinem andern stickstoffhaltigen Körper wieder.

Ameisensaures Ammoniak verwandelt sich durch den Einfluß
einer höheren Temperatur in Blausäure und Wasser, ohne
Abscheidung eines Elements; mit Cyansäure bildet es Harn-
stoff; mit ätherischem Senföl, Bittermandelöl, eine Reihe kry-
stallinischer Körper; mit dem krystallisirbaren bittern Bestandtheil,
der Aepfelwurzelrinde, dem Phloridzin, mit dem süßen des Li-
chen dealbatus,
dem Orcin, mit dem geschmacklosen der Roccella
tinctoria,
dem Erynthrin verwandelt es sich bei Gegenwart
von Wasser und Luft in prachtvoll blau oder rothe Farbstoffe;
sie sind es, welche als Lackmus, Orseille, künstlich erzeugt werden.
In allen diesen Verbindungen hat das Ammoniak aufgehört, in
der Form von Ammoniak zu existiren, in der Form eines Al-
kalis. Alle blauen Farbestoffe, welche durch Säuren roth, alle
rothen, welche durch Alkalien, wie das Lackmus, blau werden,
enthalten Stickstoff, aber den Stickstoff nicht in der Form einer
Basis.

Dieses Verhalten reicht nicht allein hin, um die Meinung
zu rechtfertigen, daß das Ammoniak es ist, was allen Vege-
tabilien ohne Ausnahme, den Stickstoff in ihren stickstoffhaltigen,
Bestandtheilen liefert.

Betrachtungen anderer Art geben nichtsdestoweniger dieser
Meinung einen Grad der Gewißheit, der jede andere Form
der Assimilation des Stickstoffs gänzlich ausschließt.

Fassen wir in der That den Zustand eines wohlbewirth-
schafteten Gutes ins Auge, von der Ausdehnung, daß es sich
selbst zu erhalten vermag, so haben wir darauf eine gewisse
Summe von Stickstoff, was wir in der Form von Thieren,
Menschen, Getreide, Früchte, in der Form von Thier- und
Menschenexcrementen in ein Inventarium gebracht uns vor-

Der Urſprung und die Aſſimilation des Stickſtoffs.
henden Formen einzunehmen; dieſe Eigenſchaften finden wir in
keinem andern ſtickſtoffhaltigen Körper wieder.

Ameiſenſaures Ammoniak verwandelt ſich durch den Einfluß
einer höheren Temperatur in Blauſäure und Waſſer, ohne
Abſcheidung eines Elements; mit Cyanſäure bildet es Harn-
ſtoff; mit ätheriſchem Senföl, Bittermandelöl, eine Reihe kry-
ſtalliniſcher Körper; mit dem kryſtalliſirbaren bittern Beſtandtheil,
der Aepfelwurzelrinde, dem Phloridzin, mit dem ſüßen des Li-
chen dealbatus,
dem Orcin, mit dem geſchmackloſen der Roccella
tinctoria,
dem Erynthrin verwandelt es ſich bei Gegenwart
von Waſſer und Luft in prachtvoll blau oder rothe Farbſtoffe;
ſie ſind es, welche als Lackmus, Orſeille, künſtlich erzeugt werden.
In allen dieſen Verbindungen hat das Ammoniak aufgehört, in
der Form von Ammoniak zu exiſtiren, in der Form eines Al-
kalis. Alle blauen Farbeſtoffe, welche durch Säuren roth, alle
rothen, welche durch Alkalien, wie das Lackmus, blau werden,
enthalten Stickſtoff, aber den Stickſtoff nicht in der Form einer
Baſis.

Dieſes Verhalten reicht nicht allein hin, um die Meinung
zu rechtfertigen, daß das Ammoniak es iſt, was allen Vege-
tabilien ohne Ausnahme, den Stickſtoff in ihren ſtickſtoffhaltigen,
Beſtandtheilen liefert.

Betrachtungen anderer Art geben nichtsdeſtoweniger dieſer
Meinung einen Grad der Gewißheit, der jede andere Form
der Aſſimilation des Stickſtoffs gänzlich ausſchließt.

Faſſen wir in der That den Zuſtand eines wohlbewirth-
ſchafteten Gutes ins Auge, von der Ausdehnung, daß es ſich
ſelbſt zu erhalten vermag, ſo haben wir darauf eine gewiſſe
Summe von Stickſtoff, was wir in der Form von Thieren,
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[66/0084] Der Urſprung und die Aſſimilation des Stickſtoffs. henden Formen einzunehmen; dieſe Eigenſchaften finden wir in keinem andern ſtickſtoffhaltigen Körper wieder. Ameiſenſaures Ammoniak verwandelt ſich durch den Einfluß einer höheren Temperatur in Blauſäure und Waſſer, ohne Abſcheidung eines Elements; mit Cyanſäure bildet es Harn- ſtoff; mit ätheriſchem Senföl, Bittermandelöl, eine Reihe kry- ſtalliniſcher Körper; mit dem kryſtalliſirbaren bittern Beſtandtheil, der Aepfelwurzelrinde, dem Phloridzin, mit dem ſüßen des Li- chen dealbatus, dem Orcin, mit dem geſchmackloſen der Roccella tinctoria, dem Erynthrin verwandelt es ſich bei Gegenwart von Waſſer und Luft in prachtvoll blau oder rothe Farbſtoffe; ſie ſind es, welche als Lackmus, Orſeille, künſtlich erzeugt werden. In allen dieſen Verbindungen hat das Ammoniak aufgehört, in der Form von Ammoniak zu exiſtiren, in der Form eines Al- kalis. Alle blauen Farbeſtoffe, welche durch Säuren roth, alle rothen, welche durch Alkalien, wie das Lackmus, blau werden, enthalten Stickſtoff, aber den Stickſtoff nicht in der Form einer Baſis. Dieſes Verhalten reicht nicht allein hin, um die Meinung zu rechtfertigen, daß das Ammoniak es iſt, was allen Vege- tabilien ohne Ausnahme, den Stickſtoff in ihren ſtickſtoffhaltigen, Beſtandtheilen liefert. Betrachtungen anderer Art geben nichtsdeſtoweniger dieſer Meinung einen Grad der Gewißheit, der jede andere Form der Aſſimilation des Stickſtoffs gänzlich ausſchließt. Faſſen wir in der That den Zuſtand eines wohlbewirth- ſchafteten Gutes ins Auge, von der Ausdehnung, daß es ſich ſelbſt zu erhalten vermag, ſo haben wir darauf eine gewiſſe Summe von Stickſtoff, was wir in der Form von Thieren, Menſchen, Getreide, Früchte, in der Form von Thier- und Menſchenexcrementen in ein Inventarium gebracht uns vor-

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/84>, abgerufen am 29.04.2024.