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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836.

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Beschreibung und Gebrauch der astronom. Instrumente.
Jener die Gesetze der materiellen Welt, auch die der geistigen zu
offenbaren. Sechs Jahrtausende, nach der gewöhnlichen Zeitrechnung,
sind vergangen, bis Jener erscheinen konnte, um den ersten Schleier
zu lüften, mit welchem die Natur ihre Geheimnisse vor den Au-
gen der Sterblichen verbarg: andere Jahrtausende werden viel-
leicht erfordert, um auch diesen zweiten, dichteren Schleier zu
heben. Aber die vielleicht sehr großen Schwierigkeiten, um
dieses jetzt von uns noch zu ferne Ziel zu erreichen, werden
die immer vorwärts strebenden Bemühungen der Menschen
eben so wenig zurück halten, als es die gewiß auch nicht ge-
ringen Hindernisse zu thun vermochten, welche unsere schwächeren
und mit weniger Hülfsmitteln ausgerüsteten Vorgänger bei der
Entdeckung des Gesetzes der allgemeinen Schwere zu besiegen hat-
ten. Seit dieser großen und für alle Zeiten merkwürdigen Epoche
hat man gefunden, daß dieses Gesetz nicht nur die Bewegung der
himmlischen Körper, selbst in ihren scheinbaren Ausnahmen, mit
einer bewunderungswürdigen Genauigkeit darstellt, sondern man
ist auch bereits, wenn gleich nicht zu dem Beweise, doch zu der
sehr gegründeten und durch zahlreiche Beobachtungen bestätig-
ten Vermuthung gelangt, daß dasselbe Gesetz, unter zweckge-
mäßen Modificationen, auch die Anordnung der kleinsten, die Kör-
per constituirenden Theilchen und die regelmäßige Bildung der
Krystalle in sich schließt. Könnten nicht auch die Bewegungen der
Nerven thierischer Körper denselben oder doch ähnlichen Ge-
setzen der Dynamik unterliegen? Könnte nicht auch dieselbe allgemeine
Kraft, welche die Ursache des Zusammenhangs und der Bewegung
der Körper ist, welche das Wachsthum und die Gährung derselben
bestimmt, könnte sie nicht auch jene inneren Bewegungen und Verän-
derungen ihrer feinsten Theile bestimmen, und so gleichsam die drei-
fache uns umgebende Welt einen einzigen, gemeinschaftlichen Ursprung
haben? -- Die Bewegungen, welche die Nervenvibrationen dem
Muskelsysteme, und durch dasselbe den äußeren, fremden Körpern
mittheilen, dürfen vielleicht als bloße Entwicklungen feinerer
elastischer Federn betrachtet werden, bei welchen, nach dem bekannten
Grundsatze der Mechanik, der gemeinschaftliche Schwerpunkt un-
seres eigenen und der bewegten fremden Körper immer unbeweg-
lich bleibt. Diese Vibrationen scheinen sich, ohne Störung oder

Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.
Jener die Geſetze der materiellen Welt, auch die der geiſtigen zu
offenbaren. Sechs Jahrtauſende, nach der gewöhnlichen Zeitrechnung,
ſind vergangen, bis Jener erſcheinen konnte, um den erſten Schleier
zu lüften, mit welchem die Natur ihre Geheimniſſe vor den Au-
gen der Sterblichen verbarg: andere Jahrtauſende werden viel-
leicht erfordert, um auch dieſen zweiten, dichteren Schleier zu
heben. Aber die vielleicht ſehr großen Schwierigkeiten, um
dieſes jetzt von uns noch zu ferne Ziel zu erreichen, werden
die immer vorwärts ſtrebenden Bemühungen der Menſchen
eben ſo wenig zurück halten, als es die gewiß auch nicht ge-
ringen Hinderniſſe zu thun vermochten, welche unſere ſchwächeren
und mit weniger Hülfsmitteln ausgerüſteten Vorgänger bei der
Entdeckung des Geſetzes der allgemeinen Schwere zu beſiegen hat-
ten. Seit dieſer großen und für alle Zeiten merkwürdigen Epoche
hat man gefunden, daß dieſes Geſetz nicht nur die Bewegung der
himmliſchen Körper, ſelbſt in ihren ſcheinbaren Ausnahmen, mit
einer bewunderungswürdigen Genauigkeit darſtellt, ſondern man
iſt auch bereits, wenn gleich nicht zu dem Beweiſe, doch zu der
ſehr gegründeten und durch zahlreiche Beobachtungen beſtätig-
ten Vermuthung gelangt, daß daſſelbe Geſetz, unter zweckge-
mäßen Modificationen, auch die Anordnung der kleinſten, die Kör-
per conſtituirenden Theilchen und die regelmäßige Bildung der
Kryſtalle in ſich ſchließt. Könnten nicht auch die Bewegungen der
Nerven thieriſcher Körper denſelben oder doch ähnlichen Ge-
ſetzen der Dynamik unterliegen? Könnte nicht auch dieſelbe allgemeine
Kraft, welche die Urſache des Zuſammenhangs und der Bewegung
der Körper iſt, welche das Wachsthum und die Gährung derſelben
beſtimmt, könnte ſie nicht auch jene inneren Bewegungen und Verän-
derungen ihrer feinſten Theile beſtimmen, und ſo gleichſam die drei-
fache uns umgebende Welt einen einzigen, gemeinſchaftlichen Urſprung
haben? — Die Bewegungen, welche die Nervenvibrationen dem
Muskelſyſteme, und durch daſſelbe den äußeren, fremden Körpern
mittheilen, dürfen vielleicht als bloße Entwicklungen feinerer
elaſtiſcher Federn betrachtet werden, bei welchen, nach dem bekannten
Grundſatze der Mechanik, der gemeinſchaftliche Schwerpunkt un-
ſeres eigenen und der bewegten fremden Körper immer unbeweg-
lich bleibt. Dieſe Vibrationen ſcheinen ſich, ohne Störung oder

