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Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898.

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I. Buch. Die Rechtssubjekte und ihre allgem. Rechtsstellung.
Vereinbarung beruhende Neutralisierung des Suezkanals
unten § 27 IV.
c) Binnenmeere oder Binnenseeen im engern Sinne (mare clau-
sum) sind diejenigen Seeen, die mit dem offenen Meere
nicht in schiffbarer Verbindung stehen. Auf sie finden
dieselben Regeln Anwendung (bestritten). Daher steht der
Bodensee (was für die Frage der Neutralität wichtig wird)
unter der geteilten Herrschaft der Uferstaaten. So die
überwiegende Meinung.

Dagegen insbesondere Rettich, Die völkerrechtlichen und staats-
rechtlichen Verhältnisse des Bodensees. 1884.

Ferner Caratheodory, H. H. II 380.

Litteratur bei Ullmann, S. 184 Note 3.

Durch besondere Vereinbarung können auch hier ab-
weichende Rechtsverhältnisse geschaffen werden. So hat sich
Russland durch den Vertrag mit Persien vom 22. Februar 1828
zu Turkmentschai die ausschliessliche Herrschaft über das
Kaspische Meer gesichert.

Kraft der Gebietshoheit kann der Uferstaat, soweit er durch
Verträge nicht eingeschränkt ist, den Angehörigen anderer Staaten
Schiffahrt und Fischerei in seinen Eigengewässern verbieten oder sie
ihnen nur unter gewissen, die eigenen Staatsangehörigen begünstigenden,
Bedingungen (Abgaben) gestatten
(unten § 25 I). Die Gerichtsbarkeit
über fremde Handelsschiffe
(und damit das Durchsuchungsrecht) steht
ihm uneingeschränkt zu.

2. Binnenseeen im weiteren Sinne sind solche, die mit dem offenen
Meere in schiffbarer Verbindung stehen. Sie unterliegen der Gebiets-
hoheit des sie umschliessenden einen Uferstaates, wenn dieser die Ver-
bindung mit dem Meere vollständig beherrscht. Sie sind offenes Meer,
soweit diese Bedingungen nicht zutreffen. Das Gleiche gilt von den
diese Verbindung herstellenden Meerengen.

Vgl. unten § 26 II, insbesondere über die Dardanellen und
und den Bosporus.

Auch hier also bestimmt der Uferstaat souverän über die
Zulassung Staatsfremder zu Schiffahrt und Fischerei.


I. Buch. Die Rechtssubjekte und ihre allgem. Rechtsstellung.
Vereinbarung beruhende Neutralisierung des Suezkanals
unten § 27 IV.
c) Binnenmeere oder Binnenseeen im engern Sinne (mare clau-
sum) sind diejenigen Seeen, die mit dem offenen Meere
nicht in schiffbarer Verbindung stehen. Auf sie finden
dieselben Regeln Anwendung (bestritten). Daher steht der
Bodensee (was für die Frage der Neutralität wichtig wird)
unter der geteilten Herrschaft der Uferstaaten. So die
überwiegende Meinung.

Dagegen insbesondere Rettich, Die völkerrechtlichen und staats-
rechtlichen Verhältnisse des Bodensees. 1884.

Ferner Carathéodory, H. H. II 380.

Litteratur bei Ullmann, S. 184 Note 3.

Durch besondere Vereinbarung können auch hier ab-
weichende Rechtsverhältnisse geschaffen werden. So hat sich
Ruſsland durch den Vertrag mit Persien vom 22. Februar 1828
zu Turkmentschai die ausschlieſsliche Herrschaft über das
Kaspische Meer gesichert.

Kraft der Gebietshoheit kann der Uferstaat, soweit er durch
Verträge nicht eingeschränkt ist, den Angehörigen anderer Staaten
Schiffahrt und Fischerei in seinen Eigengewässern verbieten oder sie
ihnen nur unter gewissen, die eigenen Staatsangehörigen begünstigenden,
Bedingungen (Abgaben) gestatten
(unten § 25 I). Die Gerichtsbarkeit
über fremde Handelsschiffe
(und damit das Durchsuchungsrecht) steht
ihm uneingeschränkt zu.

2. Binnenseeen im weiteren Sinne sind solche, die mit dem offenen
Meere in schiffbarer Verbindung stehen. Sie unterliegen der Gebiets-
hoheit des sie umschlieſsenden einen Uferstaates, wenn dieser die Ver-
bindung mit dem Meere vollständig beherrscht. Sie sind offenes Meer,
soweit diese Bedingungen nicht zutreffen. Das Gleiche gilt von den
diese Verbindung herstellenden Meerengen.

Vgl. unten § 26 II, insbesondere über die Dardanellen und
und den Bosporus.

Auch hier also bestimmt der Uferstaat souverän über die
Zulassung Staatsfremder zu Schiffahrt und Fischerei.


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[50/0072] I. Buch. Die Rechtssubjekte und ihre allgem. Rechtsstellung. Vereinbarung beruhende Neutralisierung des Suezkanals unten § 27 IV. c) Binnenmeere oder Binnenseeen im engern Sinne (mare clau- sum) sind diejenigen Seeen, die mit dem offenen Meere nicht in schiffbarer Verbindung stehen. Auf sie finden dieselben Regeln Anwendung (bestritten). Daher steht der Bodensee (was für die Frage der Neutralität wichtig wird) unter der geteilten Herrschaft der Uferstaaten. So die überwiegende Meinung. Dagegen insbesondere Rettich, Die völkerrechtlichen und staats- rechtlichen Verhältnisse des Bodensees. 1884. Ferner Carathéodory, H. H. II 380. Litteratur bei Ullmann, S. 184 Note 3. Durch besondere Vereinbarung können auch hier ab- weichende Rechtsverhältnisse geschaffen werden. So hat sich Ruſsland durch den Vertrag mit Persien vom 22. Februar 1828 zu Turkmentschai die ausschlieſsliche Herrschaft über das Kaspische Meer gesichert. Kraft der Gebietshoheit kann der Uferstaat, soweit er durch Verträge nicht eingeschränkt ist, den Angehörigen anderer Staaten Schiffahrt und Fischerei in seinen Eigengewässern verbieten oder sie ihnen nur unter gewissen, die eigenen Staatsangehörigen begünstigenden, Bedingungen (Abgaben) gestatten (unten § 25 I). Die Gerichtsbarkeit über fremde Handelsschiffe (und damit das Durchsuchungsrecht) steht ihm uneingeschränkt zu. 2. Binnenseeen im weiteren Sinne sind solche, die mit dem offenen Meere in schiffbarer Verbindung stehen. Sie unterliegen der Gebiets- hoheit des sie umschlieſsenden einen Uferstaates, wenn dieser die Ver- bindung mit dem Meere vollständig beherrscht. Sie sind offenes Meer, soweit diese Bedingungen nicht zutreffen. Das Gleiche gilt von den diese Verbindung herstellenden Meerengen. Vgl. unten § 26 II, insbesondere über die Dardanellen und und den Bosporus. Auch hier also bestimmt der Uferstaat souverän über die Zulassung Staatsfremder zu Schiffahrt und Fischerei.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/72>, abgerufen am 30.04.2024.