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Lilienthal, Otto: Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst. Ein Beitrag zur Systematik der Flugtechnik. Berlin, 1889.

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bei Nacht herumfliegen sieht. Sie nützen die Tragekraft des
Windes in so vollkommener Weise aus, dass ihre eigene An-
strengung kaum nötig ist.

Und dennoch sind sie da, wo sie nur immer sein wollen,
als wenn der Wille allein ihre einzige Triebkraft bei ihrem
Fluge wäre.

Diese vollkommenste aller Fortbewegungsarten sich zu
eigen zu machen, ist das Streben des Menschen seit den An-
fängen seiner Geschichte.

Tausendfältig hat der Mensch versucht, es den Vögeln
gleich zu thun. Flügel ohne Zahl sind von dem Menschen-
geschlechte gefertigt, geprobt und -- verworfen. Alles, alles
vergeblich und ohne Nutzen für die Erreichung dieses heiss
ersehnten Zieles.

Der wahre, freie Flug, er ist auch heute noch ein Problem
für die Menschheit, wie er es vor Tausenden von Jahren
gewesen ist.

Die erste wirkliche Erhebung des Menschen in die Luft
geschah mit Hülfe des Luftballons. Der Luftballon ist leichter
als die von ihm verdrängte Luftmasse, er kann daher noch
andere schwere Körper mit in die Luft heben. Der Luft-
ballon erhält aber unter allen Umständen, auch wenn derselbe
in länglicher zugespitzter Form ausgeführt wird, einen so
grossen Querschnitt nach der Bewegungsrichtung, und erfährt
einen so grossen Widerstand durch seine Bewegung in der
Luft, dass es nicht möglich ist, namentlich gegen den Wind
denselben mit solcher Geschwindigkeit durch die Luft zu
treiben, dass die Vorteile der willkürlichen schnellen Orts-
veränderung, wie wir sie an den fliegenden Tieren wahr-
nehmen, im Entferntesten erreicht werden könnten.

Es bleibt daher nur übrig, um jene grossartigen Wirkun-
gen des Fliegens der Tierwelt auch für den Menschen nutzbar
zu machen, auf die helfende Wirkung des Auftriebes leichter
Gase, also auf die Benutzung des Luftballons ganz zu ver-
zichten, und sich einer Fliegemethode zu bedienen, bei welcher
nur dünne Flügelkörper angewendet werden, welche dem

bei Nacht herumfliegen sieht. Sie nützen die Tragekraft des
Windes in so vollkommener Weise aus, daſs ihre eigene An-
strengung kaum nötig ist.

Und dennoch sind sie da, wo sie nur immer sein wollen,
als wenn der Wille allein ihre einzige Triebkraft bei ihrem
Fluge wäre.

Diese vollkommenste aller Fortbewegungsarten sich zu
eigen zu machen, ist das Streben des Menschen seit den An-
fängen seiner Geschichte.

Tausendfältig hat der Mensch versucht, es den Vögeln
gleich zu thun. Flügel ohne Zahl sind von dem Menschen-
geschlechte gefertigt, geprobt und — verworfen. Alles, alles
vergeblich und ohne Nutzen für die Erreichung dieses heiſs
ersehnten Zieles.

Der wahre, freie Flug, er ist auch heute noch ein Problem
für die Menschheit, wie er es vor Tausenden von Jahren
gewesen ist.

Die erste wirkliche Erhebung des Menschen in die Luft
geschah mit Hülfe des Luftballons. Der Luftballon ist leichter
als die von ihm verdrängte Luftmasse, er kann daher noch
andere schwere Körper mit in die Luft heben. Der Luft-
ballon erhält aber unter allen Umständen, auch wenn derselbe
in länglicher zugespitzter Form ausgeführt wird, einen so
groſsen Querschnitt nach der Bewegungsrichtung, und erfährt
einen so groſsen Widerstand durch seine Bewegung in der
Luft, daſs es nicht möglich ist, namentlich gegen den Wind
denselben mit solcher Geschwindigkeit durch die Luft zu
treiben, daſs die Vorteile der willkürlichen schnellen Orts-
veränderung, wie wir sie an den fliegenden Tieren wahr-
nehmen, im Entferntesten erreicht werden könnten.

Es bleibt daher nur übrig, um jene groſsartigen Wirkun-
gen des Fliegens der Tierwelt auch für den Menschen nutzbar
zu machen, auf die helfende Wirkung des Auftriebes leichter
Gase, also auf die Benutzung des Luftballons ganz zu ver-
zichten, und sich einer Fliegemethode zu bedienen, bei welcher
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[6/0022] bei Nacht herumfliegen sieht. Sie nützen die Tragekraft des Windes in so vollkommener Weise aus, daſs ihre eigene An- strengung kaum nötig ist. Und dennoch sind sie da, wo sie nur immer sein wollen, als wenn der Wille allein ihre einzige Triebkraft bei ihrem Fluge wäre. Diese vollkommenste aller Fortbewegungsarten sich zu eigen zu machen, ist das Streben des Menschen seit den An- fängen seiner Geschichte. Tausendfältig hat der Mensch versucht, es den Vögeln gleich zu thun. Flügel ohne Zahl sind von dem Menschen- geschlechte gefertigt, geprobt und — verworfen. Alles, alles vergeblich und ohne Nutzen für die Erreichung dieses heiſs ersehnten Zieles. Der wahre, freie Flug, er ist auch heute noch ein Problem für die Menschheit, wie er es vor Tausenden von Jahren gewesen ist. Die erste wirkliche Erhebung des Menschen in die Luft geschah mit Hülfe des Luftballons. Der Luftballon ist leichter als die von ihm verdrängte Luftmasse, er kann daher noch andere schwere Körper mit in die Luft heben. Der Luft- ballon erhält aber unter allen Umständen, auch wenn derselbe in länglicher zugespitzter Form ausgeführt wird, einen so groſsen Querschnitt nach der Bewegungsrichtung, und erfährt einen so groſsen Widerstand durch seine Bewegung in der Luft, daſs es nicht möglich ist, namentlich gegen den Wind denselben mit solcher Geschwindigkeit durch die Luft zu treiben, daſs die Vorteile der willkürlichen schnellen Orts- veränderung, wie wir sie an den fliegenden Tieren wahr- nehmen, im Entferntesten erreicht werden könnten. Es bleibt daher nur übrig, um jene groſsartigen Wirkun- gen des Fliegens der Tierwelt auch für den Menschen nutzbar zu machen, auf die helfende Wirkung des Auftriebes leichter Gase, also auf die Benutzung des Luftballons ganz zu ver- zichten, und sich einer Fliegemethode zu bedienen, bei welcher nur dünne Flügelkörper angewendet werden, welche dem

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Zitationshilfe: Lilienthal, Otto: Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst. Ein Beitrag zur Systematik der Flugtechnik. Berlin, 1889, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lilienthal_vogelflug_1889/22>, abgerufen am 28.03.2024.