Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
begegnet war/ welcher der Wehmutter Urthelnach sie zu künfftiger Empfängniß unfähig machte. Gleichwol aber beraubte ihn die Grösse dieses Hertzeleides nicht seiner durch öfftere Zu- fälle abgehärteten Klugheit/ und weil seine Liebe gegen Olympien unausleschlich war/ setzte er ihm für/ weder durch die sonst nicht ungewöhnliche Heyrath mehrerer Frauen seine eigene durch andere Neben-Sonnen zu verdüstern/ noch ie- manden anderst/ als diß/ was sie gebohren/ mit der Zeit zu seinem Stuel-Erben zu erklären. Es stand ihm aber am Wege/ daß in Armenien noch kein Weibsbild den Reichs-Apffel in Händen gehabt hatte. Daher berieht er sich mit seinem vertrautesten und höchsten Staats-Diener dem klugen Artafernes/ was bey so gestalten Sachen zu thun wäre. Dieser urtheilte: Er hielte es in allewege für eine verdammliche Ketze- rey/ wenn etliche das weibliche Geschlechte für unfähig der Königlichen Herrschafft schätzten. Die Staats-Klugheit steckte nicht im Barte/ und die Königliche Hoheit nicht im Sauersehen. Das Gewichte/ welches die Uhr des gemeinen Wesens triebe/ sey die Krafft eines lebhafften Geistes/ und die Geschickligkeit einer scharffsin- nigen Vernunfft/ welche nichts minder in Frau- en-als Manns-Köpff[e]n Raum hätten. Das Gestirne der Caßiopea und der Venus sey so schön und kräfftig/ als des Theseus und des Mars. Der Kopff mache einen zum Weltwei- sen/ die Zunge einen zum Redner/ die Brust einen zum Ringer/ die Armen zum Kriegsknech- te/ die Füsse zum Lauffer/ die Achseln zum Trä- ger/ ein grosses Hertz aber einen zum Könige. Wenn an starcken Spann-Adern das gemeine Heil hinge/ müste Griechenland seine Fürsten von den Olympischen Rennebahnen/ und Rom seine Bürgermeister aus den Schauplätzen neh- men. Man hätte wohl eh Riesen zu Fürsten/ welche Bäume auszureissen vermöchten/ derer Achseln sich doch unter einer mittelmäßigen Schwerde der Reichs-Sorgen beugten. Hinge- [Spaltenumbruch] gen wären offtmals kräncklichte Fürsten gewest/ die etliche Jahr nie aus dem Zimmer kommen/ oder vom Siech-Bette auffgestanden/ denen a- ber die Last etlicher Königreiche leichte gewest. Diese wären von Zeuge zubereitet/ der zum Kopffe gehörete/ und keine Spann-Adern dörf- te/ jene aber von solchem/ der zu Gliedern und Dienern erfodert wird. Diese gehörten zum Steuer-Ruder/ welches nur Klugheit/ keine Stärcke erfordert; jene auf die gemeine Ruder- Banck/ da die Armen das beste thun/ die weder der Schweiß/ noch die rauhe Lufft entkräfftet. Es ist wahr/ sagte Thußnelde/ es hat in Britan- nien ein König Hippo Marcomirs Sohn eine und die andere Welt aus seinem Zimmer/ welches einem Kranckenhause ähnlicher/ als einer Raths- Stube war/ so klüglich beherrscht/ daß man ihn den Salomon seiner Zeit geheissen. Und ich muß unserm Geschlechte/ daß es zum Herrschen ge- schickt sey/ abermal das Wort reden. Jch wil von der Semiramis und Nitocris zu Babylon/ Ar- temisien und Laodicen in Asien/ von der Thomy- ris bey den