Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Vierdtes Buch [Spaltenumbruch]
zu arm/ der Adel zu sehr gedrückt. Die Spar-samkeit wäre in Eitelkeiten der Kleider/ der Häuser/ der Blumen und Gemählde zur Berschwendung/ die guten Sitten zu La- stern/ ihr einträchtiger Gottesdienst zu einer vielköpfichten Schlange seltzamer Meinungen worden. Der meisten Gemüther wären nicht hertzhafft und streitbar genung zu einer Herr- schafft des Volckes; die wenigsten geneigt de- nen fürtrefflichern zu gehorsamen; Die Ver- mögenden wären alle selbst zu herrschen begie- rig; Die Schwächern nach der Dienstbarkeit lüstern/ jene spotteten der Obrigkeiten/ diese der Freyheit; jene thäten böses aus Verwöh- nung/ diese aus Noth; Also hätte müssen ge- genwärtige Zerrüttung erfolgen; ja wenn auch das Vaterland nicht so auff der Schüppe stünde/ erforderte die Eigenschafft so widriger Neigungen/ daß sie alle einem Cariovalda un- terthänig würden. Alle Anwesenden im Ra- the höreten ihn gedultig/ sahen einander an/ niemand aber erkühnte sich ein Wort darzu zu sagen/ biß der gemeine Redner auftrat/ und zwar seine Rede von dem Lobe der unschätzbaren Freyheit anfing; Als er aber der meisten Raths- herren vorhin ausgeleuterte Gesichter gleich- sam von einem Unwillen überwölcken sahe; wendete der verschlagene Redner seinen Schluß dahin/ daß man bey euserster Noth solch gülde- nes Kleinod der Freyheit/ wie die Schiffenden ihre köstliche Ladung/ um das Schiff nur zu er- halten/ ins Meer werffen/ und durch gutwil- lige Unterwerffung des unvermeidlichen Herr- schers Gemüthe besänfften/ also ein Theil oder nur einen Schatten der alten Freyheit nebst Mäßigung der Dienstbarkeit erhalten müste. Derogestalt müste man freylich der Neigung des Volckes folgen; oder vielmehr durch Aus- ruffung des Cariovalda für ihren Fürsten denen hefftigern Thätligkeiten des Volckes vorkom- men. Gleichwol aber stellte er zu der gegen- wärtigen Landes-Väter Nachdencken: Ob [Spaltenumbruch] nicht dem Cariovalda die Herrschafft nach Art der Römischen Dictatorn nur auf gewisse Zeit anzuvertrauen/ auch mit gewissen Gesetzen zu umschrencken wäre? Enno aber begegnete diesem nunmehr mit einer hertzhafften Frey- heit: Cariovalda würde sich nicht weigern die Eydes-Pflicht und Verbindung gegen die Ba- taver nach dem Beyspiele und der Maßgebung seines Vaters und Großvaters abzulegen. Nimmermehr aber würde er seine Achseln ih- rem gebrechlichen Staat unterschieben/ wenn er nach überstandener Noth einer verkleinerli- chen Absetzung zu erwarten hätte. Die Rö- mer hätten nur zu solcher Zeit/ wenn ein Theil des gemeinen Wesens zerrüttet gewest/ einem auf gewisse Zeit die oberste Gewalt anvertrauet. Bey itzigem Zustande der Bataver aber dräue- ten alle Wände den Einfall; daher müsten sie/ wie die Römer zuletzt/ einen beständigen Für- sten/ keinen veränderlichen Verwalter ha- ben. Niemand war im gantzen Rathe/ der nicht gleichsam mit zusammen klopffenden Händen dem Enno beyfiel; ieder wolte unter den Abgesandten seyn/ die dem Cariovalda die neue Herrschafft antragen/ oder dem Volcke andeuten wolte. Als auch Cariovalda im Rath