Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Mond.
einmal, mit Recht oder Unrecht, als sein Eigenthum erklärt hat.
Er hat diese Unart wahrscheinlich von der Erde, deren Trabant
er schon so lange ist, gelernt, wie sich denn immer die Diener gern
nach ihren Herren, wenigstens in ihren Fehlern, zu richten pflegen.
Ja es scheint sogar, als ob dieselbe Sitte sich auch auf gewisse
zweibeinige Thiere ohne Federn fortgepflanzt habe, die es im
Kleinen eben so zu machen pflegen, wie die Erde und der Mond
im Großen. Diese Habsucht also, oder diese Herrschluft, oder,
wie man auch zuweilen zu sagen pflegt, diese Attractionskraft des
Mondes wird die Ursache seyn, daß unser Luftschiff, wenn es dem-
selben einmal nahe genug gekommen ist, nun recht eigentlich
zu ihm herab fallen, ja mit einer solchen Heftigkeit herab
stürzen wird, daß das ganze Fahrzeug, und wir mit ihm nur
ganz zertrümmert und in dem elendesten Zustande daselbst an-
kommen können, wodurch daher, selbst wenn alles Vorhergehende
auf das Glücklichste abgelaufen wäre, der ganze Zweck der Expe-
dition doch wieder verloren gehen müßte.

Womit sollen wir ferner unsere Aerostaten füllen? -- Mit
irgend einer Luftart ohne Zweifel, die dünner und leichter ist, als
die, in der wir segeln wollen. Allein unsere atmosphärische Luft
ist, in der Höhe von etwa zwei Meilen über der Oberfläche der
Erde, schon so dünn, daß der sogenannte leere Raum unter unsern
Luftpumpen dagegen als sehr dicht angesehen werden kann und
weiter ab hat alle Luft, also auch alles Schiffen in der Luft ganz
und gar ein Ende. Wir werden daher, nur um uns von der
Erde zu erheben, auf eine Kraft denken müssen, die uns von der
Erde so stark abstoßt, daß wir, wie eine aus der Mündung der
Kanone tretende Kugel, durch diesen Stoß bis zu dem Mond
geschleudert werden. Diese Kraft müßte, wie man durch Rechnung
zeigen kann, so groß seyn, daß sie unser Schiff, in der ersten
Secunde seiner Abfahrt von der Erde, durch 41000 P. Fuß trei-
ben könnte. Eine so entsetzliche Geschwindigkeit ist wenigstens
siebenzigmal größer als die einer Kanonenkugel im Anfange ihres
Laufes. Wer von uns wird aber auf einer solchen Kugel, und
daher noch viel mehr auf einem so viel schnellern Schiffe fahren

Der Mond.
einmal, mit Recht oder Unrecht, als ſein Eigenthum erklärt hat.
Er hat dieſe Unart wahrſcheinlich von der Erde, deren Trabant
er ſchon ſo lange iſt, gelernt, wie ſich denn immer die Diener gern
nach ihren Herren, wenigſtens in ihren Fehlern, zu richten pflegen.
Ja es ſcheint ſogar, als ob dieſelbe Sitte ſich auch auf gewiſſe
zweibeinige Thiere ohne Federn fortgepflanzt habe, die es im
Kleinen eben ſo zu machen pflegen, wie die Erde und der Mond
im Großen. Dieſe Habſucht alſo, oder dieſe Herrſchluft, oder,
wie man auch zuweilen zu ſagen pflegt, dieſe Attractionskraft des
Mondes wird die Urſache ſeyn, daß unſer Luftſchiff, wenn es dem-
ſelben einmal nahe genug gekommen iſt, nun recht eigentlich
zu ihm herab fallen, ja mit einer ſolchen Heftigkeit herab
ſtürzen wird, daß das ganze Fahrzeug, und wir mit ihm nur
ganz zertrümmert und in dem elendeſten Zuſtande daſelbſt an-
kommen können, wodurch daher, ſelbſt wenn alles Vorhergehende
auf das Glücklichſte abgelaufen wäre, der ganze Zweck der Expe-
dition doch wieder verloren gehen müßte.

