Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Drittes Buch [Spaltenumbruch]
Opfer-Tisch begleiteten. Nach vielen andäch-tigen Geberdungen und Besprengungen mit Balsam und wolrüchenden Wässern/ reichte der Priester/ oder vielmehr der unheilige Laster- Knecht dem Artabazes ein in der Spitze glüen- des Eisen/ mit welchem er/ nach selbigen Heilig- thums Gewohnheit/ der auf der lincken Seiten des Opfer-Tisches angebundenen/ und zum Opfer bestimmten Kuh durch die Brust fahren muste. Als Artabazes dieses mit grosser Schein- heiligkeit verrichtet hatte/ gab der Priester einen eben so glüenden Pfriemer Olympien/ umb es mit dem andern Opfer-Vieh eben so zu machen. Höret aber eine seltzame Umbkehrung! Die Liebe ladet den Tod ein zu einem allgemeinen Freuden- und Königlichen Hochzeit-Feste. Die Tugend wird zu einer Ruhms-würdigen Betrügerin und Erbarmnüß-werthen Mörde- rin/ die Verlobten zum blutigen Opfer ihres sich für der Bestätigung zertrennenden Bindnüsses. Denn es hob Olympie die Augen gegen dem Bilde der Anaitis empor/ sie holete einen tieffen Seufzer/ und ehe es einige Seele der so viel tau- send Umbstehenden gewahr ward/ stieß sie das feurige Eisen dem neben ihr knienden Artabazes durch die Brust/ daß er ohn einiges Lebens-Zei- chen stein-todt zur Erden sanck/ und derogestalt von derselben Hand das Leben einbüßte/ die mit ihren Augen ihn vorher schon seines Hertzens und der Vernunft beraubet hatte. Jhr Ant- litz verlor in einem Augenblicke die Rosen voriger Annehmligkeit/ die Freundligkeit schien numehr mit den Augen alle Zuschauer zu erstechen; die Blumen/ mit welchen sie bekräntzt war/ ver blaß- ten mit ihren Wangen/ und der gantze Tempel schien mehr anietzt von einem Donner-Straal/ als vorhergehende Nacht vom Erdbeben berüh- ret zu seyn. Jhre Hand reckte das glüende/ und von Artabazens anklebendem Blut noch zi- schende Eisen als ein Siegs-Zeichen empor/ gleich als wenn die Göttin der Liebe sich mit der Fa- ckel der Megera/ und die selbständige Schönheit [Spaltenumbruch] mit den Waffen des Todes in ihr ausgerüstet hätte. Denn ihr vor lachender Mund schäumte Zorn und Galle/ brach auch endlich in diese Worte aus: Umbirrender Schatten meines Artaxias/ und ihr Schutz-Götter des durch so viel Blut befleckten Armeniens/ nehmet von meiner schwachen Hand dieses wolrüchende Opfer des schlimsten Bluthunds zu euer Rache/ zu des Vaterlands Aussöhnung und meiner Reinigung an! Jhr Sterblichen aber glaubet/ daß ich niemals dieses Wüterichs Sclavin/ wohl aber seine unversöhnliche Tod-Feindin gewest sey/ und daß ich/ ob meine Rache gleich das Glü- cke gehabt seine Scharffrichterin zu seyn/ den- noch nimmermehr aufhören werde seinem Gei- ste eine höllische Unholdin abzugeben. Hierauf veränderte sie wieder ihre gantze Gestalt/ gerieth gleichsam durch eine Göttliche Verzückung in ein Paradis aller Wollüste/ und nach dem sie das Bild der Göttin Anaitis eine Weile mit starrenden Augen angesehen/ auch etliche andäch- tige