Beschreibung und Gebrauch der astronom. Instrumente.
0,73, und sind von 12 Richtern 7 zur Majorität genug, so ist diese Wahrscheinlichkeit gleich 0,71 u. s. w. Wenn überhaupt zwei Stim- men mehr schon zu dem Urtheile hinreichen, so wird die W., daß die Sentenz gerecht ist, immer kleiner, je größer die Anzahl der Richter ist. Dasselbe wird auch der Fall seyn, wenn mehr als 2 Stimmen zur Majorität erfordert werden, so daß die W. eines gerechten Urtheils mit der Anzahl der Richter immer ab- nimmt.
Im Gegentheile, wenn man statt eines solchen arithmeti- schen irgend ein geometrisches Verhältniß für die Majorität der Richter festsetzt, so wächst die Sicherheit des Urtheils zugleich mit der Anzahl der Richter. Wird z. B. angenommen, daß die Sentenz nur dann vollzogen werden kann, wenn zwei Drittheile der Richter für die Strafe stimmen, so ist die W. einer gerechten Sentenz bei 6 Richtern nahe 0,75 oder 3/4. Bei 12 Richtern aber, wo also 8 für das Urtheil gefordert werden, ist diese W. gleich 0,867 oder nahe 6/7, also schon bedeutend größer, als zuvor. Werden endlich von 12 Richtern 9 Stimmen zur Ausführung der Sentenz erfordert, so ist die W. einer gerechten Sentenz 0,955, also sehr groß und nahe gleich 1.
§. 73. (Anwendung der Wahrscheinlichkeitsrechnung auf Astro- nomie.) Wir haben bereits oben (§. 57) durch ein Beispiel zu zeigen gesucht, wie die Auflösung der wichtigsten Probleme der Astronomie, und überhaupt aller eigentlichen Naturwissenschaften, ihre letzte Vollendung nur durch diese neue Rechnung erhalten kann. In allen Fällen, wo wir uns der gesuchten Wahrheit so weit nähern wollen, daß die Fehler unserer Sinne und die bei allen menschlichen Unternehmungen unvermeidlichen Unvollkom- menheiten, da sie nicht gänzlich entfernt werden können, wenig- stens den kleinstmöglichen Einfluß auf die Resultate unserer Un- tersuchungen haben sollen, in allen diesen Fällen müssen wir zu der Wahrscheinlichkeitsrechnung, als dem einzigen Mittel zu die- sem Zwecke, unsere Zuflucht nehmen.
Es würde uns viel zu weit führen, wenn wir hier die Art, auf welche die Astronomen jene Rechnung auf ihre Beobachtungen au-
Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.
0,73, und ſind von 12 Richtern 7 zur Majorität genug, ſo iſt dieſe Wahrſcheinlichkeit gleich 0,71 u. ſ. w. Wenn überhaupt zwei Stim- men mehr ſchon zu dem Urtheile hinreichen, ſo wird die W., daß die Sentenz gerecht iſt, immer kleiner, je größer die Anzahl der Richter iſt. Daſſelbe wird auch der Fall ſeyn, wenn mehr als 2 Stimmen zur Majorität erfordert werden, ſo daß die W. eines gerechten Urtheils mit der Anzahl der Richter immer ab- nimmt.
Im Gegentheile, wenn man ſtatt eines ſolchen arithmeti- ſchen irgend ein geometriſches Verhältniß für die Majorität der Richter feſtſetzt, ſo wächst die Sicherheit des Urtheils zugleich mit der Anzahl der Richter. Wird z. B. angenommen, daß die Sentenz nur dann vollzogen werden kann, wenn zwei Drittheile der Richter für die Strafe ſtimmen, ſo iſt die W. einer gerechten Sentenz bei 6 Richtern nahe 0,75 oder ¾. Bei 12 Richtern aber, wo alſo 8 für das Urtheil gefordert werden, iſt dieſe W. gleich 0,867 oder nahe 6/7, alſo ſchon bedeutend größer, als zuvor. Werden endlich von 12 Richtern 9 Stimmen zur Ausführung der Sentenz erfordert, ſo iſt die W. einer gerechten Sentenz 0,955, alſo ſehr groß und nahe gleich 1.