Womit ſollen wir ferner unſere Aeroſtaten füllen? — Mit
irgend einer Luftart ohne Zweifel, die dünner und leichter iſt, als
die, in der wir ſegeln wollen. Allein unſere atmoſphäriſche Luft
iſt, in der Höhe von etwa zwei Meilen über der Oberfläche der
Erde, ſchon ſo dünn, daß der ſogenannte leere Raum unter unſern
Luftpumpen dagegen als ſehr dicht angeſehen werden kann und
weiter ab hat alle Luft, alſo auch alles Schiffen in der Luft ganz
und gar ein Ende. Wir werden daher, nur um uns von der
Erde zu erheben, auf eine Kraft denken müſſen, die uns von der
Erde ſo ſtark abſtoßt, daß wir, wie eine aus der Mündung der
Kanone tretende Kugel, durch dieſen Stoß bis zu dem Mond
geſchleudert werden. Dieſe Kraft müßte, wie man durch Rechnung
zeigen kann, ſo groß ſeyn, daß ſie unſer Schiff, in der erſten
Secunde ſeiner Abfahrt von der Erde, durch 41000 P. Fuß trei-
ben könnte. Eine ſo entſetzliche Geſchwindigkeit iſt wenigſtens
ſiebenzigmal größer als die einer Kanonenkugel im Anfange ihres
Laufes. Wer von uns wird aber auf einer ſolchen Kugel, und
daher noch viel mehr auf einem ſo viel ſchnellern Schiffe fahren