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[437/0449] Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente. Jener die Geſetze der materiellen Welt, auch die der geiſtigen zu offenbaren. Sechs Jahrtauſende, nach der gewöhnlichen Zeitrechnung, ſind vergangen, bis Jener erſcheinen konnte, um den erſten Schleier zu lüften, mit welchem die Natur ihre Geheimniſſe vor den Au- gen der Sterblichen verbarg: andere Jahrtauſende werden viel- leicht erfordert, um auch dieſen zweiten, dichteren Schleier zu heben. Aber die vielleicht ſehr großen Schwierigkeiten, um dieſes jetzt von uns noch zu ferne Ziel zu erreichen, werden die immer vorwärts ſtrebenden Bemühungen der Menſchen eben ſo wenig zurück halten, als es die gewiß auch nicht ge- ringen Hinderniſſe zu thun vermochten, welche unſere ſchwächeren und mit weniger Hülfsmitteln ausgerüſteten Vorgänger bei der Entdeckung des Geſetzes der allgemeinen Schwere zu beſiegen hat- ten. Seit dieſer großen und für alle Zeiten merkwürdigen Epoche hat man gefunden, daß dieſes Geſetz nicht nur die Bewegung der himmliſchen Körper, ſelbſt in ihren ſcheinbaren Ausnahmen, mit einer bewunderungswürdigen Genauigkeit darſtellt, ſondern man iſt auch bereits, wenn gleich nicht zu dem Beweiſe, doch zu der ſehr gegründeten und durch zahlreiche Beobachtungen beſtätig- ten Vermuthung gelangt, daß daſſelbe Geſetz, unter zweckge- mäßen Modificationen, auch die Anordnung der kleinſten, die Kör- per conſtituirenden Theilchen und die regelmäßige Bildung der Kryſtalle in ſich ſchließt. Könnten nicht auch die Bewegungen der Nerven thieriſcher Körper denſelben oder doch ähnlichen Ge- ſetzen der Dynamik unterliegen? Könnte nicht auch dieſelbe allgemeine Kraft, welche die Urſache des Zuſammenhangs und der Bewegung der Körper iſt, welche das Wachsthum und die Gährung derſelben beſtimmt, könnte ſie nicht auch jene inneren Bewegungen und Verän- derungen ihrer feinſten Theile beſtimmen, und ſo gleichſam die drei- fache uns umgebende Welt einen einzigen, gemeinſchaftlichen Urſprung haben? — Die Bewegungen, welche die Nervenvibrationen dem Muskelſyſteme, und durch daſſelbe den äußeren, fremden Körpern mittheilen, dürfen vielleicht als bloße Entwicklungen feinerer elaſtiſcher Federn betrachtet werden, bei welchen, nach dem bekannten Grundſatze der Mechanik, der gemeinſchaftliche Schwerpunkt un- ſeres eigenen und der bewegten fremden Körper immer unbeweg- lich bleibt. Dieſe Vibrationen ſcheinen ſich, ohne Störung oder

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/449>, abgerufen am 29.04.2024.