Tschu-kong, Bruder des Uwang, des Stifters der Dynastie Tschu, beherrschte China, während der Minderjährigkeit seines Neffen, von dem Jahre 1104 bis 1098 vor unserer Zeitrechnung. Das Andenken dieses vortrefflichen Fürsten ist jetzt noch, nach bei- nahe drei Jahrtausenden, der Gegenstand der Verehrung bei den Chinesen. In dem heiligsten ihrer Bücher, dem Schu-king, dessen Verfasser der berühmte Confucius ist, wird dieser Fürst eingeführt, wie er seinen Zöglingen die weisesten Grundsätze der Moral und der Regierungskunst mittheilt. Von den vielen Beobachtungen, die er selbst gemacht hatte und von seinen Astronomen machen ließ, sind nur drei auf uns gekommen, die ältesten von allen, die sich aus der Vorzeit erhalten haben. Die zwei ersten sind die oben erwähnten Beobachtungen der Höhe der Solstitien in Loyang, und die dritte ist eine Bestimmung der Länge der Sonne zur Zeit des Wintersolstitiums von derselben Epoche. Indem er die Sonne mit dem Stern e im Sternbilde des Wassermanns verglich, fand er die Rectascension dieses Sterns gleich 268° 2', was mit der neuern Theorie der Astronomie eben sowohl übereinstimmt, als die aus den beiden vorhergehenden Beobachtungen abgeleitete Schiefe der Ecliptik.
Nach ihm verfiel die Astronomie in diesem Lande, besonders als der barbarische K. Chi-Hoanti i. J. 213 vor Chr. Geb. alle Bücher des Reiches verbrennen ließ. Erst im fünften Jahrhundert nach unserer Zeitrechnung erhob sich die Wissenschaft wieder unter dem Astronomen Tsu-tschong, der um d. J. 460 zu Nankin beobach- tete und die Länge des Jahres gleich 365,24282 Tage fand, nur 0,00057 Tage oder 49,2 Secunden größer als nach den neuesten Bestimmungen. -- Während später im dreizehnten Jahrhunderte Holaku-Hekukan die Astronomie in Persien aufblühen machte, gewährte ihr sein Bruder Kobilai in China denselben Schutz, in- dem er den oben erwähnten Coschu-king, den berühmtesten Astro- nomen China's, i. J. 1271 zum Vorsteher des mathematischen Tribunals dieses Landes ernannte. Coschu-king ließ viel größere und vorzüglichere Instrumente bauen, als man bisher kannte. Das kostbarste derselben war ein Gnomon von 40 chin. Fuß Höhe, der an seinem obern Ende eine Kupferplatte mit einer freien Oeffnung trug. Mit ihm ist die oben angeführte Beobachtung gemacht
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Jährliche Bewegung der Sonne.
Tschu-kong, Bruder des Uwang, des Stifters der Dynaſtie Tschu, beherrſchte China, während der Minderjährigkeit ſeines Neffen, von dem Jahre 1104 bis 1098 vor unſerer Zeitrechnung. Das Andenken dieſes vortrefflichen Fürſten iſt jetzt noch, nach bei- nahe drei Jahrtauſenden, der Gegenſtand der Verehrung bei den Chineſen. In dem heiligſten ihrer Bücher, dem Schu-king, deſſen Verfaſſer der berühmte Confucius iſt, wird dieſer Fürſt eingeführt, wie er ſeinen Zöglingen die weiſeſten Grundſätze der Moral und der Regierungskunſt mittheilt. Von den vielen Beobachtungen, die er ſelbſt gemacht hatte und von ſeinen Aſtronomen machen ließ, ſind nur drei auf uns gekommen, die älteſten von allen, die ſich aus der Vorzeit erhalten haben. Die zwei erſten ſind die oben erwähnten Beobachtungen der Höhe der Solſtitien in Loyang, und die dritte iſt eine Beſtimmung der Länge der Sonne zur Zeit des Winterſolſtitiums von derſelben Epoche. Indem er die Sonne mit dem Stern ε im Sternbilde des Waſſermanns verglich, fand er die Rectaſcenſion dieſes Sterns gleich 268° 2′, was mit der neuern Theorie der Aſtronomie eben ſowohl übereinſtimmt, als die aus den beiden vorhergehenden Beobachtungen abgeleitete Schiefe der Ecliptik.
