welchem der Gesetzgeber gerade gewisse Thatbestände zu Voraussetzungen für den Eintritt seiner Strafgewalt erklärt.
I. Jedes Verbrechen erscheint zunächst als eine Ueber- tretung des der Strafdrohung zu Grunde liegenden Impe- rativs. Die schuldhafte Uebertretung einer staat- lichen Norm nennen wir (mit Binding) Delikt. Jedes Verbrechen ist also Delikt und muß alle Merkmale desselben an sich tragen. Aber noch ein Merkmal mehr: Verbrechen ist das mit Strafe belegte Delikt. Nicht jedes Delikt ist mithin Verbrechen.1
1. In weitaus den meisten Fällen bedroht der Gesetz- geber vielmehr nur die durch irgend einen Umstand quali- fizirte Normübertretung mit Strafe. So ist jede Kuppelei Delikt, aber nur die gewohnheitsmäßig oder aus Eigennutz begangene ist Verbrechen (StGB. §. 180).
2. In anderen Fällen muß zu der Normübertretung die Erfüllung einer weiteren, ganz außerhalb dieser liegenden Bedingung hinzutreten, um die Strafbarkeit des Deliktes herbeizuführen: so der Antrag des Verletzten, oder die Ver- bürgung der Gegenseitigkeit (StGB. §§. 102, 103); Straf- drohung einer auswärtigen Gesetzgebung (StGB. §. 4 Nr. 3); Auflösung oder Scheidung einer Ehe (StGB. §§. 170, 172, 238); Oeffentlichkeit der Verübung (StGB. §. 183 u. A.) usw. Es sind dieß die doppelt bedingten Strafdrohungen, wie Binding sie genannt hat.
3. Insbesondere aber ist der Umstand ins Auge zu fassen, daß an die Uebertretungen einer und derselben Norm je nach der verschiedenen Qualifikation der Uebertretung ver- schiedene Straffolgen geknüpft sein können, so daß dem einen
1 Zum Folgenden vgl. Binding Normen.
Einleitung. I. Die Grundbegriffe.
welchem der Geſetzgeber gerade gewiſſe Thatbeſtände zu Vorausſetzungen für den Eintritt ſeiner Strafgewalt erklärt.
I. Jedes Verbrechen erſcheint zunächſt als eine Ueber- tretung des der Strafdrohung zu Grunde liegenden Impe- rativs. Die ſchuldhafte Uebertretung einer ſtaat- lichen Norm nennen wir (mit Binding) Delikt. Jedes Verbrechen iſt alſo Delikt und muß alle Merkmale desſelben an ſich tragen. Aber noch ein Merkmal mehr: Verbrechen iſt das mit Strafe belegte Delikt. Nicht jedes Delikt iſt mithin Verbrechen.1
1. In weitaus den meiſten Fällen bedroht der Geſetz- geber vielmehr nur die durch irgend einen Umſtand quali- fizirte Normübertretung mit Strafe. So iſt jede Kuppelei Delikt, aber nur die gewohnheitsmäßig oder aus Eigennutz begangene iſt Verbrechen (StGB. §. 180).
2. In anderen Fällen muß zu der Normübertretung die Erfüllung einer weiteren, ganz außerhalb dieſer liegenden Bedingung hinzutreten, um die Strafbarkeit des Deliktes herbeizuführen: ſo der Antrag des Verletzten, oder die Ver- bürgung der Gegenſeitigkeit (StGB. §§. 102, 103); Straf- drohung einer auswärtigen Geſetzgebung (StGB. §. 4 Nr. 3); Auflöſung oder Scheidung einer Ehe (StGB. §§. 170, 172, 238); Oeffentlichkeit der Verübung (StGB. §. 183 u. A.) uſw. Es ſind dieß die doppelt bedingten Strafdrohungen, wie Binding ſie genannt hat.
3. Insbeſondere aber iſt der Umſtand ins Auge zu faſſen, daß an die Uebertretungen einer und derſelben Norm je nach der verſchiedenen Qualifikation der Uebertretung ver- ſchiedene Straffolgen geknüpft ſein können, ſo daß dem einen
1 Zum Folgenden vgl. Binding Normen.
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Einleitung. I. Die Grundbegriffe.
welchem der Geſetzgeber gerade gewiſſe Thatbeſtände zu
Vorausſetzungen für den Eintritt ſeiner Strafgewalt erklärt.
I. Jedes Verbrechen erſcheint zunächſt als eine Ueber-
tretung des der Strafdrohung zu Grunde liegenden Impe-
rativs. Die ſchuldhafte Uebertretung einer ſtaat-
lichen Norm nennen wir (mit Binding) Delikt. Jedes
Verbrechen iſt alſo Delikt und muß alle Merkmale desſelben
an ſich tragen. Aber noch ein Merkmal mehr: Verbrechen
iſt das mit Strafe belegte Delikt. Nicht jedes Delikt
iſt mithin Verbrechen. 1
1. In weitaus den meiſten Fällen bedroht der Geſetz-
geber vielmehr nur die durch irgend einen Umſtand quali-
fizirte Normübertretung mit Strafe. So iſt jede Kuppelei
Delikt, aber nur die gewohnheitsmäßig oder aus Eigennutz
begangene iſt Verbrechen (StGB. §. 180).
2. In anderen Fällen muß zu der Normübertretung die
Erfüllung einer weiteren, ganz außerhalb dieſer liegenden
Bedingung hinzutreten, um die Strafbarkeit des Deliktes
herbeizuführen: ſo der Antrag des Verletzten, oder die Ver-
bürgung der Gegenſeitigkeit (StGB. §§. 102, 103); Straf-
drohung einer auswärtigen Geſetzgebung (StGB. §. 4 Nr. 3);
Auflöſung oder Scheidung einer Ehe (StGB. §§. 170, 172,
238); Oeffentlichkeit der Verübung (StGB. §. 183 u. A.) uſw.
Es ſind dieß die doppelt bedingten Strafdrohungen, wie
Binding ſie genannt hat.
3. Insbeſondere aber iſt der Umſtand ins Auge zu
faſſen, daß an die Uebertretungen einer und derſelben Norm
je nach der verſchiedenen Qualifikation der Uebertretung ver-
ſchiedene Straffolgen geknüpft ſein können, ſo daß dem einen
1 Zum Folgenden vgl. Binding Normen.
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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/36>, abgerufen am 28.04.2024.
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