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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842.

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Der chemische Proceß der
bumin, Fibrin, Casein enthalten Protein; das Casein enthält
Schwefel, keinen Phosphor; Albumin und Fibrin enthalten
beide Substanzen in chemischer Verbindung, das erstere mehr
Schwefel als wie das Fibrin. In welcher Form der Phos-
phor in diesen Materien vorhanden ist, kann direct nicht
entschieden werden, aber man hat bestimmte Beweise dafür,
daß der Schwefel nicht im oxydirten Zustande darin enthal-
ten sein kann. Alle diese Materien geben nämlich mit einer
mäßig starken Kalilauge erhitzt den Schwefel ab, den man
in der Flüssigkeit als Schwefelkalium wiederfindet; mit einer
Säure versetzt entwickelt er sich daraus als Schwefelwasser-
stoff. Lös't man reines Fibrin oder gewöhnliches Eiweiß
in schwacher Kalilauge auf, setzt essigsaures Bleioxyd mit
der Vorsicht hinzu, daß alles Bleioxyd in der alkalischen
Lauge gelös't bleibt, und erhitzt nun zum Sieden, so wird
die Flüssigkeit schwarz wie Dinte und es schlägt sich Schwe-
felblei als feines Pulver nieder.

Es ist außerordentlich wahrscheinlich, daß durch die Ein-
wirkung des Alkali's der Schwefel als Schwefelwasserstoff,
der Phosphor als Phosphorsäure hinweggenommen wird.
Da nun in diesem Falle Schwefel und Phosphor auf der
einen Seite, Wasserstoff und Sauerstoff auf der andern aus-
treten, so sollte man denken, daß Fibrin und Albumin mit
ihrem Schwefel und Phosphor mehr Wasserstoff und Sauer-
stoff in der Analyse geben müßten, als das Protein. Allein
dies läßt sich thatsächlich durch die Analyse nicht darthun.
Man hat z. B. in dem Fibrin 0,36 pCt. Schwefel gefun-

Der chemiſche Proceß der
bumin, Fibrin, Caſein enthalten Protein; das Caſein enthält
Schwefel, keinen Phosphor; Albumin und Fibrin enthalten
beide Subſtanzen in chemiſcher Verbindung, das erſtere mehr
Schwefel als wie das Fibrin. In welcher Form der Phos-
phor in dieſen Materien vorhanden iſt, kann direct nicht
entſchieden werden, aber man hat beſtimmte Beweiſe dafür,
daß der Schwefel nicht im oxydirten Zuſtande darin enthal-
ten ſein kann. Alle dieſe Materien geben nämlich mit einer
mäßig ſtarken Kalilauge erhitzt den Schwefel ab, den man
in der Flüſſigkeit als Schwefelkalium wiederfindet; mit einer
Säure verſetzt entwickelt er ſich daraus als Schwefelwaſſer-
ſtoff. Löſ’t man reines Fibrin oder gewöhnliches Eiweiß
in ſchwacher Kalilauge auf, ſetzt eſſigſaures Bleioxyd mit
der Vorſicht hinzu, daß alles Bleioxyd in der alkaliſchen
Lauge gelöſ’t bleibt, und erhitzt nun zum Sieden, ſo wird
die Flüſſigkeit ſchwarz wie Dinte und es ſchlägt ſich Schwe-
felblei als feines Pulver nieder.

Es iſt außerordentlich wahrſcheinlich, daß durch die Ein-
wirkung des Alkali’s der Schwefel als Schwefelwaſſerſtoff,
der Phosphor als Phosphorſäure hinweggenommen wird.
Da nun in dieſem Falle Schwefel und Phosphor auf der
einen Seite, Waſſerſtoff und Sauerſtoff auf der andern aus-
treten, ſo ſollte man denken, daß Fibrin und Albumin mit
ihrem Schwefel und Phosphor mehr Waſſerſtoff und Sauer-
ſtoff in der Analyſe geben müßten, als das Protein. Allein
dies läßt ſich thatſächlich durch die Analyſe nicht darthun.
Man hat z. B. in dem Fibrin 0,36 pCt. Schwefel gefun-

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[124/0148] Der chemiſche Proceß der bumin, Fibrin, Caſein enthalten Protein; das Caſein enthält Schwefel, keinen Phosphor; Albumin und Fibrin enthalten beide Subſtanzen in chemiſcher Verbindung, das erſtere mehr Schwefel als wie das Fibrin. In welcher Form der Phos- phor in dieſen Materien vorhanden iſt, kann direct nicht entſchieden werden, aber man hat beſtimmte Beweiſe dafür, daß der Schwefel nicht im oxydirten Zuſtande darin enthal- ten ſein kann. Alle dieſe Materien geben nämlich mit einer mäßig ſtarken Kalilauge erhitzt den Schwefel ab, den man in der Flüſſigkeit als Schwefelkalium wiederfindet; mit einer Säure verſetzt entwickelt er ſich daraus als Schwefelwaſſer- ſtoff. Löſ’t man reines Fibrin oder gewöhnliches Eiweiß in ſchwacher Kalilauge auf, ſetzt eſſigſaures Bleioxyd mit der Vorſicht hinzu, daß alles Bleioxyd in der alkaliſchen Lauge gelöſ’t bleibt, und erhitzt nun zum Sieden, ſo wird die Flüſſigkeit ſchwarz wie Dinte und es ſchlägt ſich Schwe- felblei als feines Pulver nieder. Es iſt außerordentlich wahrſcheinlich, daß durch die Ein- wirkung des Alkali’s der Schwefel als Schwefelwaſſerſtoff, der Phosphor als Phosphorſäure hinweggenommen wird. Da nun in dieſem Falle Schwefel und Phosphor auf der einen Seite, Waſſerſtoff und Sauerſtoff auf der andern aus- treten, ſo ſollte man denken, daß Fibrin und Albumin mit ihrem Schwefel und Phosphor mehr Waſſerſtoff und Sauer- ſtoff in der Analyſe geben müßten, als das Protein. Allein dies läßt ſich thatſächlich durch die Analyſe nicht darthun. Man hat z. B. in dem Fibrin 0,36 pCt. Schwefel gefun-

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842/148>, abgerufen am 29.04.2024.