Nach ihm verfiel die Aſtronomie in dieſem Lande, beſonders als der barbariſche K. Chi-Hoanti i. J. 213 vor Chr. Geb. alle Bücher des Reiches verbrennen ließ. Erſt im fünften Jahrhundert nach unſerer Zeitrechnung erhob ſich die Wiſſenſchaft wieder unter dem Aſtronomen Tsu-tschong, der um d. J. 460 zu Nankin beobach- tete und die Länge des Jahres gleich 365,24282 Tage fand, nur 0,00057 Tage oder 49,2 Secunden größer als nach den neueſten Beſtimmungen. — Während ſpäter im dreizehnten Jahrhunderte Holaku-Hekukan die Aſtronomie in Perſien aufblühen machte, gewährte ihr ſein Bruder Kobilai in China denſelben Schutz, in- dem er den oben erwähnten Coschu-king, den berühmteſten Aſtro- nomen China’s, i. J. 1271 zum Vorſteher des mathematiſchen Tribunals dieſes Landes ernannte. Coschu-king ließ viel größere und vorzüglichere Inſtrumente bauen, als man bisher kannte. Das koſtbarſte derſelben war ein Gnomon von 40 chin. Fuß Höhe, der an ſeinem obern Ende eine Kupferplatte mit einer freien Oeffnung trug. Mit ihm iſt die oben angeführte Beobachtung gemacht
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Jährliche Bewegung der Sonne.
Tschu-kong, Bruder des Uwang, des Stifters der Dynaſtie
Tschu, beherrſchte China, während der Minderjährigkeit ſeines
Neffen, von dem Jahre 1104 bis 1098 vor unſerer Zeitrechnung.
Das Andenken dieſes vortrefflichen Fürſten iſt jetzt noch, nach bei-
nahe drei Jahrtauſenden, der Gegenſtand der Verehrung bei den
Chineſen. In dem heiligſten ihrer Bücher, dem Schu-king, deſſen
Verfaſſer der berühmte Confucius iſt, wird dieſer Fürſt eingeführt,
wie er ſeinen Zöglingen die weiſeſten Grundſätze der Moral und
der Regierungskunſt mittheilt. Von den vielen Beobachtungen,
die er ſelbſt gemacht hatte und von ſeinen Aſtronomen machen
ließ, ſind nur drei auf uns gekommen, die älteſten von allen, die
ſich aus der Vorzeit erhalten haben. Die zwei erſten ſind die
oben erwähnten Beobachtungen der Höhe der Solſtitien in Loyang,
und die dritte iſt eine Beſtimmung der Länge der Sonne zur Zeit
des Winterſolſtitiums von derſelben Epoche. Indem er die Sonne
mit dem Stern ε im Sternbilde des Waſſermanns verglich, fand
er die Rectaſcenſion dieſes Sterns gleich 268° 2′, was mit der
neuern Theorie der Aſtronomie eben ſowohl übereinſtimmt, als
die aus den beiden vorhergehenden Beobachtungen abgeleitete
Schiefe der Ecliptik.
Nach ihm verfiel die Aſtronomie in dieſem Lande, beſonders als
der barbariſche K. Chi-Hoanti i. J. 213 vor Chr. Geb. alle Bücher
des Reiches verbrennen ließ. Erſt im fünften Jahrhundert nach
unſerer Zeitrechnung erhob ſich die Wiſſenſchaft wieder unter dem
Aſtronomen Tsu-tschong, der um d. J. 460 zu Nankin beobach-
tete und die Länge des Jahres gleich 365,24282 Tage fand, nur
0,00057 Tage oder 49,2 Secunden größer als nach den neueſten
Beſtimmungen. — Während ſpäter im dreizehnten Jahrhunderte
Holaku-Hekukan die Aſtronomie in Perſien aufblühen machte,
gewährte ihr ſein Bruder Kobilai in China denſelben Schutz, in-
dem er den oben erwähnten Coschu-king, den berühmteſten Aſtro-
nomen China’s, i. J. 1271 zum Vorſteher des mathematiſchen
Tribunals dieſes Landes ernannte. Coschu-king ließ viel größere
und vorzüglichere Inſtrumente bauen, als man bisher kannte. Das
koſtbarſte derſelben war ein Gnomon von 40 chin. Fuß Höhe, der an
ſeinem obern Ende eine Kupferplatte mit einer freien Oeffnung
trug. Mit ihm iſt die oben angeführte Beobachtung gemacht
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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/127>, abgerufen am 15.05.2024.
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