Seufzer aus der Tieffe ihres Hertzens geho- let hatte/ fing sie an: Heiligste Göttin/ was wer- de ich dir nun wol für ein Danck-Opfer bringen: daß du mein der Rache und Liebe bestimmtes Opfer in diesem dir alleine gewiedmetem Tempel/ an dem Fusse deines Altares hast so glückselig ab- schlachten/ und mit so schwartzem Blute dieses Bluthundes dein heiliges Bild besprengen las- sen? Sihe da/ nim die weder durch Mord noch Geilheit befleckte Seele der sterbenden Olympie an/ und vereinbare sie mit dem Geiste ihres Ar- taxias/ welche zeither so sehnlich nach einander ge- lächset haben. Hierauf umbarmte sie mit der lincken Hand das güldene Bild der Anaitis/ mit der rechten aber ergrieff sie einen im Ermel ver- steckten Dolch/ und stach ihn in ihr Hertz/ also daß wie ein Strom das Blut auf die Göttin heraus spritzte/ sie aber mit lächelndem Antlitze/ und mit nicht minderer Vergnügung als ein Feldherr/ der nach gewonnener Schlacht in währendem Siegs-Gepränge von seinen Wunden stirbt/ als
Drittes Buch [Spaltenumbruch]
Opfer-Tiſch begleiteten. Nach vielen andaͤch-tigen Geberdungen und Beſprengungen mit Balſam und wolruͤchenden Waͤſſern/ reichte der Prieſter/ oder vielmehr der unheilige Laſter- Knecht dem Artabazes ein in der Spitze gluͤen- des Eiſen/ mit welchem er/ nach ſelbigen Heilig- thums Gewohnheit/ der auf der lincken Seiten des Opfer-Tiſches angebundenen/ und zum Opfer beſtim̃ten Kuh durch die Bruſt fahren muſte. Als Artabazes dieſes mit groſſer Schein- heiligkeit verrichtet hatte/ gab der Prieſter einen eben ſo gluͤenden Pfriemer Olympien/ umb es mit dem andern Opfer-Vieh eben ſo zu machen. Hoͤret aber eine ſeltzame Umbkehrung! Die Liebe ladet den Tod ein zu einem allgemeinen Freuden- und Koͤniglichen Hochzeit-Feſte. Die Tugend wird zu einer Ruhms-wuͤrdigen Betruͤgerin und Erbarmnuͤß-werthen Moͤrde- rin/ die Verlobten zum blutigen Opfer ihres ſich fuͤr der Beſtaͤtigung zertrennenden Bindnuͤſſes. Denn es hob Olympie die Augen gegen dem Bilde der Anaitis empor/ ſie holete einen tieffen Seufzer/ und ehe es einige Seele der ſo viel tau- ſend Umbſtehenden gewahr ward/ ſtieß ſie das feurige Eiſen dem neben ihr knienden Artabazes durch die Bruſt/ daß er ohn einiges Lebens-Zei- chen ſtein-todt zur Erden ſanck/ und derogeſtalt von derſelben Hand das Leben einbuͤßte/ die mit ihren Augen ihn vorher ſchon ſeines Hertzens und der Vernunft beraubet hatte. Jhr Ant- litz verlor in einem Augenblicke die Roſen voriger Annehmligkeit/ die Freundligkeit ſchien numehr mit den Augen alle Zuſchauer zu erſtechen; die Blumen/ mit welchen ſie bekraͤntzt war/ ver blaß- ten mit ihren Wangen/ und der gantze Tempel ſchien mehr anietzt von einem Donner-Straal/ als vorhergehende Nacht vom Erdbeben beruͤh- ret zu ſeyn. Jhre Hand reckte das gluͤende/ und von Artabazens anklebendem Blut noch zi- ſchende Eiſen als ein Siegs-Zeichen empor/ gleich als weñ die Goͤttin der Liebe ſich mit der Fa- ckel der Megera/ und die ſelbſtaͤndige Schoͤnheit [Spaltenumbruch] mit den Waffen des Todes in ihr ausgeruͤſtet haͤtte. Denn ihr vor lachender Mund ſchaͤumte Zorn und Galle/ brach auch endlich in dieſe Worte aus: Umbirrender Schatten meines Artaxias/ und ihr Schutz-Goͤtter des durch ſo viel Blut befleckten Armeniens/ nehmet von meiner ſchwachen Hand dieſes wolruͤchende Opfer des ſchlimſten Bluthunds zu euer Rache/ zu des Vaterlands Ausſoͤhnung und meiner Reinigung an! Jhr Sterblichen aber glaubet/ daß ich niemals dieſes Wuͤterichs Sclavin/ wohl aber ſeine unverſoͤhnliche Tod-Feindin geweſt ſey/ und daß ich/ ob meine Rache gleich das Gluͤ- cke gehabt ſeine Scharffrichterin zu ſeyn/ den- noch nimmermehr aufhoͤren werde ſeinem Gei- ſte eine hoͤlliſche Unholdin abzugeben. Hierauf veraͤnderte ſie wieder ihre gantze Geſtalt/ gerieth gleichſam durch eine Goͤttliche Verzuͤckung in ein Paradis aller Wolluͤſte/ und nach dem ſie das Bild der Goͤttin Anaitis eine Weile mit ſtarrenden Augen angeſehen/ auch etliche andaͤch- tige Seufzer aus der Tieffe ihres Hertzens geho- let hatte/ fing ſie an: Heiligſte Goͤttin/ was wer- de ich dir nun wol fuͤr ein Danck-Opfer bringen: daß du mein der Rache und Liebe beſtim̃tes Opfer in dieſem dir alleine gewiedmetem Tempel/ an dem Fuſſe deines Altares haſt ſo gluͤckſelig ab- ſchlachten/ und mit ſo ſchwartzem Blute dieſes Bluthundes dein heiliges Bild beſprengen laſ- ſen? Sihe da/ nim die weder durch Mord noch Geilheit befleckte Seele der ſterbenden Olympie an/ und vereinbare ſie mit dem Geiſte ihres Ar- taxias/ welche zeitheꝛ ſo ſehnlich nach einander ge- laͤchſet haben. Hierauf umbarmte ſie mit der lincken Hand das guͤldene Bild der Anaitis/ mit der rechten aber ergrieff ſie einen im Ermel ver- ſteckten Dolch/ und ſtach ihn in ihr Hertz/ alſo daß wie ein Strom das Blut auf die Goͤttin heraus ſpritzte/ ſie aber mit laͤchelndem Antlitze/ und mit nicht minderer Vergnuͤgung als ein Feldherr/ der nach gewonnener Schlacht in waͤhrendem Siegs-Gepraͤnge von ſeinen Wunden ſtirbt/ als
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Drittes Buch
Opfer-Tiſch begleiteten. Nach vielen andaͤch-
tigen Geberdungen und Beſprengungen mit
Balſam und wolruͤchenden Waͤſſern/ reichte
der Prieſter/ oder vielmehr der unheilige Laſter-
Knecht dem Artabazes ein in der Spitze gluͤen-
des Eiſen/ mit welchem er/ nach ſelbigen Heilig-
thums Gewohnheit/ der auf der lincken Seiten
des Opfer-Tiſches angebundenen/ und zum
Opfer beſtim̃ten Kuh durch die Bruſt fahren
muſte. Als Artabazes dieſes mit groſſer Schein-
heiligkeit verrichtet hatte/ gab der Prieſter einen
eben ſo gluͤenden Pfriemer Olympien/ umb es
mit dem andern Opfer-Vieh eben ſo zu machen.
Hoͤret aber eine ſeltzame Umbkehrung! Die
Liebe ladet den Tod ein zu einem allgemeinen
Freuden- und Koͤniglichen Hochzeit-Feſte.
Die Tugend wird zu einer Ruhms-wuͤrdigen
Betruͤgerin und Erbarmnuͤß-werthen Moͤrde-
rin/ die Verlobten zum blutigen Opfer ihres ſich
fuͤr der Beſtaͤtigung zertrennenden Bindnuͤſſes.