Scythen den Wundern der Vor- Welt nichts erzehlen. Zu erwehnten Königs Hippo Zeit regierte in Hibernien Telesbia eine Jungfrau lange Jahre zu der gantzen Welt Verwunderung/ ja sie hielt obe wehntem Könige Hippo dergestalt die Wage/ daß seine klügste An- stalten/ und die mächtigsten See-Rüstungen zu Wasser wurden. Für wenigen Jahren hat Ca- nistria den Svionern und Gothen mit grossem Ruhm fürgestanden/ und ihr Reich über zwey Meere erweitert. Die Sitones haben insge- mein Weiber zu Königinnen. Diesemnach denn hoffentlich unsern Deutschen nicht wird zu ver- argen seyn/ daß sie die Frauen in den wichtigsten Sachen zu rathe ziehen/ und ihr Gutachten mei- stentheils gelten lassen/ festiglich glaubende/ daß diß Geschlechte nichts minder heilig als fürsich- tig sey. Auch sind die Britannier nicht zu schel- ten/ daß sie in der Reichs-Folge kein Geschlechte unterscheiden. Salonine kam hierauff wieder an F f 3
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
begegnet war/ welcher der Wehmutter Urthelnach ſie zu kuͤnfftiger Empfaͤngniß unfaͤhig machte. Gleichwol aber beraubte ihn die Groͤſſe dieſes Hertzeleides nicht ſeiner durch oͤfftere Zu- faͤlle abgehaͤrteten Klugheit/ und weil ſeine Liebe gegen Olympien unausleſchlich waꝛ/ ſetzte eꝛ ihm fuͤr/ weder durch die ſonſt nicht ungewoͤhnliche Heyrath mehrerer Frauen ſeine eigene durch andere Neben-Sonnen zu verduͤſtern/ noch ie- manden anderſt/ als diß/ was ſie gebohren/ mit der Zeit zu ſeinem Stuel-Erben zu erklaͤren. Es ſtand ihm aber am Wege/ daß in Armenien noch kein Weibsbild den Reichs-Apffel in Haͤnden gehabt hatte. Daher berieht er ſich mit ſeinem vertrauteſten und hoͤchſten Staats-Diener dem klugen Artafernes/ was bey ſo geſtalten Sachen zu thun waͤre. Dieſer urtheilte: Er hielte es in allewege fuͤr eine verdammliche Ketze- rey/ wenn etliche das weibliche Geſchlechte fuͤr unfaͤhig der Koͤniglichen Herrſchafft ſchaͤtzten. Die Staats-Klugheit ſteckte nicht im Barte/ und die Koͤnigliche Hoheit nicht im Sauerſehen. Das Gewichte/ welches die Uhr des gemeinen Weſens triebe/ ſey die Krafft eines lebhafften Geiſtes/ und die Geſchickligkeit einer ſcharffſin- nigen Vernunfft/ welche nichts minder in Frau- en-als Manns-Koͤpff[e]n Raum haͤtten. Das Geſtirne der Caßiopea und der Venus ſey ſo ſchoͤn und kraͤfftig/ als des Theſeus und des Mars. Der Kopff mache einen zum Weltwei- ſen/ die Zunge einen zum Redner/ die Bruſt einen zum Ringer/ die Armen zum Kriegsknech- te/ die Fuͤſſe zum Lauffer/ die Achſeln zum Traͤ- ger/ ein groſſes Hertz aber einen zum Koͤnige. Wenn an ſtarcken Spann-Adern das gemeine Heil hinge/ muͤſte Griechenland ſeine Fuͤrſten von den Olympiſchen Rennebahnen/ und Rom ſeine Buͤrgermeiſter aus den Schauplaͤtzen neh- men. Man haͤtte wohl eh Rieſen zu Fuͤrſten/ welche Baͤume auszureiſſen vermoͤchten/ derer Achſeln ſich doch unter einer mittelmaͤßigen Schwerde der Reichs-Sorgen beugten. Hinge- [Spaltenumbruch] gen waͤren offtmals kraͤncklichte Fuͤrſten geweſt/ die etliche Jahr nie aus