§. 73. (Anwendung der Wahrſcheinlichkeitsrechnung auf Aſtro- nomie.) Wir haben bereits oben (§. 57) durch ein Beiſpiel zu zeigen geſucht, wie die Auflöſung der wichtigſten Probleme der Aſtronomie, und überhaupt aller eigentlichen Naturwiſſenſchaften, ihre letzte Vollendung nur durch dieſe neue Rechnung erhalten kann. In allen Fällen, wo wir uns der geſuchten Wahrheit ſo weit nähern wollen, daß die Fehler unſerer Sinne und die bei allen menſchlichen Unternehmungen unvermeidlichen Unvollkom- menheiten, da ſie nicht gänzlich entfernt werden können, wenig- ſtens den kleinſtmöglichen Einfluß auf die Reſultate unſerer Un- terſuchungen haben ſollen, in allen dieſen Fällen müſſen wir zu der Wahrſcheinlichkeitsrechnung, als dem einzigen Mittel zu die- ſem Zwecke, unſere Zuflucht nehmen.
Es würde uns viel zu weit führen, wenn wir hier die Art, auf welche die Aſtronomen jene Rechnung auf ihre Beobachtungen au-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0438"n="426"/><fwplace="top"type="header">Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.</fw><lb/>
0,<hirendition="#sub">73</hi>, und ſind von 12 Richtern 7 zur Majorität genug, ſo iſt dieſe<lb/>
Wahrſcheinlichkeit gleich 0,<hirendition="#sub">71</hi> u. ſ. w. Wenn überhaupt zwei Stim-<lb/>
men mehr ſchon zu dem Urtheile hinreichen, ſo wird die W., daß<lb/>
die Sentenz gerecht iſt, immer kleiner, je größer die Anzahl der<lb/>
Richter iſt. Daſſelbe wird auch der Fall ſeyn, wenn mehr als<lb/>
2 Stimmen zur Majorität erfordert werden, ſo daß die W.<lb/>
eines gerechten Urtheils mit der Anzahl der Richter immer ab-<lb/>
nimmt.</p><lb/><p>Im Gegentheile, wenn man ſtatt eines ſolchen arithmeti-<lb/>ſchen irgend ein geometriſches Verhältniß für die Majorität der<lb/>
Richter feſtſetzt, ſo wächst die Sicherheit des Urtheils zugleich<lb/>
mit der Anzahl der Richter. Wird z. B. angenommen, daß die<lb/>
Sentenz nur dann vollzogen werden kann, wenn zwei Drittheile<lb/>
der Richter für die Strafe ſtimmen, ſo iſt die W. einer gerechten<lb/>
Sentenz bei 6 Richtern nahe 0,<hirendition="#sub">75</hi> oder ¾. Bei 12 Richtern aber,<lb/>
wo alſo 8 für das Urtheil gefordert werden, iſt dieſe W. gleich<lb/>
0,<hirendition="#sub">867</hi> oder nahe 6/7, alſo ſchon bedeutend größer, als zuvor.<lb/>
Werden endlich von 12 Richtern 9 Stimmen zur Ausführung<lb/>
der Sentenz erfordert, ſo iſt die W. einer gerechten Sentenz<lb/>
0,<hirendition="#sub">955</hi>, alſo ſehr groß und nahe gleich 1.</p><lb/><p>§. 73. (Anwendung der Wahrſcheinlichkeitsrechnung auf Aſtro-<lb/>
nomie.) Wir haben bereits oben (§. 57) durch ein Beiſpiel zu<lb/>
zeigen geſucht, wie die Auflöſung der wichtigſten Probleme der<lb/>
Aſtronomie, und überhaupt aller eigentlichen Naturwiſſenſchaften,<lb/>
ihre letzte Vollendung nur durch dieſe neue Rechnung erhalten<lb/>
kann. In allen Fällen, wo wir uns der geſuchten Wahrheit ſo<lb/>
weit nähern wollen, daß die Fehler unſerer Sinne und die bei<lb/>
allen menſchlichen Unternehmungen unvermeidlichen Unvollkom-<lb/>
menheiten, da ſie nicht gänzlich entfernt werden können, wenig-<lb/>ſtens den kleinſtmöglichen Einfluß auf die Reſultate unſerer Un-<lb/>
terſuchungen haben ſollen, in allen dieſen Fällen müſſen wir zu<lb/>
der Wahrſcheinlichkeitsrechnung, als dem einzigen Mittel zu die-<lb/>ſem Zwecke, unſere Zuflucht nehmen.</p><lb/><p>Es würde uns viel zu weit führen, wenn wir hier die Art, auf<lb/>
welche die Aſtronomen jene Rechnung auf ihre Beobachtungen au-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[426/0438]
Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.
