Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Uranus.
ingenii sagacitate, nocere deberent sibi invicem ac de pos-
sessionibus et imperio inter se contendere, quod eheu nunc
quoque faciunt nimis frequenter, licet unius generis sint,
qui in Terra hac dominantur.
Demungeachtet nimmt er keinen
Anstand, Gelehrte aller Art dort in Menge wachsen zu lassen, be-
sonders aber Astronomen, an denen es dort durchaus nicht fehlen
darf. Dadurch will er aber andere Gattungen, die er wenigstens
für eben so nothwendig hält, nicht ausgeschlossen haben. So be-
hauptet er, daß die Menschen nur deßhalb nackt zur Welt kommen,
damit sie, von der Noth getrieben, Gelegenheit bekommen, ihre
geistigen Kräfte immer mehr zu entwickeln und selbst für ihre
Kleidung zu sorgen, was die übrigen Thiere nicht nöthig haben,
woraus er dann den Schluß zieht, daß es auch in jenen Welten
eben so wenig an großen Gelehrten, als an geschickten Schneidern
fehlen kann, und daß überhaupt alle, so wie wir, gesellschaftlich
zusammen leben, sich des gegenseitigen Gesprächs erfreuen, zuweilen
auch, der Abwechslung wegen, einander plagen und die Ruhe ih-
res Lebens vergiften, oder sich in ihren Schlachten zu Tausenden
morden mögen und was dergleichen löbliche Unterhaltungen mehr
sind. Ob diese vernünftigen Wesen aber auch das Fleisch der
übrigen unvernünftigen Thiere essen, oder ob sie, den Lehren ihrer
Pythagoras gehorchend, bloß von Pflanzen leben, wagt er nicht zu
entscheiden, doch geht seine Meinung dahin, daß es vielleicht nur
die ausschließende Bestimmung der Menschen ist, ut multorum
aliorum pernicie et caede vivere debeant.
Auch wegen der
Statur dieser vernünftigen Geschöpfe ist er in einiger Verlegenheit.
Er weiß wohl, daß seine Vorgänger auf diesem Felde die Be-
wohner der Planeten im Verhältnisse dieser ihrer Wohnorte an-
genommen und z. B. behauptet haben, daß die Menschen auf
Jupiter und Saturn zehn- bis fünfzehnmal größer, als unsere Ele-
phanten oder gar als unsere Wallfische seyn müßten. Aber dieser
Schluß scheint ihm doch viel zu gewagt, da die Natur nicht ein-
mal die Größe dieser Planeten selbst nach ihrer Entfernung von
der Sonne abgemessen hat. So ist der entferntere Mars kleiner,
als die nähere Venus, und eben so ist Saturn kleiner als Jupiter
und jener hat sieben Monde und einen doppelten Ring, während

11 *

Uranus.
ingenii sagacitate, nocere deberent sibi invicem ac de pos-
sessionibus et imperio inter se contendere, quod eheu nunc
quoque faciunt nimis frequenter, licet unius generis sint,
qui in Terra hac dominantur.
Demungeachtet nimmt er keinen
Anſtand, Gelehrte aller Art dort in Menge wachſen zu laſſen, be-
ſonders aber Aſtronomen, an denen es dort durchaus nicht fehlen
darf. Dadurch will er aber andere Gattungen, die er wenigſtens
für eben ſo nothwendig hält, nicht ausgeſchloſſen haben. So be-
hauptet er, daß die Menſchen nur deßhalb nackt zur Welt kommen,
damit ſie, von der Noth getrieben, Gelegenheit bekommen, ihre
geiſtigen Kräfte immer mehr zu entwickeln und ſelbſt für ihre
Kleidung zu ſorgen, was die übrigen Thiere nicht nöthig haben,
woraus er dann den Schluß zieht, daß es auch in jenen Welten
eben ſo wenig an großen Gelehrten, als an geſchickten Schneidern
fehlen kann, und daß überhaupt alle, ſo wie wir, geſellſchaftlich
zuſammen leben, ſich des gegenſeitigen Geſprächs erfreuen, zuweilen
auch, der Abwechslung wegen, einander plagen und die Ruhe ih-
res Lebens vergiften, oder ſich in ihren Schlachten zu Tauſenden
morden mögen und was dergleichen löbliche Unterhaltungen mehr
ſind. Ob dieſe vernünftigen Weſen aber auch das Fleiſch der
übrigen unvernünftigen Thiere eſſen, oder ob ſie, den Lehren ihrer
Pythagoras gehorchend, bloß von Pflanzen leben, wagt er nicht zu
entſcheiden, doch geht ſeine Meinung dahin, daß es vielleicht nur
die ausſchließende Beſtimmung der Menſchen iſt, ut multorum
aliorum pernicie et caede vivere debeant.