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0188" n="178"/><fw place="top" type="header">Der Mond.</fw><lb/>
einmal, mit Recht oder Unrecht, als &#x017F;ein Eigenthum erklärt hat.<lb/>
Er hat die&#x017F;e Unart wahr&#x017F;cheinlich von der Erde, deren Trabant<lb/>
er &#x017F;chon &#x017F;o lange i&#x017F;t, gelernt, wie &#x017F;ich denn immer die Diener gern<lb/>
nach ihren Herren, wenig&#x017F;tens in ihren Fehlern, zu richten pflegen.<lb/>
Ja es &#x017F;cheint &#x017F;ogar, als ob die&#x017F;elbe Sitte &#x017F;ich auch auf gewi&#x017F;&#x017F;e<lb/>
zweibeinige Thiere ohne Federn fortgepflanzt habe, die es im<lb/>
Kleinen eben &#x017F;o zu machen pflegen, wie die Erde und der Mond<lb/>
im Großen. Die&#x017F;e Hab&#x017F;ucht al&#x017F;o, oder die&#x017F;e Herr&#x017F;chluft, oder,<lb/>
wie man auch zuweilen zu &#x017F;agen pflegt, die&#x017F;e Attractionskraft des<lb/>
Mondes wird die Ur&#x017F;ache &#x017F;eyn, daß un&#x017F;er Luft&#x017F;chiff, wenn es dem-<lb/>
&#x017F;elben einmal nahe genug gekommen i&#x017F;t, nun recht eigentlich<lb/>
zu ihm herab <hi rendition="#g">fallen</hi>, ja mit einer &#x017F;olchen Heftigkeit herab<lb/><hi rendition="#g">&#x017F;türzen</hi> wird, daß das ganze Fahrzeug, und wir mit ihm nur<lb/>
ganz zertrümmert und in dem elende&#x017F;ten Zu&#x017F;tande da&#x017F;elb&#x017F;t an-<lb/>
kommen können, wodurch daher, &#x017F;elb&#x017F;t wenn alles Vorhergehende<lb/>
auf das Glücklich&#x017F;te abgelaufen wäre, der ganze Zweck der Expe-<lb/>
dition doch wieder verloren gehen müßte.</p><lb/>
            <p>Womit &#x017F;ollen wir ferner un&#x017F;ere Aero&#x017F;taten füllen? &#x2014; Mit<lb/>
irgend einer Luftart ohne Zweifel, die dünner und leichter i&#x017F;t, als<lb/>
die, in der wir &#x017F;egeln wollen. Allein un&#x017F;ere atmo&#x017F;phäri&#x017F;che Luft<lb/>
i&#x017F;t, in der Höhe von etwa zwei Meilen über der Oberfläche der<lb/>
Erde, &#x017F;chon &#x017F;o dünn, daß der &#x017F;ogenannte leere Raum unter un&#x017F;ern<lb/>
Luftpumpen dagegen als &#x017F;ehr dicht ange&#x017F;ehen werden kann und<lb/>
weiter ab hat alle Luft, al&#x017F;o auch alles Schiffen in der Luft ganz<lb/>
und gar ein Ende. Wir werden daher, nur um uns von der<lb/>
Erde zu erheben, auf eine Kraft denken mü&#x017F;&#x017F;en, die uns von der<lb/>
Erde &#x017F;o &#x017F;tark ab&#x017F;toßt, daß wir, wie eine aus der Mündung der<lb/>
Kanone tretende Kugel, durch die&#x017F;en Stoß bis zu dem Mond<lb/>
ge&#x017F;chleudert werden. Die&#x017F;e Kraft müßte, wie man durch Rechnung<lb/>
zeigen kann, &#x017F;o groß &#x017F;eyn, daß &#x017F;ie un&#x017F;er Schiff, in der er&#x017F;ten<lb/>
Secunde &#x017F;einer Abfahrt von der Erde, durch 41000 P. Fuß trei-<lb/>
ben könnte. Eine &#x017F;o ent&#x017F;etzliche Ge&#x017F;chwindigkeit i&#x017F;t wenig&#x017F;tens<lb/>
&#x017F;iebenzigmal größer als die einer Kanonenkugel im Anfange ihres<lb/>
Laufes. Wer von uns wird aber auf einer &#x017F;olchen Kugel, und<lb/>
daher noch viel mehr auf einem &#x017F;o viel &#x017F;chnellern Schiffe fahren<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[178/0188] Der Mond. einmal, mit Recht oder Unrecht, als ſein Eigenthum erklärt hat. Er hat dieſe Unart wahrſcheinlich von der Erde, deren Trabant er ſchon ſo lange iſt, gelernt, wie ſich denn immer die Diener gern nach ihren Herren, wenigſtens in ihren Fehlern, zu richten pflegen. Ja es ſcheint ſogar, als ob dieſelbe Sitte ſich auch auf gewiſſe zweibeinige Thiere ohne Federn fortgepflanzt habe, die es im Kleinen eben ſo zu machen pflegen, wie die Erde und der Mond im Großen. Dieſe Habſucht alſo, oder dieſe Herrſchluft, oder, wie man auch zuweilen zu ſagen pflegt, dieſe Attractionskraft des Mondes wird die Urſache ſeyn, daß unſer Luftſchiff, wenn es dem- ſelben einmal nahe genug gekommen iſt, nun recht eigentlich zu ihm herab fallen, ja mit einer ſolchen Heftigkeit herab ſtürzen wird, daß das ganze Fahrzeug, und wir mit ihm nur ganz zertrümmert und in dem elendeſten Zuſtande daſelbſt an- kommen können, wodurch daher, ſelbſt wenn alles Vorhergehende auf das Glücklichſte abgelaufen wäre, der ganze Zweck der Expe- dition doch wieder verloren gehen müßte. Womit ſollen wir ferner unſere Aeroſtaten füllen? — Mit irgend einer Luftart ohne Zweifel, die dünner und leichter iſt, als die, in der wir ſegeln wollen. Allein unſere atmoſphäriſche Luft iſt, in der Höhe von etwa zwei Meilen über der Oberfläche der Erde, ſchon ſo dünn, daß der ſogenannte leere Raum unter unſern Luftpumpen dagegen als ſehr dicht angeſehen werden kann und weiter ab hat alle Luft, alſo auch alles Schiffen in der Luft ganz und gar ein Ende. Wir werden daher, nur um uns von der Erde zu erheben, auf eine Kraft denken müſſen, die uns von der Erde ſo ſtark abſtoßt, daß wir, wie eine aus der Mündung der Kanone tretende Kugel, durch dieſen Stoß bis zu dem Mond geſchleudert werden. Dieſe Kraft müßte, wie man durch Rechnung zeigen kann, ſo groß ſeyn, daß ſie unſer Schiff, in der erſten Secunde ſeiner Abfahrt von der Erde, durch 41000 P. Fuß trei- ben könnte. Eine ſo entſetzliche Geſchwindigkeit iſt wenigſtens ſiebenzigmal größer als die einer Kanonenkugel im Anfange ihres Laufes. Wer von uns wird aber auf einer ſolchen Kugel, und daher noch viel mehr auf einem ſo viel ſchnellern Schiffe fahren

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/188
Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/188>, abgerufen am 29.04.2024.