erschien/ welchen das Volck mit unzehl- barem Zulauff und tausenderley Glückwün- sehen begleitete/ trachtete ieder durch Ausdrü- ckung seiner über dieser neuen Wahl geschöpff- ten Vergnügung dem andern vorzukommen. Die gemeinsten Lobsprüche waren/ daß das Ver- hängnüß zu Hohne des Glückes/ als einer wi- drigen Stiefmutter den Fürsten Cariovalda zum Vater des Vaterlandes erkieset/ und seine Tapfferkeit zu einer gesicheren Gräntz-Fe- stung/ als ihre grossen Flüsse und Lachen dem Feinde entgegen gesetzt hätte. Mit die- sem Fürsten gienge bey so grossen Ungewit- tern den Batavern ein heilsames Gestirne der Wohlfarth auff. Das Volck dörffte nunmehr nur um den Fürsten/ nicht mehr um das
Vierdtes Buch [Spaltenumbruch]
zu arm/ der Adel zu ſehr gedruͤckt. Die Spar-ſamkeit waͤre in Eitelkeiten der Kleider/ der Haͤuſer/ der Blumen und Gemaͤhlde zur Berſchwendung/ die guten Sitten zu La- ſtern/ ihr eintraͤchtiger Gottesdienſt zu einer vielkoͤpfichten Schlange ſeltzamer Meinungen worden. Der meiſten Gemuͤther waͤren nicht hertzhafft und ſtreitbar genung zu einer Herr- ſchafft des Volckes; die wenigſten geneigt de- nen fuͤrtrefflichern zu gehorſamen; Die Ver- moͤgenden waͤren alle ſelbſt zu herrſchen begie- rig; Die Schwaͤchern nach der Dienſtbarkeit luͤſtern/ jene ſpotteten der Obrigkeiten/ dieſe der Freyheit; jene thaͤten boͤſes aus Verwoͤh- nung/ dieſe aus Noth; Alſo haͤtte muͤſſen ge- genwaͤrtige Zerruͤttung erfolgen; ja wenn auch das Vaterland nicht ſo auff der Schuͤppe ſtuͤnde/ erforderte die Eigenſchafft ſo widriger Neigungen/ daß ſie alle einem Cariovalda un- terthaͤnig wuͤrden. Alle Anweſenden im Ra- the hoͤreten ihn gedultig/ ſahen einander an/ niemand aber erkuͤhnte ſich ein Wort darzu zu ſagen/ biß der gemeine Redner auftrat/ und zwar ſeine Rede von dem Lobe der unſchaͤtzbaren Freyheit anfing; Als er aber der meiſten Raths- herren vorhin ausgeleuterte Geſichter gleich- ſam von einem Unwillen uͤberwoͤlcken ſahe; wendete der verſchlagene Redner ſeinen Schluß dahin/ daß man bey euſerſter Noth ſolch guͤlde- nes Kleinod der Freyheit/ wie die Schiffenden ihre koͤſtliche Ladung/ um das Schiff nur zu er- halten/ ins Meer werffen/ und durch gutwil- lige Unterwerffung des unvermeidlichen Herr- ſchers Gemuͤthe beſaͤnfften/ alſo ein Theil oder nur einen Schatten der alten Freyheit nebſt Maͤßigung der Dienſtbarkeit erhalten muͤſte. Derogeſtalt muͤſte man freylich der Neigung des Volckes folgen; oder vielmehr durch Aus- ruffung des Cariovalda fuͤr ihren Fuͤrſten denen hefftigern Thaͤtligkeiten des Volckes vorkom- men. Gleichwol aber ſtellte er zu der gegen- waͤrtigen Landes-Vaͤter Nachdencken: Ob [Spaltenumbruch] nicht dem Cariovalda die Herrſchafft nach Art der Roͤmiſchen Dictatorn nur auf gewiſſe Zeit anzuvertrauen/ auch mit gewiſſen Geſetzen zu umſchrencken waͤre? Enno aber begegnete dieſem nunmehr mit einer hertzhafften Frey- heit: Cariovalda wuͤrde ſich nicht weigern die Eydes-Pflicht und Verbindung gegen die Ba- taver nach dem Beyſpiele und der Maßgebung ſeines Vaters und Großvaters abzulegen. Nimmermehr aber wuͤrde er ſeine Achſeln ih- rem gebrechlichen Staat