Auch wegen der
Statur dieſer vernünftigen Geſchöpfe iſt er in einiger Verlegenheit.
Er weiß wohl, daß ſeine Vorgänger auf dieſem Felde die Be-
wohner der Planeten im Verhältniſſe dieſer ihrer Wohnorte an-
genommen und z. B. behauptet haben, daß die Menſchen auf
Jupiter und Saturn zehn- bis fünfzehnmal größer, als unſere Ele-
phanten oder gar als unſere Wallfiſche ſeyn müßten. Aber dieſer
Schluß ſcheint ihm doch viel zu gewagt, da die Natur nicht ein-
mal die Größe dieſer Planeten ſelbſt nach ihrer Entfernung von
der Sonne abgemeſſen hat. So iſt der entferntere Mars kleiner,
als die nähere Venus, und eben ſo iſt Saturn kleiner als Jupiter
und jener hat ſieben Monde und einen doppelten Ring, während

11 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0173" n="163"/><fw place="top" type="header">Uranus.</fw><lb/><hi rendition="#aq">ingenii sagacitate, nocere deberent sibi invicem ac de pos-<lb/>
sessionibus et imperio inter se contendere, quod eheu nunc<lb/>
quoque faciunt nimis frequenter, licet unius generis sint,<lb/>
qui in Terra hac dominantur.</hi> Demungeachtet nimmt er keinen<lb/>
An&#x017F;tand, Gelehrte aller Art dort in Menge wach&#x017F;en zu la&#x017F;&#x017F;en, be-<lb/>
&#x017F;onders aber A&#x017F;tronomen, an denen es dort durchaus nicht fehlen<lb/>
darf. Dadurch will er aber andere Gattungen, die er wenig&#x017F;tens<lb/>
für eben &#x017F;o nothwendig hält, nicht ausge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en haben. So be-<lb/>
hauptet er, daß die Men&#x017F;chen nur deßhalb nackt zur Welt kommen,<lb/>
damit &#x017F;ie, von der Noth getrieben, Gelegenheit bekommen, ihre<lb/>
gei&#x017F;tigen Kräfte immer mehr zu entwickeln und &#x017F;elb&#x017F;t für ihre<lb/>
Kleidung zu &#x017F;orgen, was die übrigen Thiere nicht nöthig haben,<lb/>
woraus er dann den Schluß zieht, daß es auch in jenen Welten<lb/>
eben &#x017F;o wenig an großen Gelehrten, als an ge&#x017F;chickten Schneidern<lb/>
fehlen kann, und daß überhaupt alle, &#x017F;o wie wir, ge&#x017F;ell&#x017F;chaftlich<lb/>
zu&#x017F;ammen leben, &#x017F;ich des gegen&#x017F;eitigen Ge&#x017F;prächs erfreuen, zuweilen<lb/>
auch, der Abwechslung wegen, einander plagen und die Ruhe ih-<lb/>
res Lebens vergiften, oder &#x017F;ich in ihren Schlachten zu Tau&#x017F;enden<lb/>
morden mögen und was dergleichen löbliche Unterhaltungen mehr<lb/>
&#x017F;ind. Ob die&#x017F;e vernünftigen We&#x017F;en aber auch das Flei&#x017F;ch der<lb/>
übrigen unvernünftigen Thiere e&#x017F;&#x017F;en, oder ob &#x017F;ie, den Lehren ihrer<lb/>
Pythagoras gehorchend, bloß von Pflanzen leben, wagt er nicht zu<lb/>
ent&#x017F;cheiden, doch geht &#x017F;eine Meinung dahin, daß es vielleicht nur<lb/>
die aus&#x017F;chließende Be&#x017F;timmung der Men&#x017F;chen i&#x017F;t, <hi rendition="#aq">ut multorum<lb/>
aliorum pernicie et caede vivere debeant.</hi> Auch wegen der<lb/>
Statur die&#x017F;er vernünftigen Ge&#x017F;chöpfe i&#x017F;t er in einiger Verlegenheit.<lb/>
Er weiß wohl, daß &#x017F;eine Vorgänger auf die&#x017F;em Felde die Be-<lb/>
wohner der Planeten im Verhältni&#x017F;&#x017F;e die&#x017F;er ihrer Wohnorte an-<lb/>
