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Lilienthal, Otto: Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst. Ein Beitrag zur Systematik der Flugtechnik. Berlin, 1889.

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teilnimmt, und ein Bewegungsbild in die Erscheinung tritt,
wie Fig. 67 zeigt.

Weist uns aber nicht wiederum die Möwe hier einen Weg,
auf dem wir abermals zu einer Flugerleichterung, zu einer
Kraftersparnis gelangen? Ist aus dieser Bewegungsform nicht
sofort herauszulesen, dass die Möwe mit den wenig auf und
nieder bewegten Armteilen ihrer Flügel ruhig weiter segelt,
während die nur aus Schwungfedern bestehenden, leicht dreh-
baren Flügelhände die verlorene Vorwärtsgeschwindigkeit
ergänzen? Es ist die Absicht unverkennbar, den dem Körper
naheliegenden breiteren Flügelteil bei wenig Ausschlag und

[Abbildung]
[Abbildung] Fig. 67.
wenig Arbeitsleistung zum Tragen zu verwenden, während
die schmalere Flügelspitze bei wesentlich stärkerem Ausschlag
die vorwärts ziehende Wirkung in der Luft besorgt, um dem
Luftwiderstand des Vogelkörpers und der etwa noch vorhan-
denen hemmenden Luftwiderstandskomponente am Flügelarm
das Gleichgewicht zu halten.

Wenn dieses feststeht, so muss man in dem Flugorgan
des Vogelflügels, das um das Schultergelenk als Drehpunkt
sich auf und nieder bewegt, das durch seine Gliederung eine
verstärkte Hebung und Senkung sowie eine Drehung der
leichten Flügelspitze bewirken lässt, eine höchst sinnreiche,
vollkommene Anordnung bewundern.

Der Armteil des Flügels ist schwer, er enthält Knochen,
Muskeln und Sehnen, er setzt daher jeder schnelleren Bewe-
gung eine grössere Trägheit entgegen. Dieser breitere Flügel-

teilnimmt, und ein Bewegungsbild in die Erscheinung tritt,
wie Fig. 67 zeigt.

Weist uns aber nicht wiederum die Möwe hier einen Weg,
auf dem wir abermals zu einer Flugerleichterung, zu einer
Kraftersparnis gelangen? Ist aus dieser Bewegungsform nicht
sofort herauszulesen, daſs die Möwe mit den wenig auf und
nieder bewegten Armteilen ihrer Flügel ruhig weiter segelt,
während die nur aus Schwungfedern bestehenden, leicht dreh-
baren Flügelhände die verlorene Vorwärtsgeschwindigkeit
ergänzen? Es ist die Absicht unverkennbar, den dem Körper
naheliegenden breiteren Flügelteil bei wenig Ausschlag und

[Abbildung]
[Abbildung] Fig. 67.
wenig Arbeitsleistung zum Tragen zu verwenden, während
die schmalere Flügelspitze bei wesentlich stärkerem Ausschlag
die vorwärts ziehende Wirkung in der Luft besorgt, um dem
Luftwiderstand des Vogelkörpers und der etwa noch vorhan-
denen hemmenden Luftwiderstandskomponente am Flügelarm
das Gleichgewicht zu halten.

Wenn dieses feststeht, so muſs man in dem Flugorgan
des Vogelflügels, das um das Schultergelenk als Drehpunkt
sich auf und nieder bewegt, das durch seine Gliederung eine
verstärkte Hebung und Senkung sowie eine Drehung der
leichten Flügelspitze bewirken läſst, eine höchst sinnreiche,
vollkommene Anordnung bewundern.

Der Armteil des Flügels ist schwer, er enthält Knochen,
Muskeln und Sehnen, er setzt daher jeder schnelleren Bewe-
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[138/0154] teilnimmt, und ein Bewegungsbild in die Erscheinung tritt, wie Fig. 67 zeigt. Weist uns aber nicht wiederum die Möwe hier einen Weg, auf dem wir abermals zu einer Flugerleichterung, zu einer Kraftersparnis gelangen? Ist aus dieser Bewegungsform nicht sofort herauszulesen, daſs die Möwe mit den wenig auf und nieder bewegten Armteilen ihrer Flügel ruhig weiter segelt, während die nur aus Schwungfedern bestehenden, leicht dreh- baren Flügelhände die verlorene Vorwärtsgeschwindigkeit ergänzen? Es ist die Absicht unverkennbar, den dem Körper naheliegenden breiteren Flügelteil bei wenig Ausschlag und [Abbildung] [Abbildung Fig. 67.] wenig Arbeitsleistung zum Tragen zu verwenden, während die schmalere Flügelspitze bei wesentlich stärkerem Ausschlag die vorwärts ziehende Wirkung in der Luft besorgt, um dem Luftwiderstand des Vogelkörpers und der etwa noch vorhan- denen hemmenden Luftwiderstandskomponente am Flügelarm das Gleichgewicht zu halten. Wenn dieses feststeht, so muſs man in dem Flugorgan des Vogelflügels, das um das Schultergelenk als Drehpunkt sich auf und nieder bewegt, das durch seine Gliederung eine verstärkte Hebung und Senkung sowie eine Drehung der leichten Flügelspitze bewirken läſst, eine höchst sinnreiche, vollkommene Anordnung bewundern. Der Armteil des Flügels ist schwer, er enthält Knochen, Muskeln und Sehnen, er setzt daher jeder schnelleren Bewe- gung eine gröſsere Trägheit entgegen. Dieser breitere Flügel-

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Zitationshilfe: Lilienthal, Otto: Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst. Ein Beitrag zur Systematik der Flugtechnik. Berlin, 1889, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lilienthal_vogelflug_1889/154>, abgerufen am 29.04.2024.