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Lorm, Hieronymus [d. i. Heinrich Landesmann]: Ein adeliges Fräulein. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–49. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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eine unbedeutende Summe und das Jagdhaus rettend, in das er sich mit seiner Tochter zurückzog. Er war Wittwer; die Tochter zählte damals siebzehn Jahre. Wald und Felder gehörten zum Schloß. Der Baron war aber seiner edelmännischen Gewohnheit so müde geworden, daß er die Jagd verpachtete. Die Aecker ließ er bewirthschaften, von dem mitgebrachten Gelde das Haus wohnlich machen, -- und so lebten Vater und Tochter in zwar nicht durch Mangel, aber auch nicht durch Freuden gestörter Einsamkeit. Sie mochte zu dem Wesen beider Menschen wenig gepaßt haben. Denn war die Tochter in der Blüte ihrer Schönheit und schon deßhalb zum Genuß berechtigt, so war auch der Vater noch ein kräftiger Mann, und jede Bewegung von ihm hatte etwas vom ungeduldigen Löwen im Käfich jeder Schritt, mit dem er den Boden trat, schien zu sagen, daß die Zurückgezogenheit von der Welt eine erzwungene war, und Entrüstung darüber auszudrücken.

Zwei Jahre dauerte diese Einsamkeit, dann wurde sie von einem Manne unterbrochen, den man Anfangs in der Gegend für einen Landschaftsmaler gehalten hatte. Er war aber dies nicht eigentlich, sondern ein Kaufmann von großem Vermögen. Nachdem er sich auf unbekannte Weise Zutritt in das sonst unzugängliche Schloß verschafft hatte, verließ er dasselbe eines Tages als Bräutigam.

Nun kam er natürlich öfter und in kürzeren Zwischenräumen in die Gegend. Zuweilen kamen auch

eine unbedeutende Summe und das Jagdhaus rettend, in das er sich mit seiner Tochter zurückzog. Er war Wittwer; die Tochter zählte damals siebzehn Jahre. Wald und Felder gehörten zum Schloß. Der Baron war aber seiner edelmännischen Gewohnheit so müde geworden, daß er die Jagd verpachtete. Die Aecker ließ er bewirthschaften, von dem mitgebrachten Gelde das Haus wohnlich machen, — und so lebten Vater und Tochter in zwar nicht durch Mangel, aber auch nicht durch Freuden gestörter Einsamkeit. Sie mochte zu dem Wesen beider Menschen wenig gepaßt haben. Denn war die Tochter in der Blüte ihrer Schönheit und schon deßhalb zum Genuß berechtigt, so war auch der Vater noch ein kräftiger Mann, und jede Bewegung von ihm hatte etwas vom ungeduldigen Löwen im Käfich jeder Schritt, mit dem er den Boden trat, schien zu sagen, daß die Zurückgezogenheit von der Welt eine erzwungene war, und Entrüstung darüber auszudrücken.

Zwei Jahre dauerte diese Einsamkeit, dann wurde sie von einem Manne unterbrochen, den man Anfangs in der Gegend für einen Landschaftsmaler gehalten hatte. Er war aber dies nicht eigentlich, sondern ein Kaufmann von großem Vermögen. Nachdem er sich auf unbekannte Weise Zutritt in das sonst unzugängliche Schloß verschafft hatte, verließ er dasselbe eines Tages als Bräutigam.

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:30:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:30:32Z)

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Zitationshilfe: Lorm, Hieronymus [d. i. Heinrich Landesmann]: Ein adeliges Fräulein. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–49. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lorm_fraeulein_1910/15>, abgerufen am 26.04.2024.