genommen und z. B. behauptet haben, daß die Men&#x017F;chen auf<lb/>
Jupiter und Saturn zehn- bis fünfzehnmal größer, als un&#x017F;ere Ele-<lb/>
phanten oder gar als un&#x017F;ere Wallfi&#x017F;che &#x017F;eyn müßten. Aber die&#x017F;er<lb/>
Schluß &#x017F;cheint ihm doch viel zu gewagt, da die Natur nicht ein-<lb/>
mal die Größe die&#x017F;er Planeten &#x017F;elb&#x017F;t nach ihrer Entfernung von<lb/>
der Sonne abgeme&#x017F;&#x017F;en hat. So i&#x017F;t der entferntere Mars kleiner,<lb/>
als die nähere Venus, und eben &#x017F;o i&#x017F;t Saturn kleiner als Jupiter<lb/>
und jener hat &#x017F;ieben Monde und einen doppelten Ring, während<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">11 *</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[163/0173] Uranus. ingenii sagacitate, nocere deberent sibi invicem ac de pos- sessionibus et imperio inter se contendere, quod eheu nunc quoque faciunt nimis frequenter, licet unius generis sint, qui in Terra hac dominantur. Demungeachtet nimmt er keinen Anſtand, Gelehrte aller Art dort in Menge wachſen zu laſſen, be- ſonders aber Aſtronomen, an denen es dort durchaus nicht fehlen darf. Dadurch will er aber andere Gattungen, die er wenigſtens für eben ſo nothwendig hält, nicht ausgeſchloſſen haben. So be- hauptet er, daß die Menſchen nur deßhalb nackt zur Welt kommen, damit ſie, von der Noth getrieben, Gelegenheit bekommen, ihre geiſtigen Kräfte immer mehr zu entwickeln und ſelbſt für ihre Kleidung zu ſorgen, was die übrigen Thiere nicht nöthig haben, woraus er dann den Schluß zieht, daß es auch in jenen Welten eben ſo wenig an großen Gelehrten, als an geſchickten Schneidern fehlen kann, und daß überhaupt alle, ſo wie wir, geſellſchaftlich zuſammen leben, ſich des gegenſeitigen Geſprächs erfreuen, zuweilen auch, der Abwechslung wegen, einander plagen und die Ruhe ih- res Lebens vergiften, oder ſich in ihren Schlachten zu Tauſenden morden mögen und was dergleichen löbliche Unterhaltungen mehr ſind. Ob dieſe vernünftigen Weſen aber auch das Fleiſch der übrigen unvernünftigen Thiere eſſen, oder ob ſie, den Lehren ihrer Pythagoras gehorchend, bloß von Pflanzen leben, wagt er nicht zu entſcheiden, doch geht ſeine Meinung dahin, daß es vielleicht nur die ausſchließende Beſtimmung der Menſchen iſt, ut multorum aliorum pernicie et caede vivere debeant. Auch wegen der Statur dieſer vernünftigen Geſchöpfe iſt er in einiger Verlegenheit. Er weiß wohl, daß ſeine Vorgänger auf dieſem Felde die Be- wohner der Planeten im Verhältniſſe dieſer ihrer Wohnorte an- genommen und z. B. behauptet haben, daß die Menſchen auf Jupiter und Saturn zehn- bis fünfzehnmal größer, als unſere Ele- phanten oder gar als unſere Wallfiſche ſeyn müßten. Aber dieſer Schluß ſcheint ihm doch viel zu gewagt, da die Natur nicht ein- mal die Größe dieſer Planeten ſelbſt nach ihrer Entfernung von der Sonne abgemeſſen hat. So iſt der entferntere Mars kleiner, als die nähere Venus, und eben ſo iſt Saturn kleiner als Jupiter und jener hat ſieben Monde und einen doppelten Ring, während 11 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/173
Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/173>, abgerufen am 29.04.2024.