unterſchieben/ wenn er nach uͤberſtandener Noth einer verkleinerli- chen Abſetzung zu erwarten haͤtte. Die Roͤ- mer haͤtten nur zu ſolcher Zeit/ wenn ein Theil des gemeinen Weſens zerruͤttet geweſt/ einem auf gewiſſe Zeit die oberſte Gewalt anvertrauet. Bey itzigem Zuſtande der Bataver aber draͤue- ten alle Waͤnde den Einfall; daher muͤſten ſie/ wie die Roͤmer zuletzt/ einen beſtaͤndigen Fuͤr- ſten/ keinen veraͤnderlichen Verwalter ha- ben. Niemand war im gantzen Rathe/ der nicht gleichſam mit zuſammen klopffenden Haͤnden dem Enno beyfiel; ieder wolte unter den Abgeſandten ſeyn/ die dem Cariovalda die neue Herrſchafft antragen/ oder dem Volcke andeuten wolte. Als auch Cariovalda im Rath erſchien/ welchen das Volck mit unzehl- barem Zulauff und tauſenderley Gluͤckwuͤn- ſehen begleitete/ trachtete ieder durch Ausdruͤ- ckung ſeiner uͤber dieſer neuen Wahl geſchoͤpff- ten Vergnuͤgung dem andern vorzukommen. Die gemeinſten Lobſpruͤche waren/ daß das Veꝛ- haͤngnuͤß zu Hohne des Gluͤckes/ als einer wi- drigen Stiefmutter den Fuͤrſten Cariovalda zum Vater des Vaterlandes erkieſet/ und ſeine Tapfferkeit zu einer geſicheren Graͤntz-Fe- ſtung/ als ihre groſſen Fluͤſſe und Lachen dem Feinde entgegen geſetzt haͤtte. Mit die- ſem Fuͤrſten gienge bey ſo groſſen Ungewit- tern den Batavern ein heilſames Geſtirne der Wohlfarth auff. Das Volck doͤrffte nunmehr nur um den Fuͤrſten/ nicht mehr um das
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Vierdtes Buch
zu arm/ der Adel zu ſehr gedruͤckt. Die Spar-
ſamkeit waͤre in Eitelkeiten der Kleider/ der
Haͤuſer/ der Blumen und Gemaͤhlde zur
Berſchwendung/ die guten Sitten zu La-
ſtern/ ihr eintraͤchtiger Gottesdienſt zu einer
vielkoͤpfichten Schlange ſeltzamer Meinungen
worden. Der meiſten Gemuͤther waͤren nicht
hertzhafft und ſtreitbar genung zu einer Herr-
ſchafft des Volckes; die wenigſten geneigt de-
nen fuͤrtrefflichern zu gehorſamen; Die Ver-
moͤgenden waͤren alle ſelbſt zu herrſchen begie-
rig; Die Schwaͤchern nach der Dienſtbarkeit
luͤſtern/ jene ſpotteten der Obrigkeiten/ dieſe
der Freyheit; jene thaͤten boͤſes aus Verwoͤh-
nung/ dieſe aus Noth; Alſo haͤtte muͤſſen ge-
genwaͤrtige Zerruͤttung erfolgen; ja wenn
auch das Vaterland nicht ſo auff der Schuͤppe
ſtuͤnde/ erforderte die Eigenſchafft ſo widriger
Neigungen/ daß ſie alle einem Cariovalda un-
terthaͤnig wuͤrden. Alle Anweſenden im Ra-
the hoͤreten ihn gedultig/ ſahen einander an/
niemand aber erkuͤhnte ſich ein Wort darzu zu
ſagen/ biß der gemeine Redner auftrat/ und
zwar ſeine Rede von dem Lobe der unſchaͤtzbaren
Freyheit anfing; Als er aber der meiſten Raths-
herren vorhin ausgeleuterte Geſichter gleich-
ſam von einem Unwillen uͤberwoͤlcken ſahe;
wendete der verſchlagene Redner ſeinen Schluß
dahin/ daß man bey euſerſter Noth ſolch guͤlde-
nes Kleinod der Freyheit/ wie die Schiffenden
ihre koͤſtliche Ladung/ um das Schiff nur zu er-
halten/ ins Meer werffen/ und durch gutwil-
lige Unterwerffung des unvermeidlichen Herr-
ſchers Gemuͤthe beſaͤnfften/ alſo ein Theil oder
nur einen Schatten der alten Freyheit nebſt
Maͤßigung der Dienſtbarkeit erhalten muͤſte.