0,73, und ſind von 12 Richtern 7 zur Majorität genug, ſo iſt dieſe
Wahrſcheinlichkeit gleich 0,71 u. ſ. w. Wenn überhaupt zwei Stim-
men mehr ſchon zu dem Urtheile hinreichen, ſo wird die W., daß
die Sentenz gerecht iſt, immer kleiner, je größer die Anzahl der
Richter iſt. Daſſelbe wird auch der Fall ſeyn, wenn mehr als
2 Stimmen zur Majorität erfordert werden, ſo daß die W.
eines gerechten Urtheils mit der Anzahl der Richter immer ab-
nimmt.
Im Gegentheile, wenn man ſtatt eines ſolchen arithmeti-
ſchen irgend ein geometriſches Verhältniß für die Majorität der
Richter feſtſetzt, ſo wächst die Sicherheit des Urtheils zugleich
mit der Anzahl der Richter. Wird z. B. angenommen, daß die
Sentenz nur dann vollzogen werden kann, wenn zwei Drittheile
der Richter für die Strafe ſtimmen, ſo iſt die W. einer gerechten
Sentenz bei 6 Richtern nahe 0,75 oder ¾. Bei 12 Richtern aber,
wo alſo 8 für das Urtheil gefordert werden, iſt dieſe W. gleich
0,867 oder nahe 6/7, alſo ſchon bedeutend größer, als zuvor.
Werden endlich von 12 Richtern 9 Stimmen zur Ausführung
der Sentenz erfordert, ſo iſt die W. einer gerechten Sentenz
0,955, alſo ſehr groß und nahe gleich 1.
§. 73. (Anwendung der Wahrſcheinlichkeitsrechnung auf Aſtro-
nomie.) Wir haben bereits oben (§. 57) durch ein Beiſpiel zu
zeigen geſucht, wie die Auflöſung der wichtigſten Probleme der
Aſtronomie, und überhaupt aller eigentlichen Naturwiſſenſchaften,
ihre letzte Vollendung nur durch dieſe neue Rechnung erhalten
kann. In allen Fällen, wo wir uns der geſuchten Wahrheit ſo
weit nähern wollen, daß die Fehler unſerer Sinne und die bei
allen menſchlichen Unternehmungen unvermeidlichen Unvollkom-
menheiten, da ſie nicht gänzlich entfernt werden können, wenig-
ſtens den kleinſtmöglichen Einfluß auf die Reſultate unſerer Un-
terſuchungen haben ſollen, in allen dieſen Fällen müſſen wir zu
der Wahrſcheinlichkeitsrechnung, als dem einzigen Mittel zu die-
ſem Zwecke, unſere Zuflucht nehmen.
Es würde uns viel zu weit führen, wenn wir hier die Art, auf
welche die Aſtronomen jene Rechnung auf ihre Beobachtungen au-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 426. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/438>, abgerufen am 17.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.