dem Zimmer kommen/ oder vom Siech-Bette auffgeſtanden/ denen a- ber die Laſt etlicher Koͤnigreiche leichte geweſt. Dieſe waͤren von Zeuge zubereitet/ der zum Kopffe gehoͤrete/ und keine Spann-Adern doͤrf- te/ jene aber von ſolchem/ der zu Gliedern und Dienern erfodert wird. Dieſe gehoͤrten zum Steuer-Ruder/ welches nur Klugheit/ keine Staͤrcke erfordert; jene auf die gemeine Ruder- Banck/ da die Armen das beſte thun/ die weder der Schweiß/ noch die rauhe Lufft entkraͤfftet. Es iſt wahr/ ſagte Thußnelde/ es hat in Britan- nien ein Koͤnig Hippo Marcomirs Sohn eine und die andere Welt aus ſeinem Zim̃er/ welches einem Kranckenhauſe aͤhnlicher/ als eineꝛ Raths- Stube war/ ſo kluͤglich beherrſcht/ daß man ihn den Salomon ſeiner Zeit geheiſſen. Und ich muß unſerm Geſchlechte/ daß es zum Herrſchen ge- ſchickt ſey/ abermal das Wort reden. Jch wil von der Semiramis und Nitocris zu Babylon/ Ar- temiſien und Laodicen in Aſien/ von der Thomy- ris bey den Scythen den Wundern der Vor- Welt nichts erzehlen. Zu erwehnten Koͤnigs Hippo Zeit regierte in Hibernien Telesbia eine Jungfrau lange Jahre zu der gantzen Welt Veꝛwundeꝛung/ ja ſie hielt obe wehntem Koͤnige Hippo dergeſtalt die Wage/ daß ſeine kluͤgſte An- ſtalten/ und die maͤchtigſten See-Ruͤſtungen zu Waſſer wurden. Fuͤr wenigen Jahren hat Ca- niſtria den Svionern und Gothen mit groſſem Ruhm fuͤrgeſtanden/ und ihr Reich uͤber zwey Meere erweitert. Die Sitones haben insge- mein Weiber zu Koͤniginnen. Dieſemnach deñ hoffentlich unſern Deutſchen nicht wird zu ver- argen ſeyn/ daß ſie die Frauen in den wichtigſten Sachen zu rathe ziehen/ und ihr Gutachten mei- ſtentheils gelten laſſen/ feſtiglich glaubende/ daß diß Geſchlechte nichts minder heilig als fuͤrſich- tig ſey. Auch ſind die Britannier nicht zu ſchel- ten/ daß ſie in der Reichs-Folge kein Geſchlechte unterſcheiden. Salonine kam hierauff wieder an F f 3
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Arminius und Thußnelda.
begegnet war/ welcher der Wehmutter Urthel
nach ſie zu kuͤnfftiger Empfaͤngniß unfaͤhig
machte. Gleichwol aber beraubte ihn die Groͤſſe
dieſes Hertzeleides nicht ſeiner durch oͤfftere Zu-
faͤlle abgehaͤrteten Klugheit/ und weil ſeine Liebe
gegen Olympien unausleſchlich waꝛ/ ſetzte eꝛ ihm
fuͤr/ weder durch die ſonſt nicht ungewoͤhnliche
Heyrath mehrerer Frauen ſeine eigene durch
andere Neben-Sonnen zu verduͤſtern/ noch ie-
manden anderſt/ als diß/ was ſie gebohren/ mit
der Zeit zu ſeinem Stuel-Erben zu erklaͤren. Es
ſtand ihm aber am Wege/ daß in Armenien noch
kein Weibsbild den Reichs-Apffel in Haͤnden
gehabt hatte. Daher berieht er ſich mit ſeinem
vertrauteſten und hoͤchſten Staats-Diener dem
klugen Artafernes/ was bey ſo geſtalten Sachen
zu thun waͤre. Dieſer urtheilte: Er hielte
es in allewege fuͤr eine verdammliche Ketze-
rey/ wenn etliche das weibliche Geſchlechte fuͤr
unfaͤhig der Koͤniglichen Herrſchafft ſchaͤtzten.
Die Staats-Klugheit ſteckte nicht im Barte/
und die Koͤnigliche Hoheit nicht im Sauerſehen.
