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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835.

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Uranus.
Beziehung auf Temperatur, Beleuchtung, auf Vegetation u. f.
darauf ankommen wird, ob man nahe bei dem Aequator oder nahe
bei dem Pole wohnt, so viel wird darauf ankommen, ob der Süd-
oder Nordländer auf jenem Planeten eben Frühling oder Sommer
u. s. w. hat, da dort die Jahreszeiten, wegen der großen Schiefe
der Ecliptik, viel mehr von einander verschieden und viel schroffer
von einander abgesondert seyn müssen, als bei uns.

§. 121. (Bewohner des Uranus und der Planeten überhaupt.)
Welcher Art die Bewohner eines Planeten seyn mögen, die ihre
Sonne 360 mal kleiner sehen, als wir, die selbst im Mittage noch,
mit unsern Augen betrachtet, im Finstern tappen, sich die grellsten
Abwechslungen der Jahreszeiten und vor allen eine Kälte gefallen
lassen müssen, die, auf unserer Erde, allem Leben ein plötzliches
Ende bereiten würde, dieß mögen unsere Leser selbst untersuchen,
wo sie dann auch vielleicht die Mittel finden werden, mit welchen
sich die Leute im Uranus die Langeweile ihrer zwei und vierzig
unserer Jahre dauernden Nächte vertreiben.

Es ist ohne Zweifel Unrecht, die Zufriedenheit und das Wohl-
seyn der Bewohner anderer Welten nach unseren Bedürfnissen ab-
zumessen und sie sofort schon für unglücklich zu achten, weil wir
uns, an ihre Stelle versetzt, nicht glücklich finden würden. Indeß
sind wir gezwungen, wenn wir von ihnen reden wollen, sie mit
unserem eigenen Maaßstabe zu messen, und ohne über ihr Schicksal
absprechen zu wollen, nur dasjenige zu betrachten, was uns in den
Verhältnissen treffen würde, denen sie ausgesetzt sind, und die sie,
mit einer andern Organisation und mit ganz anderen Einrichtun-
gen versehen, auch wohl mit ganz anderen Augen ansehen werden.
Es hat aber auch nicht an Anderen gefehlt, und unter ihnen haben
sich selbst berühmte Astronomen gefunden, die sich diesen Specula-
tionen mit einer Art von Vorliebe hingegeben haben und sich
nicht damit begnügten, zu sehen, welchen Einfluß eine andere Ein-
richtung der Jahreszeiten, der Temperatur und Beleuchtung bei
fremden Weltkörpern auf die Bewohner derselben, wenn sie im
Allgemeinen uns ähnlich wären, hervor bringen würde, sondern
die die Spiele ihrer Einbildungskraft oder ihre schwärmerischen
Träume auch noch auf die übrigen körperlichen und geistigen Ei-

Uranus.
Beziehung auf Temperatur, Beleuchtung, auf Vegetation u. f.
darauf ankommen wird, ob man nahe bei dem Aequator oder nahe
bei dem Pole wohnt, ſo viel wird darauf ankommen, ob der Süd-
oder Nordländer auf jenem Planeten eben Frühling oder Sommer
u. ſ. w. hat, da dort die Jahreszeiten, wegen der großen Schiefe
der Ecliptik, viel mehr von einander verſchieden und viel ſchroffer
von einander abgeſondert ſeyn müſſen, als bei uns.

§. 121. (Bewohner des Uranus und der Planeten überhaupt.)
Welcher Art die Bewohner eines Planeten ſeyn mögen, die ihre
Sonne 360 mal kleiner ſehen, als wir, die ſelbſt im Mittage noch,
mit unſern Augen betrachtet, im Finſtern tappen, ſich die grellſten
Abwechslungen der Jahreszeiten und vor allen eine Kälte gefallen
laſſen müſſen, die, auf unſerer Erde, allem Leben ein plötzliches
Ende bereiten würde, dieß mögen unſere Leſer ſelbſt unterſuchen,
wo ſie dann auch vielleicht die Mittel finden werden, mit welchen
ſich die Leute im Uranus die Langeweile ihrer zwei und vierzig
unſerer Jahre dauernden Nächte vertreiben.

