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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835.

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Venus.
sich vor Täuschung zu sichern, das Fernrohr um seine eigene Axe
drehte, bewegte sich auch der vermeinte Mond mit um den
Planeten im Mittelpunkte des Fernrohrs, ganz eben so, wie sich
ein Flecken auf dem Glase des Instruments gedreht haben würde.
Indeß war Lambert in Berlin von der Wahrheit jener Beobach-
tungen so überzeugt, daß er aus den Angaben jener Astronomen
die Elemente dieses Venusmondes zu bestimmen suchte (M. s.
Bodes astr. Jahrb. 1777). Er fand aus diesen Elementen, daß
der Satellit, seiner großen Breite wegen, bei den Durchgängen
der Venus von 1761 und 1769 auf der Sonnenscheibe nicht sicht-
bar seyn konnte, daß er aber bei der damals nahe bevorstehenden
Conjunction am 1. Junius 1777 sich auf der Sonne projiciren
würde; allein die Astronomen haben ihn auch zu dieser Zeit ver-
gebens gesucht, und man ist jetzt der beinahe allgemeinen Meinung,
daß ein solcher Satellit der Venus nicht existire *). Es scheint

*) K. Friedrich II. wollte diesen Mond der Venus, zu Ehren
seines gelehrten Freundes, d'Alembert genannt wissen. Allein
dieser zog sich vor dieser königlichen Gunstbezeugung mit den
Worten zurück: "Je ne suis ni assez grand pour devenir au
ciel le satellite de Venus, ni assez jeun, pour l'etre sur la
terre, et je me trouve trop bien du peu de place, que je
tiens de ce bas monde, pour en ambitionner une au firmament.

-- Diese Sucht, den Gestirnen die Namen merkwürdiger Per-
sonen zu geben, war in frühern Zeiten sehr groß, und ging
zuweilen in das Lächerliche über. Galilei nannte die
von ihm entdeckten Satelliten Jupiters die Mediceischen
Gestirne, zu Ehren der damals in Florenz regierenden Familie
der Medici. Der Jesuit Schiller hat sogar den ganzen gestirnten
Himmel umgetauft, und die seit Jahrtausenden eingeführten
Namen der Sternbilder in die Heiligennamen seines Kalenders
verwandelt, wie man in s. Stellatum Coelum Christianum v.
J. 1627 sehen kann. Am weitesten hat man diese Sache bei
dem Monde getrieben. Der berühmte Bürgermeister Hevel in
Danzig, der uns i. J. 1647 die ersten guten Mondkarten gab,
legte den vielen Flecken desselben die Namen unserer Gebirge,
Länder und Meere bei. Ein späterer Astronom in Spanien
fand diese Benennungen sehr unpassend und substituirte ihnen
dafür die Heiligennamen seines Kalenders. So wurde statt der
Appeninen der h. Michael mit seinem flammenden Schwerte,
statt des ägäischen Meeres mit seinen vielen Inseln, die h. Ur-
sula mit ihren 10,000 Jungfrauen, statt Spanien der blinde

Venus.
ſich vor Täuſchung zu ſichern, das Fernrohr um ſeine eigene Axe
drehte, bewegte ſich auch der vermeinte Mond mit um den
Planeten im Mittelpunkte des Fernrohrs, ganz eben ſo, wie ſich
ein Flecken auf dem Glaſe des Inſtruments gedreht haben würde.
Indeß war Lambert in Berlin von der Wahrheit jener Beobach-
tungen ſo überzeugt, daß er aus den Angaben jener Aſtronomen
die Elemente dieſes Venusmondes zu beſtimmen ſuchte (M. ſ.
Bodes aſtr. Jahrb. 1777). Er fand aus dieſen Elementen, daß
der Satellit, ſeiner großen Breite wegen, bei den Durchgängen
der Venus von 1761 und 1769 auf der Sonnenſcheibe nicht ſicht-
bar ſeyn konnte, daß er aber bei der damals nahe bevorſtehenden
Conjunction am 1. Junius 1777 ſich auf der Sonne projiciren
würde; allein die Aſtronomen haben ihn auch zu dieſer Zeit ver-
gebens geſucht, und man iſt jetzt der beinahe allgemeinen Meinung,
daß ein ſolcher Satellit der Venus nicht exiſtire *). Es ſcheint

*) K. Friedrich II. wollte dieſen Mond der Venus, zu Ehren
ſeines gelehrten Freundes, d’Alembert genannt wiſſen. Allein
dieſer zog ſich vor dieſer königlichen Gunſtbezeugung mit den
Worten zurück: „Je ne suis ni assez grand pour devenir au
ciel le satellite de Venus, ni assez jeun, pour l’être sur la
terre, et je me trouve trop bien du peu de place, que je
tiens de ce bas monde, pour en ambitionner une au firmament.