Das Gewichte/ welches die Uhr des gemeinen
Weſens triebe/ ſey die Krafft eines lebhafften
Geiſtes/ und die Geſchickligkeit einer ſcharffſin-
nigen Vernunfft/ welche nichts minder in Frau-
en-als Manns-Koͤpffen Raum haͤtten. Das
Geſtirne der Caßiopea und der Venus ſey ſo
ſchoͤn und kraͤfftig/ als des Theſeus und des
Mars. Der Kopff mache einen zum Weltwei-
ſen/ die Zunge einen zum Redner/ die Bruſt
einen zum Ringer/ die Armen zum Kriegsknech-
te/ die Fuͤſſe zum Lauffer/ die Achſeln zum Traͤ-
ger/ ein groſſes Hertz aber einen zum Koͤnige.
Wenn an ſtarcken Spann-Adern das gemeine
Heil hinge/ muͤſte Griechenland ſeine Fuͤrſten
von den Olympiſchen Rennebahnen/ und Rom
ſeine Buͤrgermeiſter aus den Schauplaͤtzen neh-
men. Man haͤtte wohl eh Rieſen zu Fuͤrſten/
welche Baͤume auszureiſſen vermoͤchten/ derer
Achſeln ſich doch unter einer mittelmaͤßigen
Schwerde der Reichs-Sorgen beugten. Hinge-
gen waͤren offtmals kraͤncklichte Fuͤrſten geweſt/
die etliche Jahr nie aus dem Zimmer kommen/
oder vom Siech-Bette auffgeſtanden/ denen a-
ber die Laſt etlicher Koͤnigreiche leichte geweſt.
Dieſe waͤren von Zeuge zubereitet/ der zum
Kopffe gehoͤrete/ und keine Spann-Adern doͤrf-
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Dienern erfodert wird. Dieſe gehoͤrten zum
Steuer-Ruder/ welches nur Klugheit/ keine
Staͤrcke erfordert; jene auf die gemeine Ruder-
Banck/ da die Armen das beſte thun/ die weder
der Schweiß/ noch die rauhe Lufft entkraͤfftet.
Es iſt wahr/ ſagte Thußnelde/ es hat in Britan-
nien ein Koͤnig Hippo Marcomirs Sohn eine
und die andere Welt aus ſeinem Zim̃er/ welches
einem Kranckenhauſe aͤhnlicher/ als eineꝛ Raths-
Stube war/ ſo kluͤglich beherrſcht/ daß man ihn
den Salomon ſeiner Zeit geheiſſen. Und ich muß
unſerm Geſchlechte/ daß es zum Herrſchen ge-
ſchickt ſey/ abermal das Wort reden. Jch wil von
der Semiramis und Nitocris zu Babylon/ Ar-
temiſien und Laodicen in Aſien/ von der Thomy-
ris bey den Scythen den Wundern der Vor-
Welt nichts erzehlen. Zu erwehnten Koͤnigs
Hippo Zeit regierte in Hibernien Telesbia eine
Jungfrau lange Jahre zu der gantzen Welt
Veꝛwundeꝛung/ ja ſie hielt obe wehntem Koͤnige
Hippo dergeſtalt die Wage/ daß ſeine kluͤgſte An-
ſtalten/ und die maͤchtigſten See-Ruͤſtungen zu
Waſſer wurden. Fuͤr wenigen Jahren hat Ca-
niſtria den Svionern und Gothen mit groſſem
Ruhm fuͤrgeſtanden/ und ihr Reich uͤber zwey
Meere erweitert. Die Sitones haben insge-
mein Weiber zu Koͤniginnen. Dieſemnach deñ
hoffentlich unſern Deutſchen nicht wird zu ver-
argen ſeyn/ daß ſie die Frauen in den wichtigſten
Sachen zu rathe ziehen/ und ihr Gutachten mei-
ſtentheils gelten laſſen/ feſtiglich glaubende/ daß
diß Geſchlechte nichts minder heilig als fuͤrſich-
tig ſey. Auch ſind die Britannier nicht zu ſchel-
ten/ daß ſie in der Reichs-Folge kein Geſchlechte
unterſcheiden. Salonine kam hierauff wieder
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/281>, abgerufen am 17.06.2024. |