Es iſt ohne Zweifel Unrecht, die Zufriedenheit und das Wohl-
ſeyn der Bewohner anderer Welten nach unſeren Bedürfniſſen ab-
zumeſſen und ſie ſofort ſchon für unglücklich zu achten, weil wir
uns, an ihre Stelle verſetzt, nicht glücklich finden würden. Indeß
ſind wir gezwungen, wenn wir von ihnen reden wollen, ſie mit
unſerem eigenen Maaßſtabe zu meſſen, und ohne über ihr Schickſal
abſprechen zu wollen, nur dasjenige zu betrachten, was uns in den
Verhältniſſen treffen würde, denen ſie ausgeſetzt ſind, und die ſie,
mit einer andern Organiſation und mit ganz anderen Einrichtun-
gen verſehen, auch wohl mit ganz anderen Augen anſehen werden.
Es hat aber auch nicht an Anderen gefehlt, und unter ihnen haben
ſich ſelbſt berühmte Aſtronomen gefunden, die ſich dieſen Specula-
tionen mit einer Art von Vorliebe hingegeben haben und ſich
nicht damit begnügten, zu ſehen, welchen Einfluß eine andere Ein-
richtung der Jahreszeiten, der Temperatur und Beleuchtung bei
fremden Weltkörpern auf die Bewohner derſelben, wenn ſie im
Allgemeinen uns ähnlich wären, hervor bringen würde, ſondern
die die Spiele ihrer Einbildungskraft oder ihre ſchwärmeriſchen
Träume auch noch auf die übrigen körperlichen und geiſtigen Ei-

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[160/0170] Uranus. Beziehung auf Temperatur, Beleuchtung, auf Vegetation u. f. darauf ankommen wird, ob man nahe bei dem Aequator oder nahe bei dem Pole wohnt, ſo viel wird darauf ankommen, ob der Süd- oder Nordländer auf jenem Planeten eben Frühling oder Sommer u. ſ. w. hat, da dort die Jahreszeiten, wegen der großen Schiefe der Ecliptik, viel mehr von einander verſchieden und viel ſchroffer von einander abgeſondert ſeyn müſſen, als bei uns. §. 121. (Bewohner des Uranus und der Planeten überhaupt.) Welcher Art die Bewohner eines Planeten ſeyn mögen, die ihre Sonne 360 mal kleiner ſehen, als wir, die ſelbſt im Mittage noch, mit unſern Augen betrachtet, im Finſtern tappen, ſich die grellſten Abwechslungen der Jahreszeiten und vor allen eine Kälte gefallen laſſen müſſen, die, auf unſerer Erde, allem Leben ein plötzliches Ende bereiten würde, dieß mögen unſere Leſer ſelbſt unterſuchen, wo ſie dann auch vielleicht die Mittel finden werden, mit welchen ſich die Leute im Uranus die Langeweile ihrer zwei und vierzig unſerer Jahre dauernden Nächte vertreiben. Es iſt ohne Zweifel Unrecht, die Zufriedenheit und das Wohl- ſeyn der Bewohner anderer Welten nach unſeren Bedürfniſſen ab- zumeſſen und ſie ſofort ſchon für unglücklich zu achten, weil wir uns, an ihre Stelle verſetzt, nicht glücklich finden würden. Indeß ſind wir gezwungen, wenn wir von ihnen reden wollen, ſie mit unſerem eigenen Maaßſtabe zu meſſen, und ohne über ihr Schickſal abſprechen zu wollen, nur dasjenige zu betrachten, was uns in den Verhältniſſen treffen würde, denen ſie ausgeſetzt ſind, und die ſie, mit einer andern Organiſation und mit ganz anderen Einrichtun- gen verſehen, auch wohl mit ganz anderen Augen anſehen werden. Es hat aber auch nicht an Anderen gefehlt, und unter ihnen haben ſich ſelbſt berühmte Aſtronomen gefunden, die ſich dieſen Specula- tionen mit einer Art von Vorliebe hingegeben haben und ſich nicht damit begnügten, zu ſehen, welchen Einfluß eine andere Ein- richtung der Jahreszeiten, der Temperatur und Beleuchtung bei fremden Weltkörpern auf die Bewohner derſelben, wenn ſie im Allgemeinen uns ähnlich wären, hervor bringen würde, ſondern die die Spiele ihrer Einbildungskraft oder ihre ſchwärmeriſchen Träume auch noch auf die übrigen körperlichen und geiſtigen Ei-

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/170>, abgerufen am 29.04.2024.