— Dieſe Sucht, den Geſtirnen die Namen merkwürdiger Per-
ſonen zu geben, war in frühern Zeiten ſehr groß, und ging
zuweilen in das Lächerliche über. Galilei nannte die
von ihm entdeckten Satelliten Jupiters die Mediceiſchen
Geſtirne, zu Ehren der damals in Florenz regierenden Familie
der Medici. Der Jeſuit Schiller hat ſogar den ganzen geſtirnten
Himmel umgetauft, und die ſeit Jahrtauſenden eingeführten
Namen der Sternbilder in die Heiligennamen ſeines Kalenders
verwandelt, wie man in ſ. Stellatum Coelum Christianum v.
J. 1627 ſehen kann. Am weiteſten hat man dieſe Sache bei
dem Monde getrieben. Der berühmte Bürgermeiſter Hevel in
Danzig, der uns i. J. 1647 die erſten guten Mondkarten gab,
legte den vielen Flecken deſſelben die Namen unſerer Gebirge,
Länder und Meere bei. Ein ſpäterer Aſtronom in Spanien
fand dieſe Benennungen ſehr unpaſſend und ſubſtituirte ihnen
dafür die Heiligennamen ſeines Kalenders. So wurde ſtatt der
Appeninen der h. Michael mit ſeinem flammenden Schwerte,
ſtatt des ägäiſchen Meeres mit ſeinen vielen Inſeln, die h. Ur-
ſula mit ihren 10,000 Jungfrauen, ſtatt Spanien der blinde
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[76/0086] Venus. ſich vor Täuſchung zu ſichern, das Fernrohr um ſeine eigene Axe drehte, bewegte ſich auch der vermeinte Mond mit um den Planeten im Mittelpunkte des Fernrohrs, ganz eben ſo, wie ſich ein Flecken auf dem Glaſe des Inſtruments gedreht haben würde. Indeß war Lambert in Berlin von der Wahrheit jener Beobach- tungen ſo überzeugt, daß er aus den Angaben jener Aſtronomen die Elemente dieſes Venusmondes zu beſtimmen ſuchte (M. ſ. Bodes aſtr. Jahrb. 1777). Er fand aus dieſen Elementen, daß der Satellit, ſeiner großen Breite wegen, bei den Durchgängen der Venus von 1761 und 1769 auf der Sonnenſcheibe nicht ſicht- bar ſeyn konnte, daß er aber bei der damals nahe bevorſtehenden Conjunction am 1. Junius 1777 ſich auf der Sonne projiciren würde; allein die Aſtronomen haben ihn auch zu dieſer Zeit ver- gebens geſucht, und man iſt jetzt der beinahe allgemeinen Meinung, daß ein ſolcher Satellit der Venus nicht exiſtire *). Es ſcheint *) K. Friedrich II. wollte dieſen Mond der Venus, zu Ehren ſeines gelehrten Freundes, d’Alembert genannt wiſſen. Allein dieſer zog ſich vor dieſer königlichen Gunſtbezeugung mit den Worten zurück: „Je ne suis ni assez grand pour devenir au ciel le satellite de Venus, ni assez jeun, pour l’être sur la terre, et je me trouve trop bien du peu de place, que je tiens de ce bas monde, pour en ambitionner une au firmament. — Dieſe Sucht, den Geſtirnen die Namen merkwürdiger Per- ſonen zu geben, war in frühern Zeiten ſehr groß, und ging zuweilen in das Lächerliche über. Galilei nannte die von ihm entdeckten Satelliten Jupiters die Mediceiſchen Geſtirne, zu Ehren der damals in Florenz regierenden Familie der Medici. Der Jeſuit Schiller hat ſogar den ganzen geſtirnten Himmel umgetauft, und die ſeit Jahrtauſenden eingeführten Namen der Sternbilder in die Heiligennamen ſeines Kalenders verwandelt, wie man in ſ. Stellatum Coelum Christianum v. J. 1627 ſehen kann. Am weiteſten hat man dieſe Sache bei dem Monde getrieben. Der berühmte Bürgermeiſter Hevel in Danzig, der uns i. J. 1647 die erſten guten Mondkarten gab, legte den vielen Flecken deſſelben die Namen unſerer Gebirge, Länder und Meere bei. Ein ſpäterer Aſtronom in Spanien fand dieſe Benennungen ſehr unpaſſend und ſubſtituirte ihnen dafür die Heiligennamen ſeines Kalenders. So wurde ſtatt der Appeninen der h. Michael mit ſeinem flammenden Schwerte, ſtatt des ägäiſchen Meeres mit ſeinen vielen Inſeln, die h. Ur- ſula mit ihren 10,000 Jungfrauen, ſtatt Spanien der blinde

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/86>, abgerufen am 29.04.2024.