Derogeſtalt muͤſte man freylich der Neigung
des Volckes folgen; oder vielmehr durch Aus-
ruffung des Cariovalda fuͤr ihren Fuͤrſten denen
hefftigern Thaͤtligkeiten des Volckes vorkom-
men. Gleichwol aber ſtellte er zu der gegen-
waͤrtigen Landes-Vaͤter Nachdencken: Ob
nicht dem Cariovalda die Herrſchafft nach Art
der Roͤmiſchen Dictatorn nur auf gewiſſe Zeit
anzuvertrauen/ auch mit gewiſſen Geſetzen zu
umſchrencken waͤre? Enno aber begegnete
dieſem nunmehr mit einer hertzhafften Frey-
heit: Cariovalda wuͤrde ſich nicht weigern die
Eydes-Pflicht und Verbindung gegen die Ba-
taver nach dem Beyſpiele und der Maßgebung
ſeines Vaters und Großvaters abzulegen.
Nimmermehr aber wuͤrde er ſeine Achſeln ih-
rem gebrechlichen Staat unterſchieben/ wenn
er nach uͤberſtandener Noth einer verkleinerli-
chen Abſetzung zu erwarten haͤtte. Die Roͤ-
mer haͤtten nur zu ſolcher Zeit/ wenn ein Theil
des gemeinen Weſens zerruͤttet geweſt/ einem
auf gewiſſe Zeit die oberſte Gewalt anvertrauet.
Bey itzigem Zuſtande der Bataver aber draͤue-
ten alle Waͤnde den Einfall; daher muͤſten ſie/
wie die Roͤmer zuletzt/ einen beſtaͤndigen Fuͤr-
ſten/ keinen veraͤnderlichen Verwalter ha-
ben. Niemand war im gantzen Rathe/ der
nicht gleichſam mit zuſammen klopffenden
Haͤnden dem Enno beyfiel; ieder wolte unter
den Abgeſandten ſeyn/ die dem Cariovalda die
neue Herrſchafft antragen/ oder dem Volcke
andeuten wolte. Als auch Cariovalda im
Rath erſchien/ welchen das Volck mit unzehl-
barem Zulauff und tauſenderley Gluͤckwuͤn-
ſehen begleitete/ trachtete ieder durch Ausdruͤ-
ckung ſeiner uͤber dieſer neuen Wahl geſchoͤpff-
ten Vergnuͤgung dem andern vorzukommen.
Die gemeinſten Lobſpruͤche waren/ daß das Veꝛ-
haͤngnuͤß zu Hohne des Gluͤckes/ als einer wi-
drigen Stiefmutter den Fuͤrſten Cariovalda
zum Vater des Vaterlandes erkieſet/ und ſeine
Tapfferkeit zu einer geſicheren Graͤntz-Fe-
ſtung/ als ihre groſſen Fluͤſſe und Lachen dem
Feinde entgegen geſetzt haͤtte. Mit die-
ſem Fuͤrſten gienge bey ſo groſſen Ungewit-
tern den Batavern ein heilſames Geſtirne
der Wohlfarth auff. Das Volck doͤrffte
nunmehr nur um den Fuͤrſten/ nicht mehr um
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/422>, abgerufen am 17.06.2024. |