Denn es hob Olympie die Augen gegen dem
Bilde der Anaitis empor/ ſie holete einen tieffen
Seufzer/ und ehe es einige Seele der ſo viel tau-
ſend Umbſtehenden gewahr ward/ ſtieß ſie das
feurige Eiſen dem neben ihr knienden Artabazes
durch die Bruſt/ daß er ohn einiges Lebens-Zei-
chen ſtein-todt zur Erden ſanck/ und derogeſtalt
von derſelben Hand das Leben einbuͤßte/ die mit
ihren Augen ihn vorher ſchon ſeines Hertzens
und der Vernunft beraubet hatte. Jhr Ant-
litz verlor in einem Augenblicke die Roſen voriger
Annehmligkeit/ die Freundligkeit ſchien numehr
mit den Augen alle Zuſchauer zu erſtechen; die
Blumen/ mit welchen ſie bekraͤntzt war/ ver blaß-
ten mit ihren Wangen/ und der gantze Tempel
ſchien mehr anietzt von einem Donner-Straal/
als vorhergehende Nacht vom Erdbeben beruͤh-
ret zu ſeyn. Jhre Hand reckte das gluͤende/
und von Artabazens anklebendem Blut noch zi-
ſchende Eiſen als ein Siegs-Zeichen empor/
gleich als weñ die Goͤttin der Liebe ſich mit der Fa-
ckel der Megera/ und die ſelbſtaͤndige Schoͤnheit
mit den Waffen des Todes in ihr ausgeruͤſtet
haͤtte. Denn ihr vor lachender Mund ſchaͤumte
Zorn und Galle/ brach auch endlich in dieſe
Worte aus: Umbirrender Schatten meines
Artaxias/ und ihr Schutz-Goͤtter des durch ſo
viel Blut befleckten Armeniens/ nehmet von
meiner ſchwachen Hand dieſes wolruͤchende
Opfer des ſchlimſten Bluthunds zu euer Rache/
zu des Vaterlands Ausſoͤhnung und meiner
Reinigung an! Jhr Sterblichen aber glaubet/
daß ich niemals dieſes Wuͤterichs Sclavin/ wohl
aber ſeine unverſoͤhnliche Tod-Feindin geweſt
ſey/ und daß ich/ ob meine Rache gleich das Gluͤ-
cke gehabt ſeine Scharffrichterin zu ſeyn/ den-
noch nimmermehr aufhoͤren werde ſeinem Gei-
ſte eine hoͤlliſche Unholdin abzugeben. Hierauf
veraͤnderte ſie wieder ihre gantze Geſtalt/ gerieth
gleichſam durch eine Goͤttliche Verzuͤckung in
ein Paradis aller Wolluͤſte/ und nach dem ſie
das Bild der Goͤttin Anaitis eine Weile mit
ſtarrenden Augen angeſehen/ auch etliche andaͤch-
tige Seufzer aus der Tieffe ihres Hertzens geho-
let hatte/ fing ſie an: Heiligſte Goͤttin/ was wer-
de ich dir nun wol fuͤr ein Danck-Opfer bringen:
daß du mein der Rache und Liebe beſtim̃tes Opfer
in dieſem dir alleine gewiedmetem Tempel/ an
dem Fuſſe deines Altares haſt ſo gluͤckſelig ab-
ſchlachten/ und mit ſo ſchwartzem Blute dieſes
Bluthundes dein heiliges Bild beſprengen laſ-
ſen? Sihe da/ nim die weder durch Mord noch
Geilheit befleckte Seele der ſterbenden Olympie
an/ und vereinbare ſie mit dem Geiſte ihres Ar-
taxias/ welche zeitheꝛ ſo ſehnlich nach einander ge-
laͤchſet haben. Hierauf umbarmte ſie mit der
lincken Hand das guͤldene Bild der Anaitis/ mit
der rechten aber ergrieff ſie einen im Ermel ver-
ſteckten Dolch/ und ſtach ihn in ihr Hertz/ alſo daß
wie ein Strom das Blut auf die Goͤttin heraus
ſpritzte/ ſie aber mit laͤchelndem Antlitze/ und mit
nicht minderer Vergnuͤgung als ein Feldherr/
der nach gewonnener Schlacht in waͤhrendem
Siegs-Gepraͤnge von ſeinen Wunden ſtirbt/
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/294>, abgerufen am 16.06.2024. |